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Blockierte Waffenverkäufe sorgen für Kritik

Die Produktion von Waffen und Waffenkomponenten wird immer häufiger weltweit unter verschiedenen Herstellern aufgeteilt. Keystone

Die Schweizer Regierung gerät wegen dem Export von Waffen immer wieder in die Kritik. Der von der Regierung blockierte Verkauf von Waffenbauteilen in die USA lenkte jüngst die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf einen wenig bekannten Aspekt des globalen Waffenhandels.

Im Januar legte die Regierung gegen ein Geschäft zur Lieferung von Handfeuerwaffen-Teilen im Wert von mehr als 400’000 Franken ihr Veto ein – mit der Begründung, dass die Waffen, die in den USA für den späteren Export nach Saudi-Arabien zusammengesetzt worden wären, für die Verletzung von Menschenrechten eingesetzt werden könnten.

Die jüngste Statistik zu den Exportbewilligungen für Schweizer Waffen und Waffenbauteile – von elektronischen Ausrüstungen, Computer-Software über Suchgeräte, Rohre, Schrauben und Federn – löste bei Menschenrechts- und Friedens-Organisationen ernsthafte Zweifel über die Umsetzung des Kriegsmaterialgesetzes aus.

Im Verlauf der letzten 12 Jahre hat sich der Anteil der Exportbewilligungen für Waffen-Bauteile mehr als verdoppelt, von 20 auf 46% aller bewilligten Kriegsmaterial-Exporte. Der Wert der Bauteile mit Exportbewilligung belief sich 2012 auf 925 Mio. Franken.

Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GsoA) und die Schweizer Sektion von Amnesty International haben den Verdacht, dass gewisse Produzenten ihre Geschäftsaktivitäten verschoben haben könnten, um zu versuchen, die strikte Schweizer Waffenausfuhr-Gesetzgebung zu umgehen.

Die beiden Nichtregierungs-Organisationen sehen auch Mängel bei der Informationspolitik der für den Waffenexport zuständigen Abteilung des Wirtschaftsministeriums.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) weist diese Vorwürfe jedoch zurück.

Die Schweiz sei bei unabhängigen Überprüfungen wiederholt gepriesen worden für ihre «transparente Information zum Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen. Ich denke nicht, dass wir weniger transparent sind, wenn es um andere Waffen geht», erklärt Simon Plüss, Ressortleiter Exportkontrollen /  Kriegsmaterial im Seco.

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Menschenrechte oder Wirtschaftsinteressen schützen?

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Nach jahrelangen Verhandlungen wurde bei der UNO im April das erste rechtlich verbindliche Abkommen zur Regulierung des Multi-Milliarden-Business verabschiedet, mit dem Ziel, den Verkauf von Waffen in Konfliktgebieten einzudämmen. Die Schweiz hat sich für den Vertrag eingesetzt, auch wenn ihre eigene Gesetzgebung weiter geht als das Abkommen.

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Nicht transparent

Jo Lang, Vorstandsmitglied der GsoA, wirft der Verwaltung dennoch «systematische Nicht-Transparenz» vor.

«Sie informieren die Öffentlichkeit nur, wenn sie dazu gezwungen sind», sagt Lang. Der Export von besonderen militärischen Gütern gemäss dem Güterkontrollgesetz werde in den regulären Waffenausfuhr-Statistiken nicht aufgeführt, fügt Lang hinzu.

Patrick Walder von der Schweizer Sektion von Amnesty International äussert sich zurückhaltender. Die Schweiz gehöre,  was Waffenverkäufe angehe, zu den transparentesten Ländern, räumt er ein.

«Eine aktivere Informationspolitik des Seco wäre aber denkbar, zum Beispiel, welche Wege die Industrie nutzt, um Vorschriften zu umgehen», sagt Walder.

Zudem wirft Walder die Frage auf, wie effizient die so genannte Endnutzer-Kontrolle und die Vorschriften über Waffenbauteile wirklich seien, vor allem was die Klausel betrifft, die Verkäufe an private Unternehmen im Ausland oder an Staaten erleichtert, falls die Produktionskosten für die Bestandteile weniger als die Hälfte der Herstellungskosten des Endprodukts ausmachen.

Der erste rechtlich verbindliche internationale Waffenhandels-Vertrag (Arms Trade Treaty, ATT) wurde von der UNO-Generalversammlung im April 2013 angenommen.

Der Entscheid der Generalversammlung erfolgte nach jahrelangen Verhandlungen und zwei Konferenzen im Verlauf der letzten 10 Monate, bei denen über einen Vertragstext gerungen worden war.

Der ATT wird den rund 70 Milliarden Dollar ( 65,4 Mrd. Franken) umfassenden internationalen Handel mit konventionellen Waffen inklusive Panzer, Artilleriesysteme, Kriegsflugzeuge, Geschosse sowie Gewehre und Handfeuerwaffen, regulieren.

Das Abkommen reguliert in gewissem Rahmen auch den Handel mit Munition und Waffenbestandteilen. Nicht erfasst werden von dem Vertrag biologische, chemische und nukleare Waffen.

Das Abkommen schreibt fest, dass Regierungen den Export nicht bewilligen dürfen, wenn die Waffen an Länder gehen würden, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen, Verstössen gegen das humanitäre Völkerrecht oder Genozid und andere Kriegsverbrechen kommt.

Zustimmung des Parlaments

Im Januar wurde der Regierung und der Verwaltung in einem Zeitungsbericht vorgeworfen, die reguläre Praxis von Waffenexporten zu vertuschen, indem Exporterleichterungen für Waffenbauteile nicht explizit erwähnt würden, von denen eine Gruppe von 25 langjährigen Handelspartnern der Schweiz profitierten, die ähnliche Exportvorschriften hätten.

Zu der Gruppe gehören vor allem Länder aus Europa, aber auch die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Japan sowie Argentinien.

Weitere Kritik richtete sich gegen die Art und Weise, wie die Schweiz kalkuliere, was angeblich zu einer Untergrabung der strikten Vorschriften führt.

Beim Seco heisst es, alles werde ordentlich abgewickelt, die Schweiz halte sich an internationale Standards.

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«Ausnahmen von den restriktiven Exportvorschriften wurden vom Parlament bewilligt. Zudem steht im Gesetz, dass die Regierung das zuständige parlamentarische Komitee jährlich über die Waffenexporte informieren muss», erklärt Plüss.

Zudem, unterstreicht Plüss, müssten Exporteure, denen spezielle Bedingungen eingeräumt würden, eine Reihe anderer Vorgaben erfüllen.

Globalisierung

Regierung, Industrie und sogar die NGO stimmen darin überein, dass die Zunahme der Exportlizenzen vor allem eine Folge der globalisierten Produktion und des Handels mit militärischen und zivilen Gütern sei.

«Immer weniger Schweizer Firmen verkaufen heute noch ganze Waffensysteme. Stattdessen werden Bauteile oder Komponenten produziert und exportiert, zur Montage anderswo», erklär Ivo Zimmermann, Sprecher des Dachverbands der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie (Swissmem).

In ähnlicher Art äussert sich Jo Lang, der auf die anhaltende Arbeitsaufteilung mit spezialisierten Herstellern hinweist, eine Tatsache, die verbindliche Regeln seiner Ansicht nach noch wichtiger mache.

Ein Beispiel dafür ist der Fall, bei dem die Regierung im Januar den Verkauf von Pistolenbestandteilen einer Firma in der Schweiz an ein Unternehmen in den USA nicht bewilligte, wo die Pistolen gefertigt und später an die Königliche Garde Saudi-Arabiens hätten verkauft werden sollen. (Siehe zum Thema).

Gemäss dem Kriegsmaterialgesetz (KMG) von 1996 und den dazu gehörenden Verordnungen braucht es für Waffen-Exporte aus der Schweiz schon heute eine an bestimmte Bedingungen geknüpfte Ausfuhrbewilligung  der Regierung.

Das Gesetz wurde mehrmals verschärft: So wurde unter anderem der Export in Länder verboten, die in gewalttätige Konflikte verwickelt sind oder das humanitäre Völkerrecht verletzten. Zudem wurden Klauseln zum Wieder-Export und die Vorschrift zu Nachlieferungs-Inspektionen eingeführt.

In einer Volksabstimmung im November 2009 hatte das Schweizer Stimmvolk ein umfassendes Waffenexportverbot abgelehnt.

Gemäss jüngsten Zahlen ist der Export von Kriegsmaterial aus der Schweiz 2012 auf 700 Mio. Franken zurückgegangen – 20% weniger als im Jahr davor. Die bedeutendsten Importeure waren Deutschland, die Vereinigten Arabischen Emirate, Italien, die USA und Indien. 

Das Schweizer Wirtschaftsministerium genehmigte im vergangenen Jahr knapp 2400 Waffenausfuhr-Gesuche.

Lobbying

Beim Seco heisst es, man sollte nicht zu viel in die jüngsten Export-Zahlen über Komponenten hineininterpretieren.

Die Zahl der erteilten Bewilligungen sei nicht unbedingt gleichbedeutend mit den tatsächlich erfolgten Verkäufen, erklärt Plüss. Er weist auch darauf hin, dass der Anstieg von 100 Mio. Franken im Jahr 2000 auf 925 Mio. Franken im letzten Jahr nicht linear erfolgt sei.

Und der Dachverband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie weist Spekulationen zurück, dass der Anstieg beim Export von Komponenten eine Folge der verschärften Waffenexportvorschriften sei.

Swissmen-Sprecher Zimmermann erklärt, die Industrie sei nicht generell gegen Waffenexport-Einschränkungen. «Wichtig ist jedoch, dass alle europäischen Länder die gleich langen Spiesse haben, um wettbewerbsverzerrende Diskriminierungen zu vermeiden.»

Berichte, dass die Industrie Lobby-Bemühungen verstärken könnte, um die Schweizer Standards für Exportvorschriften im Einklang mit den Vorgaben des Waffenhandels-Vertrags (ATT)  zu senken, bestätigt Zimmermann nicht. (Vgl. rechte Spalte).

Amnesty hat Befürchtungen geäussert, dass die Industrie das Ergebnis der UNO-Konferenz zum Waffenhandels-Vertrag zum Anlass nehmen könnte, zu versuchen, Zugeständnisse zu erringen. Die Menschenrechts-Organisation weist darauf hin, als neutraler Staat mit einer langen humanitären Tradition trage die Schweiz eine besondere Verantwortung.

Der Seco-Vertreter Plüss erklärt, es gebe von Seiten der  Waffenhersteller keinen Druck auf die Verwaltung. Und er glaubt nicht, dass der internationale Vertrag auf die Schweizer Gesetzgebung einen grossen Einfluss haben wird.

Ein Aufruf des Parlaments von 2010 an die Regierung, in Betracht zu ziehen, die Exportregeln für Kriegsmaterial aufzuweichen, scheine aber auf politischer Ebene gewisse Aktivitäten ausgelöst zu haben.

(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

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