Banken suchen Salbe für ihre verbrannten Finger
Die Busse von 1,4 Milliarden Franken, die der UBS diese Woche wegen ihrer Verstrickung in den Libor-Skandal auferlegt wurde, bescherte der grössten Schweizer Bank ein weiteres miserables Jahr. Auch die Credit Suisse kann auf kein brillantes Jahr zurückblicken.
Die beiden Schweizer Grossbanken verfolgen nach einem weiteren schwierigen Jahr unterschiedliche Strategien zur Verminderung des Risikos, der Schweizer Wirtschaft zu schaden. Gleichzeitig müssen sie in den globalen Märkten wettbewerbsfähig bleiben.
Während die Credit Suisse (CS) es sich leisten konnte, ihre risikoreicheren Geschäfte abzuspecken aber dennoch weiterzuführen, zwangen ein Milliardenbetrug eines Händlers (Fall Adoboli) sowie die rekordhohe 1,4 Mrd.-Busse wegen Libor-Zinsmanipulationen die UBS zur Aufgabe zahlreicher Handelsgeschäfte und, parallel dazu, zum Abbau Tausender von Stellen.
Das Image der UBS hat schwer gelitten, nachdem die Grossbank in den letzten vier Jahren einen groben Fehltritt nach dem anderen machte. 2008 geriet die UBS in der Finanzkrise an den Rand des Ruins und überlebte nur dank einer milliardenschweren staatlichen Rettungsaktion.
Weiter ging es mit einem Steuerhinterziehungsskandal in den USA und einem von einem UBS-Händler in London verursachten 2-Milliarden-Franken-Verlust. Und diese Woche erfolgte die massive Busse wegen Libor-Zinsmanipulationen.
Mehr
Schattenbanken oder wie man Vorschriften austrickst
Abkehr vom Risikogeschäft
Die Folgen dieser chaotischen Darbietungen gab die UBS in einer Medienmitteilung im Oktober bekannt: Die Bank kündigte die Abkehr von risikoreichen Geschäften im Investmentbanking und den Abbau von 10‘000 Stellen an.
Druck von Seiten der Öffentlichkeit, der Politik, der Aktionäre und schärferer Regulierungen infolge dieser Skandale banden der UBS die Hände hinter dem Rücken. Die CS dagegen hatte eine Hand frei, um im Oktober eine vergleichsweise schlanke Strategie anzukündigen.
Im Gegensatz zu ihrer Rivalin ist die CS bisher relativ unversehrt durch den Sturm gekommen. Bis zum Sommer dieses Jahres geriet die Bank lediglich vor allem deswegen in Kritik, weil es ihr nicht gelang, ihre Vorteile gegenüber der Rivalin UBS auszunutzen. Das änderte sich, als die CS die Hauptlast einer beissenden Rüge der Schweizerischen Nationalbank (SNB) im Juni dieses Jahres tragen musste . Die SNB beschuldigte beide Grossbanken, neue Regulierungen nicht rasch genug umzusetzen.
Als Folge davon kündigte die CS eine Eigenkapitalerhöhung sowie weitere Einsparungen von einer Milliarde Franken zu den bereits angekündigten 3 Milliarden Franken. Ferner gab die CS bekannt, sie werde risikoreiche Anlagen im Investmentbanking bedeutend reduzieren, jedoch weiterhin alle Geschäftsbereiche behalten, auch jene, die Eigenkapital der Bank für risikoreiche Handelswetten einsetzen. Die einzige Konzession war eine Reorganisation, die eine Trennung solcher risikoreichen Operationen vom Rest des Bereichs andeutete.
2010 wurden die Basel III genannten Bankreformen als globaler Plan vorgestellt, um das Risiko einer weiteren Finanzkrise zu reduzieren. Basel III verlangt, dass die Banken mindestens 7% ihres Kapitals zurückhalten, um mögliche Risiken abzudecken.
Die schweizerische Regulierung geht aber noch weiter («Swiss Finish»). Demnach wird von der UBS und der CS verlangt, bis 2019 19% des Kapitals für die Risikoabdeckung bereit zu stellen.
Rund 10% dieser 19% sollte in Form von sicherstem und liquidem Eigenkapital gehalten werden. Die restlichen 9% könnten in so genannte Coco-Bonds gehalten werden: Diese würden zu einem im Voraus festgelegten Schwellenwert in Verluste auffangendes Eigenkapital umgewandelt werden, falls sich die Bedingungen verschlechtern.
Die neuen Eigenkapital-Anforderungen werden in drei Stufen eingesetzt. Die Kernkapitalquote (Common Equity Tier 1) wird als Minimum-Voraussetzung für ein normalen Geschäftsverlauf erachtet.
Der zweite Kapitalpuffer (Tier 2) wird in Coco Bonds gehalten. Auf den Dritten kann als progressives Element zurückgegriffen werden, falls sich die Bedingungen verschlechtern.
Nationalbank etwas beruhigt
Die Aktienkurse der beiden Grossbanken scheinen die SNB beschwichtigt zu haben. Diesen Monat erklärte Vizepräsident Jean-Pierre Danthine, die Situation habe sich bei beiden Banken „verbessert“, vor allem bei der CS.
„Beide Banken planen zur Einschränkung ihrer Risiken eine weitere Aufstockung des Eigenkapitals und insbesondere ihre Bilanzen ausgeglichen zu halten. Ferner verfolgen sie eine Politik der Dividenden-Beschränkung“, so Danthine. Gleichzeitig warnte der SNB-Vizepräsident jedoch, die Risiken, grosse Verluste einzufahren, würden bei beiden Banken „beträchtlich bleiben“, falls sich die europäische Schuldenkrise noch verschlimmere.
Die Reaktion der Aktionäre auf die Strategien von UBS und CS deuten an, dass der Stil des „kasino-kapitalistischen“ Handels immer noch verpönt ist und mit grossem Misstrauen betrachtet wird. Nach der Ankündigung der neuen Strategien stiegen die UBS-Aktien, während jene der CS abwärts neigten.
Das fortgesetzte Festhalten der CS am Investmentbanking ist für Analysten keine Überraschung, da die Bank abhängiger von diesem Geschäft ist. Zweifel bleiben jedoch bestehen im Zusammenhang mit der CS-Strategie, weiterhin ein globaler Investmentbanking-Player zu sein angesichts der anhaltenden Volatilität dieses Geschäftsbereichs.
Neue Positionierung noch unklar
Wie sich die beiden Schweizer Grossbanken künftig im globalen Wettbewerb gegenüber internationalen Rivalen positionieren können, ist gegenwärtig noch völlig unklar. Die weiterentwickelten «Swiss finish»-Regulierungen, die ab 1. Januar 2013 in Kraft treten, zwingen UBS und CS zu grösseren Aufstockungen von Eigenkapital als es internationalem Standard entspricht.
Dies bedeutet für die beiden Schweizer Grossbanken einen Wettbewerbsnachteil. Doch Institutionen anderswo – ob in der EU oder in den USA – müssen ihre eigenen, einheimischen Regulierungen noch ausarbeiten und definitiv festlegen, um den globalen Empfehlungen von Basel III nachzukommen.
Obwohl die «Swiss finish»-Regulierungen strenger als der globale Standard sind, könnte dies die beiden Grossbanken nach Ansicht von Experten wettbewerbstechnisch gegenüber ihren globalen Rivalen stärken, weil sie genau wüssten, was von ihnen verlangt werde.
(Übertragung aus dem Englischen: Jean-Michel Berthoud)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch