Bits und Bytes statt Käse und Schokolade
Auf der CeBIT 2016 in Hannover wird die Schweiz ab Montag als offizielles Partnerland im Fokus der globalen Öffentlichkeit stehen. 60 eidgenössische Aussteller präsentieren auf der weltweit wichtigsten Messe für Digitalisierung ihren Beitrag zur Zukunft.
Für den Schweizer IT-Sektor bietet die Kooperation an der Messe Chancen vielfältigster Art: «Der Status als Partnerland ist mit wertvollen Treffen auf höchster politischer Ebene verbunden», so Andreas Kaelin, Geschäftsführer des Branchenverbandes ICTswitzerlandExterner Link auf einem Messe-Preview in Hannover gegenüber swissinfo.ch.
Unter anderem wird Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren traditionellen Messerundgang in diesem Jahr an der Seite des schweizerischen Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann absolvieren und im Schweizer Pavillon beginnen. Die TV-Kameras der Welt werden dann auf die eidgenössischen Stände gerichtet sein.
Dieses quasi bilaterale Treffen ist für Kaelin einer der vielen Gründe, die das Schweizer Engagement auf der CeBITExterner Link so lohnend machen. Dort wird dem Partnerland traditionell auch von Seiten des Fachpublikums besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die Schweiz nutzt die Chance, um Besuchern aus aller Welt ihre digitale Kompetenz zu präsentieren und zu zeigen, warum sie zum fünften Mal zum Innovations-Weltmeister gekürt wurde.
«Eine ähnliche Plattform existiert in der Schweiz nicht», so Kaelin. Die CeBIT sei der Dreh- und Angelpunkt der Szene. Hier wird nicht nur präsentiert, sondern auch über die grossen Fragen der Zukunft diskutiert. Es ist eine Fachmesse und ein Forum, ein Ausblick in die Welt von Morgen und der Ort, neue Technologien auch im gesellschaftlichen Kontext zu reflektieren.
Bis zu 30’000 Fachkräfte fehlen
«Wir exportieren mittlerweile 12 Mal so viele digitale Waren wie Käse und Schokolade zusammen.» Franz Grüter, ICTswitzerland
Seit dem vergangenen Jahr bereitet sich die eidgenössische Digitalwirtschaft auf ihren grossen gemeinsamen Auftritt vor. In zahlreichen Treffen haben Politik und Wirtschaft ihre Strategie abgestimmt. Die CeBIT dient so auch dem nationalen Dialog über dieses so wichtige Zukunftsfeld.
Mit einer Wertschöpfung von 27 Milliarden Franken gehört der ICT-Sektor (kurz für «information and communication technology») mittlerweile zu den bedeutendsten Wirtschaftsbereichen mit hohen Wachstumsraten.
«Wir exportieren mittlerweile 12 Mal so viele digitale Waren wie Käse und Schokolade zusammen», betonte Nationalrat Franz Grüter, der auch Mitglied des Vorstandes des Dachverbandes ICTswitzerland ist, auf einem Messe-Preview. Die Zahl der ICT-Beschäftigten in der Schweiz habe sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt.
Die Schweiz an der CeBIT
Die CeBIT 2016, die vom 14. bis 18. März in Hannover stattfindet, ist mit rund 220’000 Besuchern die grösste ICT-Messe der Welt.
60 Schweizer Aussteller werden dort im Swiss Pavillon auf 1700 Quadratmeter Fläche ihre Innovationen präsentieren. Damit ist der Schweizer Auftritt auf der CeBIT 2016 zehnmal grösser ist als in den Jahren zuvor. Darüber hinaus sind eidgenössische Aussteller in den verschiedenen CeBIT-Schwerpunkten vertreten.
Der Schweizer Bundespräsident Johann Schneider-Ammann, Vorsteher des eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung, wird im März 24 Stunden lang in Hannover sein. Am 14. 3. eröffnet er die Messe gemeinsam mit dem deutschen Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel. Am folgenden Tag begleitet Schneider-Ammann die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem zweistündigen Messerundgang.
Mit der Folge, dass die Unternehmen händeringend nach Mitarbeitern suchen. Rund 30’000 Fachkräfte, so Kaelin, werden gemäss Studien seines Dachverbandes der Schweizer Digitalindustrie bis zum Jahr 2020 fehlen.
Derzeit arbeiten bereits über 200’000 ICT-Fachkräfte in den unterschiedlichen Branchen, insbesondere in den grossen IT-Abteilungen von Banken, Versicherungen und der öffentlichen Verwaltung. Dieses Wachstum macht die Schweiz zum begehrten Handelspartner, auch für Deutschland.
2015 rückte die Schweiz in die Liste der zehn Länder auf, in die deutsche Unternehmen am meisten IT-Güter exportierten. Beim grossen Nachbarn hat sich die Digitalwirtschaft nach Beschäftigungszahlen bereits an die zweite Stelle nach dem Maschinenbau vorgearbeitet und die mächtige Autoindustrie hinter sich gelassen. Auch hier suchen Unternehmen nach Fachkräften.
Adieu alte Wirtschaftswelt
In dieser Konkurrenz um die besten Köpfe ist Kaelin das traditionelle Image der Schweiz als Land der Berge und hohen Lebensqualität durchaus recht. Es hilft, begehrte Experten aus aller Welt für einen Umzug in die Schweiz zu begeistern, Unternehmer wie Mitarbeiter gleichermassen.
Auch dazu will man die CeBIT nutzen – wie auch für die internationale Vernetzung. Sie ist für das Wachstum der häufig kleinen Unternehmen im digitalen Sektor überlebenswichtig. «Die Schweiz braucht ICT-Unternehmen, die sich dem internationalen Wettbewerb stellen – nur so kann die Branche langfristig wachsen», so Grüter.
Zunächst ist sie dabei, die alte Wirtschaftswelt aus den Angeln zu heben: Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft lasse ganze Branchen von der Bildfläche verschwinden und kreiere neue, bekräftigt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des deutschen Branchenverbandes Bitkom in Hannover. Sie bedrohe die einen und eröffnee einer jungen Generation gänzlich neue Chancen.
3D-Drucker machen beispielsweise Ersatzteilproduzenten überflüssig und schaffen in ihrem Feld zugleich neue Arbeitsplätze. «In zehn Jahren wird es keinen Zahntechniker mehr geben», prognostiziert Rohleder. «Der Arzt wird in Ihren Mund gucken, die Lücke scannen und den Zahnersatz an Ort und Stelle drucken.»
Mit der Drohne ins Bergdorf
Auch beim Blick nach oben zeigen sich neue Perspektiven: Einen Schwerpunkt des Schweizer CeBIT-Auftritts bilden innovative Drohnen, an denen auch an der ETH Zürich geforscht wird. Dort hat ein Team einen völlig neuartigen Flugroboter namens Skye entwickelt: Einen zeppelinähnlichen mit Helium gefüllten Ballon, der sich mit Kameras versehen so präzise steuern lässt wie ein Quadrokopter, aber durch seine Ballon-Konstruktion nicht abrupt vom Himmel fallen kann.
Das Team hofft, Skye durch die Halle fliegen lassen zu dürfen, wenn Angela Merkel gemeinsam mit Bundespräsident Ammann auf ihrem Rundgang den Stand passiert. Das wäre der offizielle Beweis, dass Skye absturzsicher ist und auch über Menschenmassen schweben darf. Derzeit ist dies herkömmlichen Drohnen wegen des Gefährdungs-Potenzials untersagt. Beim Messe-Preview stiess Skye bereit auf grosses Interesse der Medien.
Die kleinen unbemannten Flugkörper werden bald zum Alltag gehören, das ist heute bereits absehbar: Die Schweizer Post testet derzeit die Belieferung entlegener Bergdörfer mithilfe von Drohnen. Am Himmel zeigt sich, wie schnell aus noch vor kurzem als Science Fiction empfundenen Visionen Realität wird.
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