Neue Messe-Termine verunsichern die Uhrmacher
Die Entscheidung der grössten Schweizer Uhrenmessen – dem Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) in Genf und der Baselworld –, ab dem nächsten Jahr zusammenzuspannen, macht das Leben der Uhrmacher schwieriger.
Die Tore des Genfer Uhrensalons SIHH schlossen am Donnerstag mit einem Besucherrekord. Insgesamt 23’000 Besucherinnen und Besucher, 15% mehr als im Vorjahr, interessierten sich für die 29. Ausgabe mit 35 Ausstellern.
Hunderte Händler vorwiegend aus asiatischen und europäischen Ländern liessen sich in privaten Räumen, die an die Stände angrenzten, die neuesten Kollektionen vorstellen. Im März werden sie ein zweites Mal in die Schweiz reisen müssen, wenn sie sich auch jene der Baselworld anschauen wollen.
Ab 2020 werden die beiden Messen jedoch hintereinander stattfinden: SIHH vom 26. bis 29. April in Genf, Baselworld vom 30. April bis 5. Mai in Basel. Diese neue Regelung gilt bis 2024.
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SIHH: Wo Uhrmacher ihr Können zeigen
«Wir haben den Dialog mit SIHH gesucht und gemeinsam eine Lösung gefunden, von der Besucher, Medien und die gesamte Uhrenindustrie enorm profitieren», sagte Michel Loris-Melikoff, Geschäftsführer der Baselworld, bei der Bekanntgabe Mitte Dezember.
Für viele internationale Käufer scheint es eine gute Lösung zu sein. Warum? «Es ist schwierig, innerhalb von drei Monaten an zwei Uhrenmessen teilzunehmen. Es ist auch schwierig für die Marke, innerhalb von so kurzer Zeit Neuheiten für beide Messen zu produzieren», sagt Kunhiro Tanaka aus Ostjapan, ein Händler der Schweizer Uhrenmarke H. MoserExterner Link.
Angesichts der jüngsten Entscheidung vieler Uhrenmarken, sich von der Baselworld zurückzuziehen, scheinen sich die Käufer zu freuen, dass sie die Kontakte mit deren Vertretern trotzdem nicht verpassen werden, weil sie diesen am SIHH begegnen können.
«Wenn man aus anderen Teilen der Welt kommt, ist es wichtig fürs Geschäft, möglichst viele Leute zu treffen. Die Uhrenbranche arbeitet mit Beziehungen, und es ist schwierig, solche aufzubauen, wenn die Uhrenfirmen an den Messen nicht vertreten sind», sagt Ankur Jhunjhunwala von einem in Nepal domizilierten Händler mit Schweizer Uhren.
Mit einem Umsatz von knapp 20 Milliarden Franken im Jahr 2017 sind Uhren der drittwichtigste Exportartikel der Schweiz nach Pharmazeutika und Werkzeugmaschinen. Der Grossteil der Exporte (53%) geht in den asiatischen Markt.
Das Dilemma des Uhrmachers
Während sich die Käufer über die abgestimmten Durchführungszeiten der beiden Messen freuen, sind die Uhrmacher verunsichert.
Die Marke GrönefeldExterner Link, deren neuestes Modell Grönefeld 1941 Remointre mindestens 45’000 Euro kostet, muss sich im nächsten Jahr für Baselworld oder SIHH entscheiden.
«Wir sind keine Roboter, die zwei aufeinanderfolgende Wochen lang mit Vollgas arbeiten können. Es ist auch eine Geldverschwendung, genau die gleichen Leute an zwei verschiedene Orte zu schicken», sagt der Uhrmacher Bart Grönefeld gegenüber swissinfo.ch.
Dieser Meinung ist auch der Vertreter von Christophe ClaretExterner Link. Der französisch-schweizerische Uhrenfabrikant zeigte heuer an der SIHH zum ersten Mal das Modell «Angelico», das mehr als 200’000 Franken?? kostet. Christophe Claret werde im nächsten Jahr nur am SIHH teilnehmen.
«Es gibt keinen wirklichen Vorteil, an beiden Messen teilzunehmen. Ich habe es einmal getan, und es hat für uns keinen grossen Unterschied gemacht. Jetzt, da sie hintereinander geplant sind, noch weniger», sagt er
Es stellt sich auch die Frage, ob man genügend Personal und Anschauungsmodelle für die Kunden zur Verfügung stellen kann.
«Die zweite Messe [Baselworld] wird Pech haben, weil alle Aussteller nach der ersten Ausstellung [SIHH] erschöpft sein werden», sagt der Uhrmacher Romain GauthierExterner Link, der 2020 auch nur eine Messe wählen wird.
Einig sind sich die Uhrmacher darin, dass sie froh darüber sind, sich nicht auf den SIHH im Januar 2020 vorbereiten zu müssen.
«Wir ziehen es vor, dass der SIHH später stattfindet, weil wir in der Weihnachtszeit und dem anschliessenden Jahresabschluss stark beschäftigt sind», sagt Kari VoutilainenExterner Link, der Uhren unter seinem eigenen Namen herstellt. Der finnische Uhrmacher hat seinen Sitz in Môtiers (Kanton Neuenburg).
An welcher Messe Voutilainen nächstes Jahr teilnehmen wird, will er noch nicht bekanntgeben. «Es kommt darauf an, was die Aussteller uns vorschlagen können», sagt er.
Baselworld und SIHH
Die Baselworld, die weltweit grösste Uhren- und Schmuckmesse, öffnet vom 21. bis 26. März dieses Jahres in Basel. Gegründet wurde die Messe 1917 unter dem Namen «Schweizer Mustermesse Basel». 2019 erwartet die Baselworld rund 700 Stände und über 100’000 Besucherinnen und Besucher.
SIHH wurde 1991 gegründet, als der Luxusuhren-Konzern Richemont beschloss, seine Marken auf einer separaten Plattform ausserhalb der Baselworld zu präsentieren. Seitdem ist der SIHH ein wichtiger Bestandteil des Schweizer Uhrenmarkts geworden. Die Messe 2019 mit 35 Ausstellern wurde von 23’000 Gästen besucht.
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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