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Banker fühlt sich wegen Datentransfer verraten

Bankangestellter am Zürcher Paradeplatz. Keystone

Die geheimen Bankdaten, die Schweizer Banken derzeit an die USA liefern, um den Steuerstreit zu beenden, sorgen für Aufregung und Unmut unter vielen Angestellten. Einige fühlen sich von einem System verraten, an das sie geglaubt hatten.

Max*, der für eine prominente Schweizer Bank gearbeitet hat, berichtet gegenüber swissinfo.ch von einer mentalen Belastung und der Angst, verhaftet, ausgeliefert und in US-Ermittlungen hineingezogen zu werden.

Weil Max im Nordamerika-Geschäft des Vermögensverwaltungs-Bereichs seiner Bank tätig war, wurde sein Name ohne sein Einverständnis an die US-Behörden übermittelt, obwohl er – laut eigenen Aussagen – nur Service-Leistungen ausgeführt und wenig direkte Kontakte mit Kunden hatte.

Der Vertrauensbruch hat auch die beruflichen Aussichten von Max beeinträchtigt, und er hinterlässt bei ihm einen bitteren Geschmack in Bezug auf die Rolle der Schweizer Regierung.

(*richtiger Name ist der Redaktion bekannt)

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Die grosse Verunsicherung der Bankangestellten

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht «Manchmal kann man in den Zeitungen lesen, dass kein Schweizer Bankangestellter mehr in die USA reisen kann. So ist es natürlich nicht. Wir haben keinerlei Hinweise, dass die Vereinigten Staaten alle Schweizer Bankiers verhaften wollen, um so ihrer Gefängnisse zu füllen», sagt Balz Stückelberger, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Banken in der Schweiz (AGV). «Wir können…

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swissinfo.ch: Wie haben Sie erfahren, dass Ihr Name den US-Behörden weitergegeben wurde?

Max: Zum ersten Mal hörte ich davon, als mich mein Chef informierte. Die Bank weigerte sich, mir eine schriftliche Bestätigung oder Details zu geben, welche Informationen im Zusammenhang mit meiner Person geliefert wurden.

Zuerst dachte ich, dass es nicht möglich sein konnte, weil ich meine Arbeit immer korrekt und den Regeln entsprechend ausgeführt hatte. Ich habe nicht verstanden, weshalb sie das gemacht haben, weil ich nicht direkt in Kundenbeziehungen oder Dienstleistungsangebote involviert war.

2009 wurde der Schweizer Grossbank UBS eine Busse von 780 Mio. Dollar auferlegt, weil sie US-Kunden bei Steuerhinterziehungen half.

Ein Jahr später wurde die Schweizer Regierung unter Druck gesetzt, die Lieferung von rund 4500 Kundennamen an die US-Steuerbehörden zu erlauben.

Die USA setzten ihre Untersuchungen gegen andere Schweizer Banken fort, was Anfang Jahr u.a. zum Verschwinden der traditionsreichen Privatbank Wegelin führte.

Angesichts von 14 weiteren Schweizer Banken, die möglicher krimineller Handlungen angeklagt sind, bewilligte die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf 5 Banken, Informationen in Zusammenhang mit Geschäften in den USA auszuhändigen.

Zu diesen Daten gehörten die Namen von Bankangestellten. Details über Kunden und deren Konten waren nicht enthalten.

Einige Angestellte fochten die Herausgabe ihrer persönlichen Daten vor Schweizer Gerichten an. In mehreren Fällen bekamen sie in erster Instanz Recht.

Im Juli dieses Jahres sagte die Regierung, dass sie eine weitreichendere Herausgabe von US-Geschäftsdaten bewilligen würde, inklusive Namen von Dritten – wie Rechtsanwälten – und Nummern (aber keine Namen) von Kunden, die ihre Guthaben auf andere Banken übertragen hätten.

swissinfo.ch: Wie haben Sie auf diese Mitteilung des Chefs reagiert?

Max: Ich war empört, weil ich belogen wurde. Die Garantie, dass die Bank die Rechtsanwaltskosten übernehmen und mir bei allfälligen Problemen mit den USA helfen würde, wurde mir verweigert.

Ich fühlte mich verraten, weil ich gewissenhaft und in Treu und Glauben für meine Firma gearbeitet hatte. Es fühlte sich an, wie wenn jemand in mein Haus eingebrochen wäre – meine persönlichen Daten wurden missbraucht.

swissinfo.ch: Welche Konsequenzen hatte dies für Ihr Privatleben?

Max: Meine Bank hat mir empfohlen, nicht in die USA zu reisen. Ich hatte sogar Angst, die Schweiz zu verlassen, weil ich nicht wusste, ob man mich im Ausland ausliefern würde. Wir haben so viele Geschichten gehört, dass Leute von den US-Behörden verhaftet oder schikaniert worden seien.

Die Situation war sehr kompliziert, weil viele Mitglieder meiner Familie im Ausland leben. Das belastete mich so stark, dass ich mehrmals den Arzt aufsuchen musste.

Ein paar Wochen, nachdem ich von der Übermittlung meines Namens erfahren hatte, war ich zu einer Hochzeitsfeier in England eingeladen. Ich reiste mit dem Flugzeug hin- und zurück und war sehr nervös, aber es geschah nichts. Das hat meine Angst, in Europa zu reisen, etwas gemildert.

swissinfo.ch: Und welche Konsequenzen hatte es für Ihr Berufsleben?

Max: Ich habe beschlossen, den Bankberuf aufzugeben. Seit einem Jahr versuche ich – bisher erfolglos – im Immobilienbereich Arbeit zu finden. Aber selbst wenn ich fündig würde, müsste ich umgeschult werden und zuerst Erfahrungen sammeln können, bis ich wieder auf dem Niveau wäre, das ich erreicht hatte. Die Bank hat mehrere Jahre meines Lebens verschleudert.

Die «Lex USA», welche das Parlament im Juni abgelehnt hat, enthielt eine Klausel zum Schutz jener Bankangestellten, deren Namen den US-Behörden ausgehändigt werden.

Die Übereinkunft zwischen Banken, Verbänden der Bankangestellten und der Regierung fasst einige Bestimmungen zusammen.

Arbeitsrechtliche Bestimmungen zum Schutz betroffener Angestellter vor Diskriminierung würden verschärft werden. Die Angestellten hätten das Recht zu erfahren, ob ihr Name ausgehändigt würde, und ihre Datenschutzrechte gemäss Schweizer Recht würden gewährleistet.

Ausserdem verpflichteten sich die Banken, die Anwaltskosten zu decken und einen Härtefonds von 2,5 Mio. Fr. zu finanzieren, zugunsten von Angestellten in besonderen Schwierigkeiten.

Der Schweizerische Bankpersonalverband begrüsst, dass die Regierung nach der Ablehnung der «Lex-USA» durch das Parlament in seinem Plan B die Vereinbarungen zwischen den Banken, der Bankiervereinigung und dem Bankpersonalverband als Eckwert für eine Lösung in der Mitarbeiterdatenlieferung an die USA definieren will.

swissinfo.ch: Hatten Sie nie das Gefühl, bei Ihrer Arbeit für die Bank etwas Unrechtes zu tun?

Max: Ich war immer überzeugt, dass das Bankwesen eine wichtige, wertvolle und von der Gesellschaft anerkannte Tätigkeit ist. Die Arbeit, die mich betraf, war absolut legal und im Einklang mit den Behörden in allen Ländern.

swissinfo.ch: Wie bewerten Sie die Leistung der Schweizer Regierung in dieser Frage?

Max: Ich war schockiert vom konfusen politischen Prozess und der Leistung von Eveline Widmer-Schlumpf (Schweizer Finanzministerin) während der Debatte über die «Lex USA» (welche es den Schweizer Banken erlaubt hätte, den USA Bankdaten auszuliefern).

Sie machte den Eindruck, den Forderungen der Banken nachzugeben, ohne auf die Meinungen oder Interessen anderer Leute zu hören. Die Politiker schienen heute dies und morgen das zu sagen. Es war ein Riesen-Schlamassel.

Man hat mich einer fremden Regierung verkauft zugunsten eines Handels, um mögliche Strafen gegen Banken zu vermindern.

(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)

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