Das «Rütli der Fünften Schweiz» wird 25-jährig
Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) hat in diesem Jahr allen Grund zum Jubilieren. Zum einen kann sie 2016 ihren 100. Geburtstag feiern. Dieses Wochenende zelebriert sie bereits das 25-jährige Bestehen des Auslandschweizerplatzes. Ausserhalb der Standortgemeinde Brunnen ist der Platz nach einem Vierteljahrhundert aber noch wenig bekannt.
Der gepflegte Rasen dürfte bei schönem Wetter manchen Besucher zum Sonnenbad, Picknick oder Fussballspielen einladen. Heute lässt sich hier aber niemand bräunen oder zum Kicken verleiten. Im Zentrum des öffentlichen Interesses steht nämlich der Platz selber. Er wird heuer 25-Jahre alt.
Aber auch die Jubiläumsgäste feiern nicht auf der grünen Wiese, sondern im Hotel neben an. Der Grund dafür ist nicht nur das unbeständige Wetter, sondern eine Baustelle. Die Sanierung des Auslandschweizerplatzes ist nämlich noch nicht ganz fertig.
1991 wurde er im Rahmen der 700-Jahrfeier der Eidgenossenschaft eröffnet, als Sinnbild für die Zugehörigkeit der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer und ihrer Verbundenheit mit der Heimat. Seither heisst das 5000 Quadratmeter umfassende Areal am Ufer des Vierwaldstättersees Auslandschweizerplatz. Manche sprechen auch vom «Rütli der Fünften Schweiz». Das Original, der legendäre Gründungsort der Schweiz, liegt in Sichtweite auf der anderen Seite des Sees. An sonnigen Tagen ist hier auch der Blick auf die Urner Berge und die Rigi frei.
Mehr
Wo wohnen die meisten Auslandschweizer und -schweizerinnen?
«Auf Staatsbesuch»
Vor 25 Jahren hatte sich die siebenköpfige Schweizer Regierung in corpore auf dem Auslandschweizerplatz eingefunden und damit der «Fünften Schweiz», die inzwischen mehr als 760’000 Personen ausmacht, gewissermassen einen Staatsbesuch abgestattet.
Heute erweist erneut hoher Besuch aus Bern dem Platz die Ehre. Bundespräsident Johann Schneider-Ammann bringt die Glückwünsche der Schweizer Regierung zum Geburtstagsfest persönlich nach Brunnen.
Der Wirtschaftsminister war in den letzten Wochen selber mehrmals in der Ferne, wo er versucht hatte, den mächtigen dieser Welt die Schweiz zu erklären. Einige Episoden aus den Reisen nach Iran, den USA und China gibt er vor den heimgekehrten Auslandschweizer-Delegierten zum Besten:
Im grossen Reich der Mitte, das «top-down» funktioniere, gebe es viel Interesse und Respekt gegenüber der kleinen Schweiz, die mit ihren Gemeinden und Kantonen «bottom up» aufgebaut sei, die ihre Autonomie verteidigen könne und die aus lauter Minderheiten bestehe und trotzdem globaler Innovations-Leader sei, sagt Schneider-Ammann.
Im Weissen Haus sei er nur unter der Bedingung empfangen worden, dass er zehn Unternehmer aus der Schweiz mitbringe. Die amerikanischen Gastgeber, darunter einige Minister, wollten von ihm und seiner Entourage vor allem eines wissen, erzählt der Bundespräsident: Wie baut man ein Schweizerisches Berufsbildungssystem auf?
Im Iran habe ihm das geistige Oberhaupt des Gottesstaates, Ajatollah Ali Chamenei, zum Abschied folgende Worte mit auf den Heimweg gegeben: «We need investors!»
Der Bundespräsident, der anfangs März am Tag der Kranken wegen seiner Rede über die heilsame Wirkungen des Lachens – nicht ganz freiwillig – viele Lacher auch ausserhalb der Landesgrenzen provozierte hatte, sorgt – diesmal ganz bewusst – auch am Treffen der Auslandschweizer für heitere Stimmung. Zumindest etwas hat Johann Schneider-Ammann den meisten Staatsleuten voraus. Er kann – sogar in aller Öffentlichkeit – auch über sich selbst lachen.
Sprungbrett aufs Eis gelegt
Trotz seines nicht mehr ganz jugendlichen Alters ist der Schweizerplatz nur wenigen Schweizern bekannt. Auch unter den jüngsten Mitgliedern des Auslandschweizerrats, der seine Frühjahrstagung am Wochenende wegen des Jubiläums in Brunnen durchführt, sehen einige «ihr Rütli» zum ersten Mal.
Die Eigentümerin, eine gleichnamige Stiftung bemüht sich seit einigen Jahren, die Bekanntheit und die sinnvolle Nutzung des Platzes zu fördern. Nicht zuletzt auch, um die Einnahmen aus der Vermietung zu erhöhen. Diese decken die Ausgaben für den Unterhalt nämlich nicht.
2011 war die Fachhochschule Nordwestschweiz beauftragt worden, Vorschläge für eine bessere Nutzung des Platzes zu machen. Aus den vorgeschlagenen Projekten entschied sich die Stiftung mit ihren beschränkten Mitteln vorerst für die Durchführung eines Wettbewerbs. Aber die Verwirklichung des Siegerprojekts – dessen Bezeichnung «Sprungbrett» nicht nur symbolischen Charakter hatte, sondern physische Gestalt hätte annehmen und auf den See hinausragen sollen – scheiterte am Widerstand des lokalen Landschaftsschutzverbands.
«Die Besucher hätten vom Turm aus den Blick auf das klare Wasser richten oder in die Ferne schweifen lassen können», sagt Stiftungsratspräsident Alex Hauenstein mit spürbarem Bedauern darüber, dass der Auslandschweizerplatz vorläufig ohne sichtbares Symbol auskommen muss. Beerdigt sei das Projekt aber noch nicht. Es könnte in einer abgeänderten Form früher oder später wieder auftauchen.
Geschenk zur 700-Jahrfeier
1991 konnte der Auslandschweizerplatz dank einer weltweiten Sammelaktion unter Auslandschweizern und einem namhaften Betrag des Bundes als Geschenk zur 700 Jahrfeier der Eidgenossenschaft erworben werden. Eigentümerin ist seither die Stiftung Auslandschweizerplatz, in der neben der ASO, die Eidgenossenschaft, der Kanton Schwyz, die Gemeinde Ingenbohl-Brunnen sowie die Schwyzer Kantonalbank vertreten sind.
Die Stiftung verfügt nicht über ein nennenswertes Eigenkapital. Die einzigen Einnahmen generiert sie aus Sammlungen sowie aus der Vermietung des Areals für befristete Anlässe aller Art.
Die Besucherinnen und Besucher der Parkanlage können sich anhand einer Informationsausstellung, bestehend aus 20 grossformatigen Schautafeln, über die vielfältige schweizerische Diaspora und die engen Beziehungen zwischen den Landsleuten in aller Welt und der Schweiz informieren.
Das Areal ist meistens öffentlich zugänglich. Es kann aber auch für private und öffentliche Veranstaltungen aller Art genutzt werden. Zu den bekannteren Veranstaltern, die davon Gebrauch gemacht hätten, gehörten etwa die Swiss Star Class, die Europameisterschaft einer ehemaligen olympischen Segelbootsklasse, oder der Wassersportanlass «Windweek», sagt Hauenstein. Harley-Fans oder Freunde klassischer Oldtimer auf Rädern geben sich hier regelmässig ein Stelldichein. Die grosse freie Fläche wird auch für Defilees und Fahnenübergaben von der Armee, für Kulturanlässe der Gemeinde und natürlich für die Bundesfeier am 1. August genutzt.
Kein Helikopterlandeplatz
Seit mehreren Wochen wird der Auslandschweizerplatz saniert. «Vom Juni an kann er dank moderner Elektroinstallationen vielfältiger und komfortabler genutzt und mit bis zu 30 Tonnen Radlast befahren werden», sagt der Stiftungsratspräsident nicht ohne Stolz. Investiert wurden dafür 235’000 Franken, die nicht aus der Stiftungskasse, sondern aus Sammelaktivitäten berappt werden. Auch Auslandschweizer aus aller Welt leisten ihren freiwilligen Beitrag. Bis zur Stunde haben sie gegen 20’000 Franken gespendet.
Seit der Lancierung einer eigenen WebsiteExterner Link nehme das Interesse an der Nutzung des Platzes zu.
Einige Anfragen beinhalten kuriose Wünsche, denen die Stiftung nicht in jedem Fall entsprechen könne, sagt Hauenstein. Zum Beispiel ein Gesuch für Helikopterlandungen, um Passagieren aus China den direkten Besuch des Victorinox-Swisscenters zu ermöglichen, das sich ebenfalls in Brunnen befindet.
100 Jahre ASO
Im Jubiläumsjahr will die Auslandschweizer-Organisation ASO die eigene Geschichte beleuchten. Unter dem Titel «Die Schweiz – Teil der Welt» sind landesweit verschiedene Veranstaltungen geplant.
10 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, nämlich fast 770’000, leben derzeit im Ausland. Die 140 Delegierten des Auslandschweizerrats gelten als deren offizielles Sprachrohr. Das Parlament der Fünften Schweiz tagt zwei Mal pro Jahr, um die Interessen der Fünften Schweiz zu diskutieren und zu vertreten. Im Frühling 2016 findet die Tagung in Brunnen (Kanton Schwyz) statt.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch