Begräbnis eines Königs, der ein bisschen Schweizer war
Die Trauerfeier für Bhumibol Adulyadei oder Rama IX, der am 13. Oktober 2016 nach 70-jähriger Herrschaft starb, findet vom 25. bis 29. Oktober statt. Ein Blick zurück auf die Schweizer Kindheit und Jugend des thailändischen Königs.
Der König, der wie ein Halbgott verehrt wurde, war ein bisschen Schweizer. Geboren wird er in Cambridge (Massachusetts). Als sein Vater 1933 stirbt, ist Bhumibol 5-jährig. Seine Mutter, die damals 29-jährige Prinzessin Mahidol, zieht mit ihren drei Kindern nach Lausanne. Der ältere Bruder Ananda, Enkel des Königs Rama V, soll die Krone seiner Majestät tragen. Aber diese Perspektive begeistert ihn wenig: «Ich bin nicht glücklich, König zu werden. Ich möchte mich noch amüsieren können», gestand das «Königskind».
Ausserordentliche Zeremonie
Die Kremation, die am 26. Oktober im Zentrum Bangkoks stattfindet, ist die bedeutendste Zeremonie seit der Kremation der Schwester des Königs, der Prinzessin Galyani, 2008. Die letzte Kremation eines Königs fand im März 1950 statt, als der Körper von Ananda Mahidol, dem älteren Bruder von Bhumibol, auf dem Sanam-Luang-Platz eingeäschert wurde.
Die Kremation von König Bhumibol hat angesichts der langen Herrschaft und der fast religiösen Bindung der Thailänder mit ihrem verstorbenen König – sie nannten ihn «our beloved King» – eine ganz andere Dimension.
Verhängnisvolle Vorahnung? Im Juni 1946 wird Ananda in seinem Bett im Palast von Bangkok von Kugeln getötet aufgefunden werden. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder, der in Lausanne ein Rechtsstudium absolvierte, wird den Thron besteigen.
1933 lässt sich die königliche Familie in einem Appartement der Stadt Lausanne, später in der Villa Vadhana in Pully nieder. Ein Ehepaar wird für Küche- und Gartenarbeiten engagiert. Die beiden Brüder Ananda und Bhumibol besuchen die Privatschule Ecole Nouvelle. Ihre Schwester Galyani besucht die Ecole supérieure de jeune filles, ein öffentliches Mädchengymnasium in Villamont. «Der einzige Unterschied zu uns, die wir mit dem Fahrrad zur Schule fuhren, bestand darin, dass sie von ihrem Hauslehrer in einem grossen Auto mit weissen Reifen chauffiert wurden», erinnert sich ein ehemaliger Schüler.
«Man nannte uns Monsieur oder Mademoiselle aber nicht Prinz oder Prinzessin», erzählt später Prinzessin Galyani. «Wir waren wie kleine Schweizer und führten ein Leben wie gewöhnliche Leute.» Unter der Leitung ihres Hauslehrers lernen die künftigen Könige Skifahren und Schlittschuhlaufen: Villars-sur-Ollon, Adelboden, Champex, Davos und Zermatt. Für eine Reise in den Kanton Graubünden benutzt die königliche Familie den Zug: «Die Schweiz ist das schönste Land der Welt. Das einzige, in dem man reisen kann, ohne bewaffnet zu sein, wo man nicht riskiert, entführt zu werden», liess sich die Mutter der drei Königskinder zitieren.
Vom Automobilsport begeistert
Während des Kriegs sind die Zeiten hart, das Personal wird heimgeschickt. Das Gehalt aus Bangkok wird nicht mehr überwiesen, der Wechselkurs des Baht bricht ein. Prinzessin Mahidol verfolgt die Ausbildung ihrer Kinder genau: «Ein König muss belesen sein! Er muss mit gutem Beispiel vorangehen und viel arbeiten. Und zuerst muss er gehorchen können, bevor er selber kommandiert», paukt die Mutter.
Als Cousin von Prinz Bira, dem erfolgreichen Autorennfahrer der 1930er-Jahre, der seine Rennen in Krawatte fuhr, war König Bhumibol ein Motorsportfan. Er kümmerte sich selber um seine Autos, ein MG Coupé, ein kleiner Topolino und ein Salmson: «Das nutzte er, um Tempo zu erzeugen und seine eigenen Rekorde auf der Strecke zwischen Lausanne und Genf zu schlagen, mit einer Durchschnitts-Geschwindigkeit von 140 km/h», heisst es in einem Rapport der Waadtländer Polizei viele Jahre vor der Eröffnung der Autobahn 1964 und der Geschwindigkeitsbegrenzung.
Am 4. Oktober 1948 prallt sein Topolino in Préverenges ins Heck eines Lastwagens. Der König und sein Schwager, der Ehemann von Galyani, werden mit dem Taxi auf die Sanitätsstation in Morges gebracht. Der König verliert ein Auge. Er hatte mit dem Kopf auf dem Rückspiegel aufgeschlagen.
Seine Verlobte, Sirikit, Tochter des Botschafters von Thailand in Paris, kommt ihn oft am Krankenbett besuchen. Er heiratet sie am 28. April 1950 in Bangkok. Der Zeitpunkt war von buddhistischen Astrologen genau berechnet worden. Der künftigen Königin war er bei seinen Ausflügen nach Paris begegnet, wo sich Bhumibol, der selber Saxophon spielt, oft aufhielt, um Jazz-Musik zu hören. Sirikit und Bhumibol stammen beide vom gleichen Rama V ab, der 1910 starb.
«Ich habe mein Herz in Lausanne gelassen…»
Im Juli 1960 mietet das königliche Paar eine Villa am Rand des Weingebiets von Lavaux. Von Puidoux-Chexbres aus unternimmt das Paar Reisen an königliche Höfe Europas: zur Königin von England, zu den Königen von Belgien, Dänemark und Schweden und nach Versailles zu General de Gaulle oder zum Papst in den Vatikan.
In der Schweiz werden sie am 29. August 1960 von Bundespräsident Max Petitpierre und Bundesrat Paul Chaudet am Bahnhof Puidoux empfangen. Auch an der Publikumsmesse Comptoir Suisse, wo «sich die Königin besonders für Waschmaschinen interessiert», werden sie offiziell empfangen. Einen schlichten Empfang für das Königspaar gibt es im November auch von der Gemeinde Puidoux.
Nach einem privaten Aufenthalt im Oktober 1964 an der Schweizer Landesausstellung in Lausanne verlässt Bhumipol sein Königreich praktisch nie mehr. Der Stadt Lausanne schenkt er einen Pavillon, der im März 2009 von seiner Tochter Sirindhorn eingeweiht wird.
Fast alle Bundespräsidenten dieser Epoche werden von ihm eingeladen. Der damalige Waadtländer Bundespräsident Jean-Pascal Delamuraz erinnert sich noch: «Als ich im Palast ankam, hörte ich eine sanfte Stimme, die mich auf Französisch fragte: ‹Setzen ihre Weinbauern immer noch Hagelkanonen ein?›.» Während seines Aufenthalts im Lavaux um 1960 gesteht der König: «Ich habe mein Herz ein bisschen in Lausanne und dessen Umgebung gelassen.»
Ende Oktober dieses Jahres wird der «König der Könige» in den Himmel kommen, allerdings nicht wie seine Ahnen in einer sitzenden Position in einer Urne aus Sandelholz, sondern einbalsamiert in einem mit Gas verbrannten Sarg. Die Begräbniszeremonie wird das Königreich mit seinen 65 Millionen Einwohnern in eine religiöse Stille versinken lassen.
Verehrt wie ein Halbgott
Der König, der seit 1946 Herrscher über 67 Millionen Menschen war, starb am 13. Oktober 2016 im Alter von 88 Jahren. Seit einem Jahr beweint das ganze Königreich das Ableben eines Halbgotts, der verehrt wurde wie kein anderer König oder Staatschef.
Seine Minister und Generäle näherten sich nur seinen Füssen und nur in gebückter Stellung als Zeichen des unendlichen Respekts, der zurückgeht auf die ersten Herrscher von Siam. Sie sprachen «im Staub seiner Füsse». Niemand schaute ihm in die Augen. Sein Porträt thront auf Briefmarken, Banknoten, öffentlichen Gebäuden, Restaurants und sogar auf den Mauern der bescheidensten Häuser.
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
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