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Klimagesetz: Extreme Zustimmung der Auslandschweizer:innen

Albert Rösti, Alain Berset und Karin Keller-Suter an einer Pressekonferenz
Der Bundesrat brachte seine drei Vorlagen durch – auch dank der Schweizer Diaspora. © Keystone / Peter Klaunzer

Die Zustimmung der Schweizer Diaspora zu den drei Vorlagen vom 18. Juni war weit deutlicher als die Ja-Voten aus dem Inland. Beim Klimagesetz war sie gar extrem.

Wie haben die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer am 18. Juni abgestimmt? Dies zu analysieren ist immer mit der Einschränkung verbunden, dass nur zwölf Schweizer Kantone ihre Daten dazu bekanntgeben. Immerhin deckt dieses messbare Elektorat aber rund 70% der Gesamtwählerschaft der Auslandschweizer:innen ab.

Und diese Daten zeigen: Die Zustimmung zum Klimagesetz durch die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer fiel mit 76,8% überaus deutlich aus. Sie liegt um 17,7 Prozentpunkte höher als der ohnehin schon hohe Ja-Anteil aus dem Inland.

Das ist eine Abweichung, die sich in die Extreme des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens von Ausland- und Inlandschweizer:innen einfügt. Normalerweise liegen die Unterschiede jedoch bei unter 10%. 

Ja zu Öko ist ein Muster

Dieses Verhalten entspricht aber dem Muster, das die Schweizer Diaspora in Klima- und Umweltfragen zeigt. Bereits das CO2-Gesetz, welches das Schweizer Stimmvolk im Juni 2021 knapp verwarf, fand bei den Auslandschweizer:innen eine Zustimmung von über 72%.

Auch weitere Umweltanliegen wie etwa die Initiative “Für eine pestizidfreie Schweiz” oder “Für sauberes Trinkwasser” stiessen im Inland auf klare Ablehnung, bei der Fünften Schweiz aber auf eine ebenso klare Zustimmung. 

Der Ausschlag nach “grün” zeigte sich auch bei den Wahlen 2019. “Hätten bei den Nationalratswahlen 2019 einzig die Auslandschweizer:innen entschieden, wären die Grünen die stärkste Partei gewesen”, schreibt Politanalyst Claude Longchamp in einer Analyse für SWI swissinfo.ch

Ein Grund dafür sei, dass obere Bildungsschichten unter den Wählenden im Ausland stark übervertreten seien.

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Regierungstreues Verhalten

Eine weitere Charakteristik, die Politolog:innen im Elektorat der Fünften Schweiz ausmachen, zeigt sich bei der Vorlage zur OECD-Mindeststeuer: Auslandschweizer:innen verhalten sich in der Tendenz regierungstreuer als das Stimmvolk im Inland.

Mit erschlagenden 85,9% stimmten sie der Vorlage zu. Auch das sind satte 7,4 Prozentpunkte mehr als aus dem Inland. Tatsächlich wurde diese Vorlage von Bundesrat, Parlament und allen Kantonen unisono portiert. Dagegen waren einzig die Sozialdemokratische Partei, einige Gewerkschaften sowie einige NGOs.

SP konnte nicht punkten

Hier wird es interessant. Denn es gibt im Elektorat der Fünften Schweiz ebenso einen feststellbaren Ausschlag nach links. Dieser hätte das Verhalten ebenfalls bestimmen können, hatte diesmal aber keinen Einfluss.

Bei den Nationalratswahlen 2015 und 2011 war die SP jeweils die stärkste Kraft unter den Auslandschweizer:innen, abgelöst von den Grünen 2019. Politgeograf Michael Herrman erklärte in “Let’s Talk” dazu: “Wenn man das Abstimmungsverhalten anschaut, merkt man, dass es nicht einfach ein klassisch linkes Profil ist.” In gesellschaftlichen Fragen oder wenn es um ökologische Themen gehe, stimme dieses Elektorat stark werteorientiert ab. 

Diesmal folgte die Diaspora also nicht der SP, sondern der Regierung. Dies bestätigt eine Analyse, die SP-Co-Präsident Cédric Wermuth mit Blick auf die herbe Niederlage seiner Partei in dieser Vorlage geäussert hat: “Die Basis war im Dilemma.” 

Das Nein der Partei zu einer Vorlage, deren Kern sie grundsätzlich umarmte, war dem Stimmvolk zu schwer zu vermitteln, jenem im Ausland wohl noch schwerer.

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Ebenfalls deutlich ist die Abweichung bei der dritten Abstimmung zum Covid-Gesetz: Das Ja aus dem Ausland fiel um 6,8 Prozentpunkte deutlicher aus als jenes aus dem Inland, fügt sich aber in den Bereich der Normal-Abweichung.

Auch hier zeigt sich übrigens das Muster der Behördentreue. Unter dem Strich ist es aber auch schlicht eine Kopie der Abstimmung zum Covid-Gesetz vom November 2021. Die inländische Stimmbevölkerung bewegte sich in den knapp zwei Jahren nur gerade um 0,1 Prozentpunkte, jene aus dem Ausland auch nur um 0,5 Prozentpunkte.

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Die Stimmbeteiligung bei den Auslandschweizer:innen war mit 23% verhältnismässig tief, aber ebenfalls im Normalbereich, der zwischen 20 und 25 Prozent liegt. Tief war aber ebenso die Beteiligung aus dem Inland.

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Von den über 800’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland sind rund 200’000 ins Stimmregister eingetragen.

Stimmregister
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Ihre Voten werden auf Gemeinde- oder Kantonsebene mitgezählt und entsprechend den Kantonen zugeordnet. Erstmals nach einer längeren Pause hatten einige Auslandschweizer:innen für die Abstimmung vom 18. Juni 2023 wieder Gelegenheit, ihre Stimme per E-Voting abzugeben. Konkret profitierten davon die Stimmenden aus dem Ausland, welche in den Kantonen Basel, St. Gallen und Thurgau registriert sind.

Sehen Sie hier unsere Ausgabe von “Let’s Talk” über das Elektorat der Auslandschweizer:innen:

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