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13. AHV-Rente: Scharfe Kritik am Auslandschweizer-Bashing

Feierabenddrink bei Sonnenuntergang
"Die Missgunst gegenüber Auslandschweizern ist mir vertraut": Feierabend am Khao Lak Beach in Thailand. Keystone / Rungroj Yongrit

Im Abstimmungskampf um eine 13. AHV-Rente greift die SVP die Auslandrenten an. Die Community der Auslandschweizer:innen ist erschüttert. Kritik kommt nun auch von ganz rechts.

«Im Kampf gegen die 13. AHV-Rente weiss die SVP nichts Gescheiteres, als auf Neid zu setzen», schreibt Alex Baur in der «Weltwoche». Der Einwurf kommt von unerwarteter Seite: Baur ist ehemaliger «Weltwoche»-Reporter, inzwischen pensioniert lebt er als Auslandschweizer in Peru.

«Billiger rechter Populismus»

Im SVP-nahen Wochenmagazin kritisiert er nun die Kampagne der rechtskonservativen Partei, die auf die Auslandschweizer:innen zielt.

Baur stellt klar: «Ich bin gegen eine 13. AHV-Rente.» Er halte die Initiative für «billigen linken Populismus», und es gebe viele Argumente gegen die Rentenerhöhung. Aber: «Auslandschweizer sind keines.»

Baurs Artikel trägt den Titel «SVP auf dem Holzweg».

Schlagzeile in der Weltwoche
Aus der Weltwoche

Hart geht der Autor mit der Abstimmungsstrategie der Schweizerischen Volkspartei für die anstehende AHV-Abstimmung vom 3. März ins Gericht.

Die rechtskonservative Partei bekämpft die Initiative für eine 13. AHV-Rente. Ein zentrales Argument der Kampagne gegen eine Rentenerhöhung sind die Auslandrenten: Rentenbezüger:innen im Ausland würden davon nur profitieren. 

Wir haben hier darüber berichtet:

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In seinem Artikel schreibt Baur: «Die Missgunst gegenüber Auslandschweizern ist mir vertraut. Man missgönnt uns die Sonne, das Meer, die tieferen Preise, die angeblich willigeren Frauen. Als ob es eine Sünde wäre, sein sauer verdientes Geld dort auszugeben, wo man am meisten dafür kriegt.»

Dabei sei es ein Mythos, dass das Leben im Ausland billiger sei. Gerade wer dort Schweizer Qualität wolle, bezahle oft mehr, besonders bei Gesundheitsleistungen. Der Text schliesst ganz im angriffigen Stil der «Weltwoche»: «Billigen linken Populismus bekämpft man, indem man ihn als solchen entlarvt. Und nicht mit ebenso billigem rechtem Populismus.»

SVP-Nationalrätin Martina Bircher hat in unserer «Let’s Talk»-Debatte erklärt, warum das Argument der Auslandrenten für sie und ihre Partei von Bedeutung sind.

Hier der Ausschnitt zum Nachschauen:

Nach unserer Berichterstattung dazu haben sich zahlreiche Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in unserer Online-Debatte dazu geäussert.

Viele fühlen sich verunglimpft. Auffällig ist: Sie äussern die Kritik an der SVP-Kampagne unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung oder der Stimmabsicht zur 13.AHV-Rente.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Balz Rigendinger

Verlieren Auslandschweizer:innen im Inland an Sympathie?

Warum denken Sie, ist die Stimmung gegenüber den Auslandschweizer:innen im Inland zunehmend kritisch?

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Einige Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer gehen noch einen Schritt weiter. Sie haben sich selbst organisiert, um einen offenen Brief zu verfassen.

«Stoppt die Hetze gegen Auslandschweizer!»

Organisiert haben sie sich in einer Facebook-Gruppe, um dann per Mailverkehr zusammen ein Schreiben zu formulieren. «Stoppt die Hetze gegen Auslandschweizer!», heisst es darin.

Das Schreiben richtet sich direkt an den rechten Publizisten Markus Somm, Mitglied der FDP («Auslandschweizer sind die grössten Egoisten, die es gibt») und SVP-Nationalrätin Martina Bircher («Rosinenpickerei! Man will nur nehmen, nicht geben»).

Teilen Sie Ihre Meinung zur 13. AHV-Rente mit Menschen aus der ganzen Schweiz und mit Auslandschweizer:innen:

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Es geht ihr um das Fundament der Schweiz

Die Initiative zu diesem offenen Brief kam von Rentnerin Iris Weber, die seit 47 Jahren in Deutschland lebt. Sie sagt: «Wir haben in der Schweiz oder im Ausland für Schweizer Firmen gearbeitet und sind unseren Verpflichtungen nachgekommen. Uns steht also anteilmässig eine AHV zu.»

Für Weber geht es um ein Fundament der Schweiz: «In einer verlässlichen Demokratie sollte man sich darauf verlassen können, dass der Generationenvertrag, den wir eingegangen sind, erfüllt wird.»  

Weber ist der Ansicht, dass alle Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zwar froh über eine 13. AHV wären. «Trotzdem werden auch einige von uns mit Nein stimmen», sagt sie zu SWI swissinfo.ch.

Zu diesen gehört auch Weber selbst, sie tue es aus Rücksicht auf die jüngere Generation. Ihr Brief hat in der geschlossenen Facebook-Gruppe «Auslandschweizer» am ersten Tag bereits über 60 Mitunterzeichnende und weit über 100 Likes erhalten.

Lesen Sie hier den offenen Brief von Iris Weber:

Sehr geehrte Frau Bircher, sehr geehrter Herr Somm,

mit grossem Befremden haben viele Auslandsschweizer Ihre Aussagen im Podcast von «Bern einfach» vom 26. Januar 2024 zur Kenntnis genommen.

Als Auslandschweizer, die einen wichtigen Teil der Schweizer Gemeinschaft bilden, fühlen wir uns durch diese pauschale Verunglimpfung zutiefst diffamiert.

Zunächst möchten wir klarstellen, dass die AHV keine freiwillige Leistung, sondern ein Solidarpakt ist, in den wir Auslandschweizer während unserer Zeit in der Schweiz eingezahlt haben. Wir haben unsere Beiträge geleistet und haben daher ein Recht auf die AHV-Rente, genau wie jeder andere Schweizer Bürger.

Die Behauptung, dass Auslandschweizer die AHV «abmelken» ist schlichtweg falsch und entbehrt jeglicher Grundlage: Der Beitritt zur freiwilligen Versicherung setzt drei Bedingungen voraus:

1. Das Schweizer Staatsbürgerrecht oder Bürgerrecht eines EU- oder EFTA-Staates;

2. Wohnsitz außerhalb der EU und der EFTA

3. Antragsteller müssen unmittelbar vor dem Austritt aus der obligatorischen AHV während mindestens 5 aufeinanderfolgenden Jahren bei der AHV/IV versichert gewesen sein.

Alle im Ausland lebenden Schweizer und Schweizerinnen die AHV beziehen, sind stets ihren Verpflichtungen nachgekommen. So können sie von einer verlässlichen Demokratie auch d

erwarten, dass der Generationenvertrag, den sie eingegangen sind, erfüllt wird.

Darüber hinaus tragen Auslandschweizer in vielfältiger Weise zum Erfolg der Schweiz bei. Wir sind als Unternehmer, Fachkräfte und Kulturschaffende tätig und tragen unsere Schweizer Werte und Kultur in die Welt hinaus. Wir sind Botschafter der Schweiz und werben für den Tourismus und die Wirtschaft unseres Landes. Schweizerinnen und Schweizer im Ausland bleiben mit ihrer Schweizer Heimat eng verbunden. Wir sind weltoffen, pflegen Beziehungen mit unseren Familien und tragen viel dazu bei, dass das Image der Schweiz auch im Ausland positiv bleibt.

Es ist beschämend, dass Sie sich über die Bundesverfassung aufklären lassen müssen: Artikel 24 besagt:

Schweizerinnen und Schweizer haben das Recht, sich an jedem Ort des Landes niederzulassen. Sie haben das Recht, die Schweiz zu verlassen oder in die Schweiz einzureisen. Sie haben das Recht, sich in der Schweiz aufzuhalten.

Frau Bircher, Sie fordern, dass die Kaufkraft der AHV-Renten an die Lebenshaltungskosten im Ausland angepasst werden. Fordern Sie dies auch, wenn die Kaufkraft des Landes in dem der AHV-Beziehende lebt höher ist? Die Bundesverfassung regelt die Gleichheit vor dem Gesetz und die AHV ist eine gesetzliche Alters- und Hinterlassenenversicherung. Sind im Ausland lebende Schweizer, Schweizer zweiter Klasse? Ebenso ist in der Bundesverfassung das Recht auf Eigentumsschutz verankert. Diesem unterliegen auch Rentenanwartschaften. Sie stellen mit Ihren Forderungen in der Bundesverfassung verankerte Werte in Frage.

Stoppt die Hetze gegen Auslandschweizer!

Wir fordern die Schweizer Politik und Medien auf, die Hetze gegen Auslandschweizer zu stoppen. Wir sind keine «Egoisten», sondern loyale Schweizer Bürger, die ihren Beitrag für unsere Schweiz geleistet haben und leisten.

Iris Weber und Mitunterzeichnende

Markus Somm war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

«Verletzende Stimmungsmache»

Erschüttert ist schliesslich auch das offizielle Organ der Fünften Schweiz, die Auslandschweizer-Organisation (ASO). «Die Stimmungsmache gegen Auslandschweizer ist verletzend», sagt Direktorin Ariane Rustichelli.

Auf «X» schreibt ihre Organisation, sie nehme keine Stellung zur 13. AHV-Initiative, distanziere sich aber von jeglicher politischen Instrumentalisierung der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.

Dass diese profitieren würden, entspreche nicht der Realität. «Nach der Pensionierung auszuwandern, um mit einer eigenen AHV-Rente und ohne Sozialhilfe ein würdiges Leben zu führen, hat nichts mit Luxus zu tun.»

Schauen Sie hier unser «Let’s Talk» zu den AHV-Vorlagen und den Auslandrenten.

Editiert von Benjamin Von Wyl

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