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Ohne ausländische Gäste sieht es düster aus für Schweizer Tourismus

Das Jungfraujoch war früher eine beliebte Touristendestination. ¬© Keystone / Anthony Anex

Die Akteure der Schweizer Tourismusbranche, die von der Coronavirus-Krise stark betroffen ist, wetteifern diesen Sommer mit Einfallsreichtum um lokale Kundschaft. Aber dies wird nicht ausreichen, um die Abwesenheit der ausländischer Touristen wettzumachen. Eine Rückkehr zur Normalität ist erst in einigen Jahren zu erwarten.

Japanische Touristen, die auf dem Jungfraujoch (3581 m) «Selfies» schiessen; indische Familien unterwegs in den Panoramazügen der Montreux-Oberland-Bahn (MOB); nordamerikanische Bergsteiger mit Seilen und Haken in den Strassen Zermatts; Scharen chinesischer Touristen, die vor den Uhrengeschäften am Schwanenplatz in Luzern aus ihren Bussen steigen: Solche Szenen wird man diesen Sommer in der Schweiz nicht sehen.

Mit dem Schliessen der Grenzen praktisch überall auf der Welt und der Einstellung eines grossen Teils des Flugverkehrs hat die Coronavirus-Krise global grosse Auswirkungen auf den Tourismus. Nach Angaben der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) könnte die Zahl der internationalen Touristen als Folge der Pandemie dieses Jahr um 60 bis 80% sinken. Seit Beginn der Erhebungen 1950 wurde noch nie ein solch starker Rückgang beobachtet.

Wie andere Länder rechnet die Schweiz in Sachen Tourismus mit einem sehr düsteren Sommer, auch wenn ein Teil der im Zug der Pandemie verfügten Einreisebeschränkungen aufgehoben wird. Die für den 15. Juni geplante teilweise Wiedereröffnung der Grenzen – vorerst zu den Nachbarländern und den übrigen Schengen-Staaten – dürfte der Tourismusbranche zwar eine gewisse Erleichterung bringen. Dies wird aber nicht ausreichen, um die Sommersaison zu retten.

«Bereits die kurzfristigen Auswirkungen sind schrecklich», sagt Véronique Kanel, Sprecherin von Schweiz Tourismus, der Organisation zur Förderung des Schweizer Tourismus. «Und die Prognosen für den Sommer sind immer noch sehr vorsichtig, mit Belegungsraten von 24% im Hotelsektor und 42% im Parahotellerie-Sektor».

Gemäss einer Studie der Walliser Fachhochschule HES-SO könnte der Schweizer Tourismus, der 2,9% des nationalen BIP ausmacht, im Jahr 2020 bis zu 8,7 Milliarden Franken verlieren, was gegen einen Viertel der Unternehmen des Sektors in den Konkurs treiben könnte.

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Städte stark betroffen

Allerdings erleben die Regionen des Landes die Krise nicht alle gleich. Städte wie Luzern, Genf und Zürich, die bereits im Frühjahr unter dem Wegfall des Geschäfts- und Konferenztourismus litten, werden besonders hart betroffen sein. Gemäss Prognosen der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) werden die Übernachtungen in diesen Städten diesen Sommer voraussichtlich um fast 50% sinken, verglichen mit 20 bis 30% in den Alpenregionen.

Traditionell sind die Alpenregionen, abgesehen von einigen sehr beliebten Reisezielen wie Interlaken oder Zermatt, weniger abhängig vom Tourismus aus dem Ausland als städtische Zentren. Die Angst vor dem Virus und die andauernde soziale Distanzierung dürfte zudem dazu führen, dass viele Menschen in der Schweiz ihre Sommerferien eher auf einsamen Bergweiden als in dicht besiedelten Stadtzentren verbringen wollen.

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Die Schweiz ist im Sommer noch stärker als im Winter von internationalen Gästen abhängig, auf die mehr als die Hälfte der Übernachtungen entfallen. Und trotz der zahlreichen Aufrufe der Behörden und betroffenen Kreise, vor Ort zu reisen, werden die Kunden und Kundinnen aus der Schweiz und den Nachbarländern die Abwesenheit der Reisenden aus fernen Märkten nicht wettmachen können. «Auch wenn sie weniger zahlreich sind als die Gäste aus Europa, geben diese Touristen während ihren Reisen in der Schweiz am meisten Geld aus», sagt Nicolas Délétroz, Professor am Institut für Tourismus an der Walliser Fachhochschule HES-SO.

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Es sind nicht nur Hotels, Restaurants und Bergbahnen, die unter der Abwesenheit dieser angesehenen Gäste leiden werden. In Luzern erwirtschaften etwa die Uhrengeschäfte fast 90% ihres Umsatzes mit Gruppenreisen, hauptsächlich aus China.

Wie hier bei Carl F. Bucherer in Luzern ist der Kauf einer «Swiss Made»-Luxusuhr ein Muss für chinesische Touristengruppen, die in die Schweiz reisen. © Keystone / Alexandra Wey

In Genf wird man die Touristen aus dem Nahen Osten in den Luxuspalästen und Boutiquen schmerzlich vermissen; vor allem im August, die Jahreszeit, die diese wohlhabende Kundschaft für ihre Reisen an die Ufer des Genfersees besonders schätzt.

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Mittelfristige Auswirkungen

Experten erwarten vor 2021 keine Rückkehr der Touristen aus Ländern ausserhalb Europas. Und es wird noch länger dauern, bevor der Sektor das Aktivitätsniveau von 2018 wieder erreichen wird. «Der Schweizer Tourismus wird noch lange unter den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie leiden. Auch wenn alles gut geht, erfolgt eine Rückkehr zur Normalität wahrscheinlich nicht vor 2023 oder 2024», so Kanel.

In den Augen von Nicolas Délétroz wird vor allem der Luftverkehrs-Sektor Tempo und Intensität der Wiederaufnahme des Tourismus aus Übersee bestimmen. «Ich glaube kaum an eine Veränderung des menschlichen Verhaltens. Andererseits könnte ein deutlicher Preisanstieg bei den Flugtickets einen entscheidenden Einfluss auf den interkontinentalen Tourismus haben», sagt er.

Schon heute kann man eine Zunahme des Tourismus auf kontinentaler Ebene beobachten «Dies gilt insbesondere für den asiatisch-pazifischen Raum. Japaner verbringen ihre Ferien nicht mehr unbedingt in Europa oder den USA, sie ziehen es oft vor, in andere Länder Asiens oder Ozeaniens zu reisen», unterstreicht der Experte.

Dennoch dürfte die Schweiz weiterhin einen Spitzenplatz auf der Liste mit weit entfernten Reisezielen einnehmen. «Man kann sich gut vorstellen, dass Badeferien auf der anderen Seite der Welt früher oder später obsolet werden. Für viele Touristen aus Asien wird die Schweiz aber sicherlich ein Land bleiben, das man mindestens einmal im Leben besucht haben muss», schätzt Nicolas Délétroz.

Gästekarten, Übernachtungspauschalen, freier Zugang zu Freizeitaktivitäten usw.: Die Akteure der Tourismusförderung legen sich stark ins Zeug, um diesen Sommer Gäste aus dem Inland anzuziehen. «Dies ist der Moment, um lokale Kunden anzulocken, indem wir ihnen einen qualitativen Mehrwert bieten», sagt Véronique Kanel von Schweiz Tourismus.

Besonders beliebt sind ungewöhnliche Unterkünfte, Wohnmobile, Campingplätze und familienfreundliche Feriendörfer. Entgegen der landläufigen Meinung sei es durchaus möglich, Ferien in der Schweiz zu verbringen, ohne dabei pleite zu gehen, sagt Schweiz Tourismus.

Dennoch dürfte es noch ein langer Weg sein, um die Einheimischen davon zu überzeugen, ihre Sommerferien regelmässiger im eigenen Land zu verbringen. «Um Schweizer Kundschaft anzuziehen, müssen die Bergregionen einfallsreicher werden. Sie können nicht einfach auf die Schönheit der Landschaft setzen», sagt Nicolas Délétroz vom Institut für Tourismus an der Walliser Fachhochschule HES-SO.

Die Coronavirus-Krise könnte auch Anlass bieten, den Sommer- und Herbsttourismus in den Bergen anzukurbeln, der bis heute im Vergleich zu Wintersaison und Skibranche weitgehend vernachlässigt wurde. Dazu braucht es jedoch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren im Bergtourismus.

«Das engstirnige Gärtchendenken muss ein Ende haben, man muss den Kunden grössere touristische Mobilität anbieten, entsprechend ihren Interessen (Velofahren, Wandern, Thermalbäder usw.). Und man muss sich auf kürzere Aufenthaltsangebote konzentrieren», argumentiert der Walliser Experte.

(Übertragung aus dem Französichen: Rita Emch)

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