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Auswandern: Iseli, gefangen in der Zeitschlaufe

Zurück aus den Tropen: Im winterlichen Jura lockt ein Zwischenverdienst. swissinfo.ch

Im Winter war Yanick Iseli aus Nicaragua zurück in die Schweiz gekehrt, um seine leere Kasse aufzufüllen. Dann kam der Rückflug. Aber lesen Sie selbst.

Der Kontrast war nicht gerade klein, als Yanick Iseli aus dem tropischen Nicaragua in die winterliche Schweiz reiste. Im Jura schneite es, während Iseli von seinem Gärtner in Nicaragua Videos erhielt, wie dieser seine Pflanzen goss.

Der Auswanderer wollte in seiner Heimat während ein paar Monaten Geld verdienen, um seine leere Kasse in Nicaragua wieder aufzufüllen – unerwartete Budgetposten, höhere Kosten für Maschinen und Material sowie weniger Einkommen als geplant hatten ein Loch in sein Budget gerissen.

Yannick Iseli macht Schreinerarbeiten. swissinfo.ch

«Ich habe sofort Arbeit gefunden», sagt der gelernte Schreiner. Beim Umbau eines alten jurassischen Bauernhauses von Bekannten konnte er mitanpacken; viel Zimmerarbeit, viel Innenausarbeit. Vier Monate arbeitete er fast jeden Tag – und freute sich über die Freizeit mit seiner Familie und seinem Freundeskreis.

«Doch irgendwann spürte ich eine Veränderung in der Kommunikation mit meinem Gärtner in Nicaragua, der zu meinem Anwesen und meinen Pflanzen schaute. Ich beschloss, dass es an der Zeit war, zurückzukehren, um nach dem Rechten zu sehen», sagt Iseli.

Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über das Auswandern. SWI swissinfo.ch begleitet den Schweizer Yanick Iseli auf seinem Abenteuer nach Nicaragua und liefert gleichzeitig Informationen und Tipps rund ums Thema Auswanderung.

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Yanick Iseli in seinem neuen Zuhause in Nicaragua.

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Im Frühling sollte es also nach Nicaragua gehen – sollte. Yanick Iseli ahnte nichts, als er mit seinen zwei Koffern am Zürcher Flughafen stand und sich von seinem Vater und dessen Partnerin verabschiedete.

Unterschied ihn äusserlich nicht viel von einem normalen Touristen, so tat dies der Inhalt seines Gepäcks: Sägeblätter, ätherische Öle und Räucherstäbchen («Die Duftrichtung Nag Champa findet man in Nicaragua nicht!»), Hundeleckerlis für XO, der geduldig bei Nachbarn auf ihn wartete, ein Gerät, um «fiese Tierchen» im Garten fernzuhalten. Bald würde er diese nützlichen Dinge in Nicaragua auspacken können, dachte Iseli.

Hätten, könnten, sollten

Was er nicht bedacht hatte: Noch immer herrschten komplizierte Corona-Massnahmen. Am Flughafen Zürich zeigte er seinen negativen Covid-Test. «Für Kolumbien brauchen Sie aber zusätzlich eine Corona-Impfung», sagte die Frau am Desk.

«Aber ich mache nur einen Transfer in Kolumbien, ich fliege nach Nicaragua», antwortete Iseli. «Seltsam, Ihre Weiterreise zeigt es mir nicht an. Aber in Ordnung, steigen Sie ein.»

Der Reisemarathon konnte beginnen: Flug nach Kolumbien, Flug nach El Salvador, Flug nach Nicaragua, wo ihn sein Freund Louis abholen würde. Rund 28 Stunden Reise warteten auf Iseli, Samstagmorgen würde er die Hauptstadt Nicaraguas erreichen, dachte Iseli, und direkt ans Meer fahren – si Dios quiere, so Gott will.

Bogotá. Ein Flughafen wie viele andere. Yanick Iseli kennt ihn nun wie kein anderer. swissinfo.ch

Gott wollte nicht. Nach ein paar Stunden Wartezeit im Flughafen von Bogotá, der Hauptstadt Kolumbiens, begab sich Iseli um 3 Uhr zum Gate.

«Sie dürfen nicht boarden, das Immigrationsamt von Nicaragua hat Ihnen keine Erlaubnis erteilt», erklärte man ihm. Iseli fluchte und schickte eine erneute Anfrage über das Formular – nur, dass dieses mitten in der Nacht niemand bearbeitete. Iseli musste am Boden bleiben.

Eine andere Frau am Schalter meinte, sie könne nichts tun, eigentlich hätte er in Zürich schon gar nicht erst in den Flieger steigen dürfen. «Wenn begonnen wird, die Schuld anderen zuzuschieben, ist das kein gutes Zeichen!», sagte sich Iseli besorgt.

Kaffee statt Bett

Ein Anruf bei der Fluggesellschaft half auch nicht, und sein Coronatest lief bald ab. Wie viele Stunden er hier nun schon wartete, wusste er auch nicht mehr, er brauchte dringend Schlaf. Wie wär’s mit der VIP-Lounge, die Liegesessel hat? «Ohne gültiges Flugticket dürfen Sie hier leider nicht rein.»

Café de Colombia. swissinfo.ch

Wer schon mal in einem Flughafen versucht hat, auf den Wartebänken zu schlafen, weiss, dass diese keinen Komfort bieten. So legte sich Iseli auf den Boden – immerhin Teppich. Und schlief tief. Als er aufwachte, war es Tag

«Immerhin erhält man im zweitgrössten Exportland von Arabica-Bohnen selbst am Flughafen guten Kaffee», versuchte sich Iseli aufzumuntern und sortierte seine Gedanken. Nun erreichten ihn auf seinem Handy Nachrichten seiner Familie: «Na, wie ist der Strand?»

Warten auf das Testergebnis

Von der anderen Fluggesellschaft hatten ihn die hilflosen Damen auf das Eintreffen ihres Vorgesetzten, eines gewissen Herr Sanchez, vertröstet. Dieser war nun endlich da und half, einen neuen PCR-Test zu organisieren. Innerhalb 24 Stunden sollte das Resultat da sein.

Dies war nötig, um eine neue Einreiseanfrage nach Nicaragua zu beantragen. Herr Sanchez verschaffte Iseli zudem Zugang in die VIP-Lounge. Endlich konnte Iseli duschen und richtig schlafen. Doch auch nach 23 Stunden war das Testergebnis nicht da. Weitere Stunden verstrichen.

Hier kann man Zeit verbringen. Viel Zeit verbringen. swissinfo.ch

Kurz vor Abflug des nächsten Flugs nach El Salvador erhielt Iseli sein negatives Testresultat – und rannte zum Gate. «Tut mir leid, alle Flüge nach El Salvador und Nicaragua für die nächsten drei Tage sind voll, wir können Sie nicht mitnehmen», sagte die Frau am Schalter. Iseli konnte nicht mehr.

«Herr Sanchez, steht Ihr Angebot eines Rückflugs in die Schweiz noch?», fragte Iseli verzweifelt. Nach fünf langen Tagen am Flughafen von Bogotá wollte er nicht länger in dieser Ungewissheit schweben. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, dachte er sich.

Doch noch dauerte es Stunden bis zum Flug in die Schweiz. Iseli irrte ziellos im Flughafen herum, den er langsam auswendig kannte, kaufte Bücher für sich und seinen nicaraguanischen Nachbarn und Schokolade für Herrn Sanchez für seine Mühe. Und telefonierte mit seiner Mutter, die beim nicaraguanischen Konsulat in Genf versucht hatte, etwas zu bewegen – ohne Erfolg.

VIP Lounge in Bogotá. swissinfo.ch

Als es endlich so weit war für seinen Rückflug, half ihm Herr Sanchez persönlich. «Noch nie war ich so glücklich über einen Sitzplatz in einem Flugzeug!» Bald würde er zu Hause sein.

Er schaute aus dem Fenster, das Flugzeug fuhr zur Piste – doch machte es plötzlich kehrt. Nun fuhr es auf einer anderen Bahn. Und drehte erneut. Langsam wurde Iseli misstrauisch. Dann folgte die Durchsage des Kapitäns: «Wir haben ein technisches Problem, der Abflug verzögert sich.»

Immer noch nicht in Zürich

Dann endlich flog das Flugzeug los, Zielort: Madrid. Dort musste Iseli auf den Flug nach Zürich umsteigen. Doch die Verspätung holte sein Flugzeug nicht mehr auf, Iseli verpasste die Verbindung.

Hier musste sich Iseli wenigstens keine Sorgen um die Organisation machen: Er erhielt automatisch eine Mail, dass er den nächsten Flug am Abend nehmen dürfe, und kriegte sogar einen Essensbon.

Dann endlich sass der Jurassier im nächsten Flugzeug und landete zweieinhalb Stunden später in Zürich. Ein paar Tage Erholung von diesen Strapazen waren angesagt. Iseli würde es dann doch noch nach Nicaragua schaffen. Wie, das erfahren Sie im nächsten Teil der Serie. Hier schon mal ein Bild:

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