Banken fürchten sich vor hohen US-Bussen
Rund 100 Schweizer Banken zittern im Steuerstreit mit den USA vor happigen Geldbussen. Sie warten auf eine Lösung mit dem US-Justizministerium. Doch diese lässt auf sich warten, seit sich im vergangenen Herbst eine Auseinandersetzung um das Kleingedruckte entwickelt hat.
Die Banken hatten gehofft, dass das Abkommen zwischen der Schweiz Externer Linkund den USA bis Ende 2014 zu einer Lösung im Streit um unversteuerte US-Vermögen führen werde und es zu keinen Anklagen komme. Doch auch im neuen Jahr wissen die Banken noch nichts über die Höhe der Bussen, die sie zu erwarten haben.
«Im Jahr 2013 liess das US-Justizministerium verlauten, dass das Problem bis Mitte 2014 gelöst sein werde», sagt Fabio Oetterli, der Anwalt der Schweizerischen Bankiervereinigung, gegenüber swissinfo.ch. «Wir hoffen nun, das Programm werde bis Ende 2015 abgewickelt, aber das US Justizministerium kontrolliert das Tempo.»
«Die betroffenen Banken warten alle auf eine Lösung, denn die Kosten steigen mit der Zeit, da ihre Anwälte weiter aktiv sind», so Oetterli weiter. «Die Banken waren davon ausgegangen, dass die Bussen zwei Drittel der Gesamtkosten ausmachen werden und die Rechtskosten einen Drittel. Nun haben sie dieses Verhältnis umgekehrt.»
USA erhöhen Preis
Der Prozess kam im vergangenen Herbst ins Stocken, als die US-Justiz von einem Teil der Schweizer Banken zusätzliche Dokumente verlangte. Die umstrittenste Forderung war, dass die USA die Bankinformationen an andere Länder weiterleiten dürfen, eine Klausel, die klar schweizerisches Recht verletzt. Deshalb sind die Verhandlungen ins Stocken geraten.
Allein die Clientis-GruppeExterner Link, die 15 kleine Regionalbanken vereinigt, musste für das US-Programm 450’000 Franken für Abklärungen aufwenden. Da die Abklärungen ergaben, dass die Regionalbanken keine US-Steuergesetze verletzt haben, beschloss der Clientis-Verwaltungsrat im Dezember, aus dem US-Programm auszusteigen.
Die Banken, die weiterhin am Programm teilnehmen, haben mit erheblichem Zeitaufwand all jene Daten herausgefiltert, die mit ihrem mutmasslichen Verschulden in den USA einen Zusammenhang haben. Jetzt befinden sie sich «in einer Warteschlaufe», wie Milan Patel von der Anwaltskanzlei Anaford sagt.
Das Nichtverfolgungs-Abkommen
Mit dem im August 2013 abgeschlossenen Abkommen mit den USA verpflichtet sich die Schweiz, die Banken zu einer Teilnahme am Bankenprogramm zu ermutigen. Weiter verspricht sie, Amtshilfe auf Basis des Doppelbesteuerungs-Abkommens mit den USA zu gewähren und die Gesuche zügig zu behandeln. Kundendaten sollen ausschliesslich auf dem Amtshilfeweg geliefert werden.
Die USA anerkennen ihrerseits, dass die Erwähnung von Namen von Mitarbeitern oder Dritten in den Dokumenten, welche die Banken liefern, nicht zwingend auf Delikte dieser Personen deuten. Sie erklären ausserdem, Personendaten nicht für andere Zwecke zu verwenden.
Damit soll verhindert werden, dass die Schweizer Banken sich vor US-Gerichten wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung verantworten müssen und der langjährige Steuerstreit mit den USA soll beigelegt werden.
Die Schweizer Banken werden in vier Kategorien eingeteilt. Die erste Gruppe umfasst jene Banken, gegen die in den USA bereits ein Verfahren läuft.
Zu dieser ersten Gruppe gehören die Credit Suisse, die Zürcher und Basler Kantonalbank und die Bank Julius Bär. Da diese bereits mit der US-Justiz über Vergleiche verhandeln, um einer Anklage zu entgehen, steht ihnen das Programm nicht zur Verfügung.
Die zweite Gruppe ist für jene Banken vorgesehen, die Grund zur Annahme haben, dass sie US-Steuerrecht verletzt haben. Auch für diese ist ein Schuldeingeständnis mit Busse vorgesehen. Im Gegenzug sollen sie nicht strafrechtlich verfolgt werden.
Den Banken der zweiten Gruppe drohen hohe Bussen. Für Konten, die bereits vor dem 1. August 2008 existierten, müssen sie eine Busse in der Höhe von 20% der maximalen Vermögensbeträge auf den Konten bezahlen.
Für jene Konten, die zwischen dem 1. August 2008 und dem 28. Februar 2009 eröffnet wurden, beträgt der Satz 30%. 50% sind es schliesslich für Konten, die nach dem 28. Februar 2009 eröffnet wurden – also nach dem Abkommen der Grossbank UBS mit den USA.
Einigung lässt auf sich warten
«Ich gehe nicht davon aus, dass es vor dem Sommer oder sogar dem Spätherbst zu einer Einigung mit den USA kommt. Es kann sogar noch länger dauern», sagt Patel gegenüber swissinfo.ch. «Das wird zu hohen Kosten führen. Das US-Justizministerium spielt hier eine traurige Rolle. Es haben sich mehr Banken als erwartet dem Programm angeschlossen und das Ministerium hat schlicht zu wenig Leute, um das Ganze zu bewältigen.»
Nach Angaben des US-Justizministeriums schrieben sich am Ende des Jahres 2013 106 Banken in der Kategorie 2 (siehe Kasten rechts) ein und signalisierten damit, dass sie möglicherweise US-Recht gebrochen haben, indem sie Gelder von US-Steuersündern verwaltet haben. Nach einer Überprüfung der Situation haben sich im vergangenen Jahr rund zehn Banken vom Programm zurückgezogen. Sie sind überzeugt, dass sie sich nicht schuldig gemacht haben.
Patel schliesst nicht aus, dass weitere Banken dieses Jahr aus dem Programm aussteigen werden. «Es läuft auf zwei grundlegende Fragen hinaus. Auf die Frage, wie viel es kostet, das Problem zu beheben und wie viel eine Busse kostet. Die zweite Frage ist die Schuldfrage. Die Banken fragen sich, ob sie wirklich etwas falsch gemacht haben.»
Unterschiedliche Vorstellungen
In vielen Fällen sind die Verhandlungen über die Höhe der Busse nicht einfach, denn das US-Justizministerium und die Banken haben unterschiedliche Vorstellungen darüber, welche Konten genau US-Recht gebrochen haben oder nicht,. Auch in der Frage, in welchen Fällen die Banken eine Verantwortung für die Steuerhinterziehung ihrer Kunden übernehmen müssen, sind sie unterschiedlicher Meinung.
Offizielle Zahlen darüber, wie viele Banken sich in die 3 und die 4. Kategorie des Programm eingetragen haben, gibt es nicht, aber vermutlich sind es weit weniger als in der Kategorie 2. Die Raiffeisen-Gruppe ist die grösste Bank in der Kategorie 3. Viele Banken sagen, sie seien unschuldig.
Patel geht davon aus, dass das US- Justizministerium die Banken der Kategorien 3 und 4 erst dann behandeln wird, wenn die Arbeiten mit der Kategorie 2 abgeschlossen sind. Die Banken in der Kategorie 1, die nicht am Programm teilnehmen können, weil sie bereits vorher Gegenstand von Ermittlungen waren, müssen laut Patel wahrscheinlich noch mindestens ein Jahr warten, da das Ministerium möglicherweise die bei der Kategorie 2 gewonnen Informationen auf die Kategorie 1 anwenden wolle.
Kritik eines Banken-Anwalts
Der Genfer Bankrechtsspezialist Carlo Lombardini sagte der Nachrichtenagentur SDA, das ganze Programm sei schlecht durchdacht. Unter dem Druck der hohen Strafe für die Bank Wegelin, die zu deren Ende geführt habe, hätten es die Schweizer Behörden besser machen können. «Es gibt viel Unsicherheit. Das Programm wurde schlecht ausgehandelt «, sagte Lombardini und klagte, die Banken hätten mit dem Text des Abkommens zu kämpfen, denn dieser sei oft vage und scheine gegen die Banken gerichtet zu sein.
«Die Amerikaner haben die Hebelwirkung intelligent angewandt, die sich dadurch ergeben hatte, dass die UBS und Wegelin erfolgreich verfolgt worden waren. So haben sie die Schweiz in einen ungleichen Handel gezwungen», so Lombardini.
Die Schweizerische Bankiervereinigung lehnte eine Stellungnahme ab. Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) sagte, es habe eingegriffen und darauf hingewiesen, dass die jetzige Praxis dem Abkommen vom Sommer 2013 widerspreche.
Das SIF, welches das Abkommen verhandelt hat, bleibt weiter aktiv. Es liegt aber an den einzelnen Banken, ihren Fall mit dem US-Steuerministerium zu verhandeln.
(Übersetzt aus dem Englischen: Andreas Keiser)
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