Bergbau versucht in Peru mit Fairtrade zu glänzen
Direkter Marktzugang, verbesserter Umweltschutz und mehr Transparenz: Das versucht eine von der Schweiz unterstützte Initiative dem Kleinbergbau in Entwicklungsländern zu sichern. Kann die "Better Gold Initiative" (BGI) ihre Versprechen halten? swissinfo.ch hat in Peru nachgefragt.
Feliciano Quispe zog 1988 in die Wüste an der Küste. Das einzige, was er bei sich hatte, waren ein Rucksack, eine Schaufel, ein Kompass und eine Wasserflasche. Die peruanische Wirtschaft serbelte dahin, und Quispe brauchte Arbeit. Deshalb fing er an, nach Gold zu suchen.
«Ich besass nichts, nicht einmal ein Fahrrad, um mich fortzubewegen», sagt er. «Wir mussten in der Wüste leben, in Höhlen oder Kavernen.»
Gemeinsam mit ein paar anderen Bergbau-Pionieren konnte er ein paar Kilos Erz an Veredler verkaufen. Weil sie sich von den Erzkäufern betrogen fühlten, gründeten er und 47 andere Kleinbergleute eine eigene kleine Bergbaugesellschaft.
Heute ist Quispe Generaldirektor der Españolita Mine in der Wüste im Süden von Peru, rund 600 Kilometer südlich der Hauptstadt Lima. Die Kooperative veredelt monatlich rund 14 Kilo Gold.
Die Schweizer Regierung hat im Dezember 2013 angekündigt, dass sie auf Anfang 2014 genauere Angaben über die Herkunft der Goldimporte und -exporte veröffentlichen werde.
Zum ersten Mal seit 1981 sollen ab Januar die Ein- und Ausfuhren von jedem Land separat in der Aussenhandels-Statistik erscheinen.
Damit genüge die Schweiz den internationalen statistischen Standards und trage zu mehr Transparenz in dieser Branche bei, heisst es in einem Communiqué der Regierung.
Zwischenhändler ausschalten
Españolita oder Medsursa, wie die Gesellschaft auch genannt wird, will die «Better Gold Initiative» (BGI) demnächst beliefern. Es ist das jüngste Goldprojekt, das sich der Allianz zwischen dem Eidgenössischen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und der Swiss Better Gold Association (SBGA), einer Gruppe bedeutender Veredler und Juweliere, sowie der Fairtrade- Stiftung Max Havelaar Schweiz angeschlossen hat.
Das Programm bezweckt, die Goldgräber den Kunden in der Schweiz näher zu bringen: durch die Ausschaltung von Zwischenhändlern sowie durch erhöhte Transparenz und Rückverfolgbarkeit des Minerals einerseits und bessere Preise für die Produzenten andererseits. Es verspricht den Bergleuten auch Zugang zu speziellen Fonds und der Finanzierung nachhaltiger Entwicklungsprojekte.
Die Schweizer Beteiligung an der Initiative geht aus ihrer Schlüsselrolle im internationalen Goldhandel hervor. Rund 70% des weltweiten Goldhandels werden über die Schweiz abgewickelt. 2011 wurden gemäss offizieller peruanischer Statistik 190 Tonnen Gold in die Schweiz exportiert. Die Menge entspricht wertmässig 97% der Schweizer Importe aus Peru, dem fünftgrössten Goldproduzenten der Welt.
Seit November 2013 wurden lediglich 50 Kilogramm von Sotrami, dem ersten Produzenten des Programms, in die Schweiz geliefert. BGI-Direktor Thomas Hentschel erwartet, bis in vier oder fünf Jahren zwei oder drei Tonnen zu erreichen.
Fairmined und Fairtrade bieten kleinen und artisanalen Bergleuten Zertifikate an, wenn sie gewisse soziale und ökologische Standards einhalten. Sie setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen, die Einhaltung von Menschenrechten und die Eliminierung von Quecksilber ein.
Der Responsible Jewellery Council (RJC), dem die meisten Luxus-Juweliere angehören, fördert Standards, die für grosse Bergbaufirmen gelten.
Auch der «World Gold Council» bietet den grossen Firmen Zertifikate für «konfliktfreies» Gold an.
Ethische Kosten
Ein Problem für Endverbraucher, die sich für sauberes Gold interessieren, besteht darin, dass es nicht nur BGI gibt, sondern mehrere Zertifizierungs-Programme, aber nur ein beschränktes Angebot für zertifiziertes Gold. Laut Schätzungen beträgt der Anteil der kleinen und artesanalen Bergbau-Firmen am globalen Goldangebot rund 15 bis 25%. Laut dem Fairtrade-Aktivisten Greg Valerio entsprechen rund 600 kg pro Jahr den Anforderungen von Fairtrade- und Fairmined.
«Alle kämpfen mit dem gleichen Material», sagt Assheton Carter, ein Experte für verantwortungsbewusste Goldproduktion. «Die grossen Fabrikanten (Juweliere) kaufen sehr viel Gold – eher Tonnen als Unzen. Es stammt aus den vier wichtigsten (Schweizer) Raffinerien, deren Produkte eine hohe Qualität aufweisen.»
Solange die Öffentlichkeit nicht danach frage, wie gross der Fairtrade-Anteil am Produkt sei, würden die Juweliere nicht deklarieren, ob ihr Angebot aus fairer Produktion stamme oder nicht.
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Ein weiteres Thema sind die Kosten in der Angebotskette einer verantwortungsbewussten Goldproduktion. Laut Carter wurden die Verkäufe von zertifiziertem Gold bis zur Lancierung von BGI durch hohe Aufschläge von bis zu 25% über dem internationalen Spot-Goldpreis beeinträchtigt.
Das BGI wurde im November zu einer Zeit lanciert, als ein Programm der peruanischen Regierung für die Zertifizierung kleiner Bergbaufirmen in Kraft trat und eine Polemik über ökologische, gesundheitliche und soziale Bedingungen in der Goldbranche losging.
Lima, das im November 2015 die 20. Klimakonferenz beherbergen wird, hat fehlbaren Bergleuten mit Sanktionen gedroht, falls sie die ökologischen, sozialen und steuerlichen Anforderungen bis im April nicht erfüllten.
Das Goldangebot verbessern
Peru schätzt, dass es bis zu Beginn des Prozesses vor zwei Jahren rund 100’000 illegale Bergleute gab im Land. Der illegale Bergbau hat viele gravierende Probleme wie ausgedehnte Waldrodungen, Quecksilber-Verschmutzungen, mutmasslichen Menschenhandel und Zwangsarbeit nach sich gezogen, welche die Regierung mit ihrem Formalisierungsprogramm eindämmen will.
Infolge weiträumiger Umweltschäden im südöstlichen Regenwald-Gebiet von Madre de Dios, die das Carnegie Institute im Oktober publik machte, erwartet die Öffentlichkeit von der Regierung, dass sie dort besonders hart gegen illegale Bergleute vorgeht.
Bei einem Besuch in Heupetuhe im Zentrum der Bergbau-Tätigkeit konnte swissinfo.ch mit fehlbaren Bergleuten sprechen. Nach jahrzehntelanger Unterstützung durch die Vergabe von Abbau-Konzessionen und günstigen Krediten sei die Regierung nun plötzlich entschlossen, die einheimischen, kleinen Bergleute zugunsten von grossen ausländischen Firmen auszurotten, sagen sie.
Gemäss den Zahlen des World Gold Council trugen 2011 allein die vier grössten Minen Perus, die mehrheitlich in ausländischem Besitz sind, 14 Prozent der Steuereinnahmen Perus.
In der Region von Madre Dios graben Bagger und andere schwere Maschinen nach Gold, bevor die Minenarbeiter den Boden mit Hochdruck auswaschen, um danach das Gold mit Hilfe des hochgiftigen Quecksilbers herauszulösen.
Die Unterscheidung zwischen regulären und irregulären Goldgräbern lässt sich nicht immer klar ausmachen. Irregularität bezieht sich meistens auf Goldgräber, die sich nicht immer an die gesetzlichen Bestimmungen halten, aber trotzdem nicht behelligt werden (können).
Vielleicht verletzen sie Eigentumsbestimmungen, zahlen die Steuern nicht korrekt, verletzen ökologische oder soziale Standards.
Von illegalen Goldgräbern wird offiziell dann gesprochen, wenn ein gewisses Missbrauchsmass überschritten wird.
Einigung mit fehlbaren Bergleuten
Die Españolita-Mine entspreche den neuen Anforderungen, sagt Regierungsberater Ernesto Raez Luna. Bis April sollen weitere Minen in der Region Madre de Dios zertifiziert werden.
Inzwischen wird befürchtet, dass viele illegale Goldgräber weiter in den Regenwald vorstossen werden, um sich der offiziellen Kontrolle zu entziehen. In Puerto Maldonado, der Hauptstadt von Madre de Dios, erzählen Goldhändler im Gespräch mit swissinfo.ch, wie sie ihre Dokumente fälschten.
Dass Dokumente gefälscht werden, bestätigt auch Miguel Santanilla, Forschungsleiter des Instituto del Peru. Seit der Einführung der neuen Regierungsrichtlinien werde illegales Gold durch den Schreibkram zu legalem Gold gemacht, mit Hilfe der Behörden, sagt er.
Das BGI-Programm hat für Goldgräber wie Quispe und die Españolita-Bergbau-Kooperative trotzdem Hoffnung und Anerkennung für ihre Vision gebracht. «Die ‹Better Gold Initiative› der Schweiz hilft uns, vorwärts zu kommen», sagt Casiano Palomino, der auch Mitglied der Españolita-Kooperative ist.
(Übertragung aus dem Englischen: Peter Siegenthaler)
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