Auswandern: Diese Holzhütte wird Yanick Iselis Zuhause
Seit drei Monaten lebt Yanick Iseli in Nicaragua. Gewisse Dinge laufen nach Plan, andere nicht. So hat er unerwartet ein Haus gekauft – weil er einen Stromanschluss brauchte.
«Die Freiheit, jeden Tag zu tun und zu lassen, was ich will, gefällt mir am meisten», sagt Yanick Iseli enthusiastisch. Hier im Norden Nicaraguas ist der 37-jährige Jurassier sein eigener Chef. Niemand, der schaue, ob er fünf Minuten zu früh oder zu spät dran sei; niemand, den es stört, wenn er nicht bis punkt 17 Uhr arbeitet.
Wobei, an Motivation zum Arbeiten fehlt es ihm nicht. Das Grundstück im Dschungel, das Iseli bereits letztes Jahr gekauft hatte, lag einigermassen brach – jetzt pflanzt der gelernte Schreiner, Kaufmann und Kaffeeröster mit tatkräftiger Unterstützung seines Gärtners Xavier Früchte und Gemüse an, kümmert sich um die jungen Kaffeestauden, legt das Fundament für ein Gästehaus.
Ursprünglich wollte er auch eine Unterkunft für sich bauen – das ist jetzt nicht mehr nötig: Iseli hat ein Haus gekauft. Ungeplant.
Serie: Mit Iseli nach Nicaragua
Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über das Auswandern. SWI swissinfo.ch begleitet den Schweizer Yanick Iseli auf seinem Abenteuer nach Nicaragua und liefert gleichzeitig Informationen und Tipps rund ums Thema Auswanderung.
«Die Nachbarsfamilie wollte in die Stadt ziehen und hat nach einem Käufer für das Grundstück gesucht. Gleichzeitig habe ich realisiert, wie kompliziert und teuer es ist, einen Stromanschluss für mein Stück Land zu kriegen. Deshalb habe ich ihnen das Grundstück samt Haus abgekauft», erklärt Iseli. «Auch wenn man das Haus in der Schweiz wohl eher als rustikale Holzhütte bezeichnen würde.»
Auto teurer als Haus
In Nicaragua kosten Haus und Grundstück einen Bruchteil der Preise in der Schweiz – rund 3000 Franken hat er für die 1000 Quadratmeter und das Häuschen bezahlt. Doch musste er erst vor kurzem ein neues, geländetüchtigeres Auto beschaffen – mit 7000 Franken bedeutend teurer als das Grundstück – und das Alte ist noch nicht verkauft.
Es ist ein ungeplantes Loch im Budget des Auswanderers. Iseli nimmt es locker: «Dafür werde ich Miete sparen, weil ich früher aus meinem Miethaus ausziehen kann, da ich das gekaufte Haus nur umbaue, statt von Grund auf ein neues Haus zu bauen.»
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Der Umbau gibt dennoch einiges zu tun: Ein neues, grösseres Vordach soll her, ein Trocken-WC sowie ein Badezimmer mit Dusche – bislang haben die Besitzer mit einem Eimer im Freien «geduscht». «Ich werde eine Handpumpe installieren, um Wasser vom Bach hinaufzupumpen. Ich bin zu faul, es immer holen zu gehen», sagt Iseli und lacht.
Auch Regenwasser wird er sammeln und filtern. Für Trinkwasser setzt Iseli zurzeit noch auf gekauftes Wasser: «Ich bezweifle, dass ich das Wasser aus dem Bach so gut vertrage wie meine Nachbarn.»
Inspiriert von Leonardo da Vinci
Ein weiteres Projekt ist der Bau einer Brücke über den Bach. «Jetzt, in der Trockenzeit, kann man mühelos hinüber steigen. Aber für die Regenzeit brauche ich eine Brücke aus Bambus, damit ich auch mit der Schubkarre auf die andere Seite komme.» Seinen ursprünglichen Bauplan hat er bereits verworfen: Jetzt soll es eine sogenannte Leonardo-BrückeExterner Link werden, eine nach dem Erfinder Leonardo da Vinci benannte Bogenkonstruktion, die ohne Fixiermittel wie Nägel, Schrauben oder Stützpfeiler auskommt.
Die Idee dafür hatte Iselis Freund Louis. Louis, um die 60 Jahre alt, stammt aus Kanada, arbeitet aber schon seit über fünf Jahren in Nicaragua. Hier hat er eine Kaffeeplantage sowie eine Bambusfarm aufgezogen; den Kaffee verschifft er nach Québec und Montréal, den Bambus verkauft er vor Ort als Konstruktionsmaterial.
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Louis sprudelt über vor Ideen und Projekten. «Ich finde es sehr inspirierend, mit ihm Erfahrungen auszutauschen – auch wenn es mir scheint, dass seine Lieblingsbeschäftigung darin besteht, meine Pläne über den Haufen zu werfen», sagt Iseli schmunzelnd.
Ansonsten hat Iseli aber kaum mit anderen Auswanderern oder Expats zu tun. «Es gibt schon ein paar Schweizer hier, denen werde ich bestimmt auch früher oder später über den Weg laufen, aber ich suche den Kontakt zu ihnen nicht speziell», sagt Iseli. «Mir ist die Herkunft einer Person egal.»
«Ich komme aus Europa»
Iseli kann auf einen schon bestehenden Freundeskreis zählen, er war bereits fünf Mal im Norden Nicaraguas, jeweils für mehrere Wochen. Zudem spricht er fliessend Spanisch und kommt so problemlos mit Einheimischen in Kontakt.
Yanick Iseli interessiert sich weniger für das politische Geschehen als für das alltägliche Leben. In seinem Dorf ist er der einzige Ausländer. «Ich lerne meine Nachbarn immer besser kennen, wir haben einen guten Kontakt», sagt er. Allgemein würden ihm die Menschen sehr positiv, mit viel Neugier begegnen.
«Auch wenn ich erkläre, woher ich bin – viele hier auf dem Land wissen nicht einmal, wo die Schweiz liegt», sagt Iseli. «Einer hat gefragt, wie lange ich mit dem Car fahren müsse, bis ich dort sei. Und ein anderer hat nur zustimmend genickt und gemeint, ah ja, das Land im Norden der Vereinigten Staaten», erzählt Iseli amüsiert. «Deshalb sage ich jetzt meistens einfach, ich komme aus Europa.»
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