«Wer auswandert, schenkt sein Geld den Krankenkassen»
Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sollen die Schweizer Krankenkasse ins Ausland mitnehmen können. Das will ein Vorstoss, der ins Parlament kommt. Wir sprachen mit Josef Schnyder, dem Kopf hinter der Idee.
Werden Auslandschweizer:innen krank, kehren sie oft ins Schweizer Gesundheitswesen zurück. Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter will das stoppen.
Wir haben hier darüber berichtet:
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Politikerin will Behandlungstourismus stoppen
Initiant der Idee ist Josef Schnyder. Er ist Vizepräsident der Swiss Society in Bangkok und Mitglied des Auslandschweizerrats.
SWI swissinfo.ch: Josef Schnyder, Sie sind der Initiant der Forderung, dass sich Auslandschweizer:innen freiwillig bei Schweizer Krankenkassen versichern können. Wie kamen Sie dazu?
Josef Schnyder: Ich lebe in Thailand. Die Zahl der Auslandschweizer:innen hier stieg in den letzten drei Jahren von etwa 9000 auf 10’000 Personen. Viele sind Rentner:innen, ich gehe von 6000 aus, unter ihnen auch zahlreiche Frührentner:innen. Es ist ein Trend.
Das Leben in der Schweiz ist teuer, Thailand ist viel billiger, das Klima ist gesünder. Das Problem nun ist: Wer aufs Rentenalter hin in ein Nicht-EU/EFTA Land auswandert, hat das ganze Leben lang Krankenkassenprämien in der Schweiz bezahlt, muss aber von Gesetzes wegen aus dieser Versicherung austreten.
Ist das nicht Teil eines freien Entscheids?
Es geht mir um Gerechtigkeit, und dies ist eine Ungerechtigkeit. Es ist klar: Wenn man jung ist, wird man weniger krank. Krankheiten kommen mit dem Alter. Das Schweizer System aber bildet dies nicht ab. Es kennt keine Aufgliederung nach Altersstufen. Alle Altersklassen bezahlen gleich hohe Prämien.
So ist sichergestellt, dass sich auch Rentner:innen die Schweizer Krankenkassen noch leisten können.
Ja, es ist ein Umlagerungssystem. Als junge Person leistet man bei den Schweizer Krankenkassen eigentlich aufs Alter hin Vorauszahlungen. Für Junge ist die Schweizer Krankenkasse dem entsprechend auch teurer als eine internationale private Versicherung. Letztere rechnen anders, sie passen die Prämien dem Alter an. Für Junge ist es günstig und ab 65 wird es teuer.
Beide Versicherungsmodelle gehen aber auf. Was stört Sie daran?
Die Rechnung der Schweizer Krankenkassen geht nur für Versicherte in der Schweiz auf. Es ist stossend, wenn man 35 Jahre lang einbezahlt hat und bei einer Auswanderung dann austreten muss, wenn allenfalls schon Herzprobleme oder Diabetes da sind. Man kommt dann bei einer Privatversicherung fast nicht mehr unter, schon gar nicht zu einem fairen Preis. Wer auswandert, schenkt sein Geld den Schweizer Krankenkassen.
Wie zeigt sich das Problem in Thailand?
Es gibt hier viele Schweizer:innen, die keine oder nur eine ungenügende Versicherung haben. Dies ist eine Tatsache, auch wenn Thailand den Aufenthalt inzwischen nur noch erlaubt, wenn eine Krankenversicherung besteht. Ich schätze, es ist etwa jede:r Vierte.
Das wären über 1000 Landsleute. Wer springt ein, wenn sie Pflege brauchen?
Dann wird es eben zur Herausforderung. Wir unterhalten in unserer Swiss Society eine HilfsorganisationExterner Link. Hier kommen ab und zu Anfragen von Landsleuten, die ins Spital müssen und keine Versicherung haben. Ich weiss auch, dass die Schweizer Botschaft immer wieder grosse Aufwände hatte, um in der Schweiz Verwandte zu finden, die bezahlen können.
Es gibt Spitäler, die nur Versicherte behandeln, oder gegen Bargeld-Zahlungen. Das kann aber teuer werden. Ich kenne eine thailändische Frau, die sich verschulden musste, um ihren Schweizer Mann behandeln zu lassen.
Wie beurteilen Sie denn die Tatsache, dass zahlreiche Rentner:innen für eine Behandlung in die Schweiz zurückkehren?
Das ist eine andere Sache: Medizinaltourismus kommt überall vor, auch bei Gastarbeiter:innen, deren Familien nachziehen. Es gibt unter den 800’000 Auslandschweizer:innen ja auch solche, die nie einbezahlt haben, auch diese könnten jederzeit zurückkommen.
Aber ja, es gibt ihn, diesen typischen Fall des Schweizers, der mit 60 auswandert, nicht mehr einzahlt und dann mit 80 zurück in die Schweiz kommt für eine teure Krebsbehandlung. Gerade er könnte aber ebenso gut in Thailand behandelt werden, wenn nicht besser. Klüger wäre es deshalb, diese Leute könnten in der Grundversicherung bleiben und sich hier behandeln lassen, wo es viel günstiger ist. Das wäre auch im Interesse der Schweizer Krankenversicherungen.
Wieviel günstiger wäre dies?
Das hängt von der Klinik ab. Man muss ja nicht unbedingt in eine der teuren Privatkliniken. Staatliche Kliniken sind sehr billig. Ich betreute mal einen Landsmann, der einen Stent brauchte. In einer privaten Klinik hätte das umgerechnet 10’000 Franken gekostet. Weil er kein Geld hatte, arrangierten wir eine Behandlung in einer staatlichen Klinik, dort kostete es 2000 Franken. In der Schweiz bezahlen Krankenkassen für einen solchen Eingriff zwischen 12’000 und 15’000 Franken.
Dieser Patient hatte übrigens nicht einmal eine Ahnung, dass staatliche Kliniken günstiger sind. Auch Information tut also not. Wenn Sie Ausländer:in sind, fährt Sie die Ambulanz praktisch immer in eine Privatklinik. Offenbar fliessen da Kommissionen, bei staatlichen nicht.
Aber würden sich Schweizer:innen denn auch in Thailand behandeln lassen?
Davon bin ich überzeugt, viele sind hier wirklich zuhause. Und es gibt hier gute Ärzt:innen.
Auslandschweizer:innen bezahlen aber in der Regel keine Steuern in der Schweiz. Dabei sind Steuergelder für das Schweizer Gesundheitssystem eine wichtige Säule.
Ja, dem müsste man Rechnung tragen. Je nach Kanton sind 30 bis 50 Prozent des Gesundheitswesens durch Steuern finanziert. Wenn wir ein gerechtes System schaffen wollen, müsste man die Leistungen der Krankenkassen an Auslandschweizer:innen um diesen Prozentsatz vermindern.
Wie beurteilen Sie die Chancen Ihrer Forderung in der Politik?
Es wird nicht einfach werden, die Krankenkassen sind im Parlament sehr gut vernetzt. Da wird ein starkes Lobbying kommen. Für die Krankenkassen ist es natürlich ein gutes Geschäft, wenn jemand, bis 65 Prämien bezahlt und dann die Versicherung verlässt. Gerecht ist es nicht.
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