Chefwechsel bei Credit Suisse schürt Hoffnung
"Mutiger Befreiungsschlag", "Hoffnungsträger für das Asiengeschäft", "Die Anleger sind entzückt". Die Schweizer Presse kommentiert den Wechsel an der Spitze der zweitgrössten Schweizer Bank mit Wohlwollen. Für Gesprächsstoff sorgt auch, dass Tidjane Thiam, der Nachfolger von Brady Dougan, kein Schweizer, sondern Franzose mit afrikanischen Wurzeln ist.
Als «fundamentalen strategischen und kulturellen Wandel» bezeichnet der Tages-Anzeiger den «überfälligen Wechsel» an der Konzernspitze. «Wie hoch die Erwartungen in den Afrikaner ohne Bankerfahrung sind, offenbarte der 8-prozentige Kurssprung der CS-Aktien gestern zum Handelsbeginn.»
Spätestens nach dem Schuldeingeständnis der Credit Suisse im Steuerstreit mit den USA vom letzten Jahr wäre die Zeit reif gewesen, den Amerikaner abzulösen, kritisiert die Zürcher Tageszeitung. Und sie wettet darauf, dass nach dem Ausscheiden Dougans weitere führende Köpfe besonders im Investmentbanking neue Herausforderungen suchen dürften.
«Ähnlich wie bereits die UBS wird nun auch die Credit Suisse der Vermögensverwaltung, vor allem für die reiche und steinreiche Kundschaft, Priorität einräumen. Die Grossbank kann hier durchaus Erfolge vorweisen, nicht zuletzt in den asiatischen Märkten, die das höchste Wachstumspotenzial versprechen», prophezeit der Tages-Anzeiger.
Verbindungen zu Obama?
«Credit Suisse: Yes he can!», titelt die Westschweizer Tageszeitung 24 heures in Anspielung auf den Wahlkampf-Slogan des ersten schwarzen Präsidenten der USA. Die Aktienkurse seien nach Bekanntgabe des Wechsels an der Spitze der CS signifikant gestiegen. «Die Anleger haben die erstmalige Nomination eines Dunkelhäutigen an der Spitze der Zweitgrössten Schweizer Bank begrüsst.» Die Herkunft habe zwar noch von niemandem die Qualitäten präjudiziert, aber man müsse anerkennen, dass diese Besetzung des Chefpostens der CS «ein schöner Fortschritt» sei.
Einige Leute seien aber der Meinung, dass es vor allem die guten Resultate gewesen seien, die Thiam mit dem britischen Versicherungsunternehmen Prudential in Asien erzielt habe, die bei der Wahl des neuen CEO ausschlaggebend gewesen seien. In diesem Markt habe Brady Dougan nämlich den Rückstand auf die Konkurrenz nicht einholen können.
«Oder waren es seine Verbindungen zu den USA», fragt 24 heures. Man sage von Tidjane Thiam, dass er Barack Obama nahe stehe, was die Beziehungen mit einer spitzfindigen Macht gegenüber den Financiers erleichtern könnte. Sein Vorgänger habe nämlich eine hohe Busse wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht verhindern können.
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Antwort auf Zuwanderungsstopp?
Die Westschweizer Tageszeitung Le Temps stellt sogar einen Zusammenhang zur Initiative gegen die «Masseneinwanderung» her, welche das Schweizer Stimmvolk vor einem Jahr mit knapper Mehrheit angenommen hatte, und bezeichnet die Wahl des neuen Patrons der Credit Suisse als «Antwort auf den 9. Februar». Erste Anzeichen würden bereits zeigen, dass der Verwaltungsrat eine kühne aber sinnvolle Wahl getroffen habe, während das Nachbarland Frankreich bereits bedauere, dass es «eine Perle habe ziehen lassen».
Thiam sei der erste Chef eines Schweizer Unternehmens dieser Grösse, der afrikanische Wurzeln habe. Diese Wahl sei die beste Antwort, welche die Wirtschaft auf die Initiative vom 9. Februar 2014 habe geben können. Um zu gedeihen, sei die Wirtschaft auf brillante Kaderleute angewiesen, die man auch im Ausland suchen müsse. «Und Tidjane Thiam gleicht in keiner Weise einem Alibi», schreibt 24 heures.
Er spricht sogar deutsch
«Der neue CS-Chef kann etwas, was Brady Dougan (55) in acht Jahren an der Spitze der Schweizer Grossbank nicht gelernt hat: Er spricht deutsch», betont das Boulevardblatt Blick. Den Mann aus der Elfenbeinküste habe in der Schweiz niemand auf der Liste möglicher Dougan-Nachfolger gehabt, obwohl dieser in London «eine grosse Nummer» sei, schreibt der Blick und fügt hinzu: «Seit er vor gut fünf Jahren Chef des Versicherers Prudential wurde, hat sich der Gewinn des Unternehmens mehr als verdoppelt.»
Beeindruckend ist für die meisten Medien die Biografie des neuen CS-Chefs. «Die Beschreibung ‹aussergewöhnlich› passt auch auf den Werdegang von Thiam», schreibt zum Beispiel die Südostschweiz.
Der 1962 an der Elfenbeinküste geborene Thiam hat in Frankreich, unter anderem an der École Polytechnique in Paris studiert. Nach seinem Studium arbeitete er für die Beratungsfirma McKinsey in Paris und New York. In den Neunzigerjahren war Thiam während einiger Jahre für die Regierung der Elfenbeinküste tätig, zuletzt als Minister für Planung und Entwicklung. Seine politische Karriere endete 1999 nach einem Militärputsch abrupt.
Daraufhin wurde er während mehrerer Monate in der Elfenbeinküste festgehalten, bevor ihm die neue Regierung den Posten des Ministerpräsidenten anbot. Thiam lehnte ab und verliess im Jahr 2000 das Land.
«Nicht jeder Schweizer Bankchef kann von sich behaupten, jemals wegen eines Militärputschs seinen Job verloren zu haben», schreibt die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) unter dem Titel «Sanfter Putsch bei der CS». Thiam habe sich in seiner Karriere stets als «schneller Lerner erwiesen», was er als «Nicht-Banker bei der CS wieder unter Beweis stellen» müsse.
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