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Düstere Zukunftsaussichten für Diesel

Gaz sortant d un pot d échappement.
Ob von Diesel oder Benzin – Abgase führen zu Klima- und Gesundheitsproblemen. Keystone

Schlechte Nachrichten bedrängen den Diesel. Der Treibstoff, der eigentlich als weniger schädlich für das Klima gilt als Benzin, steht im Kreuzfeuer der Kritik. Auf einmal fragen sich die Autofahrer, ob es noch richtig ist, sich für einen Dieselmotor zu entscheiden. Die Zweifel sind auch in der Schweiz angekommen, wo der Diesel ins Stottern gerät.

Der Dieselmotor scheint zum neuen Schreckgespenst der Autoindustrie geworden zu sein. Ständig gibt es Neuigkeiten, die sich alle gleichen: sie sind durchwegs schlecht.

Die Bürgermeister von Paris, Athen, Mexiko-Stadt und Madrid haben Anfang Juni ihren Willen bekräftigt, Fahrzeuge mit Dieselmotoren bis 2025 aus ihren Stadtzentren zu verbannen; Anfang Juli hat der neue französische Umweltminister, Nicolas Hulot, angekündigt, den Verkauf von Fahrzeugen mit Diesel- oder Benzinmotor bis 2040 zu verbieten. Der Automobilhersteller Volvo hatte bereits am Tag zuvor gemeldet, dass ab 2019 keine Autos mehr entwickelt würden, die ausschliesslich einen Verbrennungsmotor haben.

Krebserregende Substanz

Kurz gesagt, die fossilen Brennstoffe geraten immer mehr in Bedrängnis, namentlich der Diesel. Mittlerweile hat er den Ruf eines «Mörders». Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) klassifizierte 2012 Diesel als krebserregende SubstanzExterner Link. Im letzten Mai wurde in der Zeitschrift «Nature» eine Studie publiziert, die aufzeigte, dass die Verschmutzung durch Diesel 2015 weltweit 108’000 Todesopfer forderte.

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Heute steht es schlecht um das Image des Diesels, doch vor noch nicht allzu langer Zeit wurde er von der Öffentlichkeit bevorzugt, weil seine Schadstoffbelastung für das Klima als weniger schlimm taxiert wurde als jene des Benzins. Tatsächlich verbraucht ein Dieselmotor nicht nur weniger als ein Benzinmotor, sondern stösst auch weniger CO2 aus – jenes Gas, das für die Klimaerwärmung verantwortlich ist.

Die Schädlichkeit des Feinstaubs, der durch die Verbrennung von Diesel entsteht, ist schon seit mehreren Jahren bekannt. Doch warum gerade jetzt dieser Sinneswandel und diese harte Kritik?

Für Yves Gerber, Pressesprecher des Touring Club SchweizExterner Link, hat die Manipulation bei den Abgastests, die zuerst bei Volkswagen und später auch bei andern Autoherstellern ans Licht gekommen ist, viel zu dieser Entwicklung beigetragen.

«Man weiss seit langer Zeit, dass Diesel Schadstoffe ausstösst, doch man ging davon aus, dass die Technologie in der Lage wäre, die Emissionen auf einem akzeptablen Niveau zu halten. Als Folge des Abgasskandals bezweifelt man nun den Wahrheitsgehalt der Tests. Diesel ist nicht mehr vertrauenswürdig, das ist das Problem», erklärt Gerber.

Markt im Sinkflug

In mehreren europäischen Ländern verliert Diesel an Marktanteilen. In Frankreich ist die Lage besonders auffällig – ein Land, das diesen Kraftstoff während Jahrzehnten bevorzugte. 2012 fuhren in unserem westlichen Nachbarland fast drei Viertel der Neuwagen (73%) mit Diesel. Im Januar 2017 erreichte dieser Anteil an Autos nicht einmal mehr die HälfteExterner Link (47,9%).

In der Schweiz ist die Entwicklung gerade umgekehrt. Früher nur eine Randerscheinung, stieg der Verkauf an Dieselautos seit den 2000er-Jahren ständig an.

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«Früher war der Anteil an Diesel eher schwach, weil die Schweiz keine Steueranreize für diesen Treibstoffstoff gewähren wollte wie andere Länder. In der Schweiz war Diesel immer teurer als Benzin. Und weil die Autos mit einem Dieselmotor auch noch 2000 bis 3000 Franken mehr kosteten als jene mit einem Benzinmotor, brauchte es enorm viele Kilometer, damit sich dieser Kauf lohnte», meint Gerber.

Doch seit Anfang der Nuller-Jahre hat sich die Situation geändert. «Der Preisunterschied zwischen den zwei Typen von Treibstoffen wie auch der Unterschied beim Kaufpreis ist kleiner geworden. Zudem konnte man durch die Einführung der ‹Common-Rail-Einspritzung›Externer Link den Lärm und die charakteristische Vibration der Dieselmotoren dämpfen», so der TCS-Sprecher weiter.

Auch Touristen sind betroffen

Bereits in elf europäischen Ländern haben die Städte Umweltzonen eingerichtet, wo der Zugang mit Dieselautos eingeschränkt ist.

Die Autos müssen mit einer Umweltplakette ausgestattet sein, auf welcher der Schadstoffausstoss des Fahrzeugs deklariert ist. Je nach Schadstoffausstoss kann der Zugang für gewisse Fahrzeuge verweigert werden.

Auch Touristen auf der Durchreise müssen eine Umweltplakette vorweisen. Wer keine hat, kann gebüsst werden.

Der TCS liefert Informationen zum Vorgehen in den NachbarländernExterner Link.

Doch auch in der Schweiz könnte die Tendenz gegen den Diesel zunehmen. Im letzten Februar zeigte eine für das Vergleichsportal Comparis.ch durchgeführte UmfrageExterner Link, dass die Schweizer und Schweizerinnen den Glauben an den Diesel verloren haben. Nur 17,4% der Befragten zeigten sich bereit, ein Auto mit Dieselmotor zu kaufen, gegenüber noch 31,5% vor dem Abgasskandal von VW. Die Hälfte der befragten Personen befürchteten, dass der Wert der Dieselautos einbrechen und Diesel in der Schweiz verboten werden könnte.

Ein Risikokauf

Im aktuellen Kontext kann man sich beim Autokauf fragen, ob es sich noch lohnt, in Diesel zu investieren. Yves Gerber gibt zu bedenken, dass sich dieser Typ Fahrzeug vor allem an Vielfahrer richtet.

«Die Dieselautos kosten oft mehr, und der Treibstoff ist auch ein wenig teurer. Man muss mindestens 25’000 Kilometer fahren im Jahr, damit der geringere Verbrauch diese Mehrkosten kompensiert. Doch vor allem sollte man regelmässige Fahrten von mindestens 30 km machen. Der Motor muss eine Mindesttemperatur erreichen, damit der Filter richtig funktioniert, andernfalls wird der Motor verunreinigt. Es ist unsinnig, ein kleines Dieselauto zu fahren, um einzukaufen oder die Kinder von der Schule abzuholen.»

Abgesehen von den technischen oder ökonomischen Kriterien bleibt es für die Konsumentinnen und Konsumenten ratsam, skeptisch zu bleiben. «Es gibt heute eine klare Tendenz gegen den Diesel, stellt Gerber fest. «Wer heute ein Dieselauto kauft, geht das Risiko ein, bei einem Wiederverkauf auf dem Occasionsmarkt kaum einen Käufer zu finden. Zudem könnte der Zugang zu den Stadtzentren verweigert werden.»

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(Übertragen aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

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