China: Eldorado für die Schweizer Uhrenindustrie
Die Schweizer Uhrenindustrie tickt schneller und zuversichtlicher. Denn aus Asien, besonders aus China, steigt die Nachfrage nach luxuriösen Uhren stark.
Viele lächelnde Gesichter diese Woche am 21. Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) und an der Geneva Time Exhibition, an der kleine unabhängige Marken ausstellen.
«Ich spüre viel mehr Zuversicht und Gelassenheit dieses Jahr», sagt SIHH-Direktorin Fabienne Lupo gegenüber swissinfo.ch
2010 war ein «spektakuäres» Jahr für die Schweizerische Uhrenindustrie: Die Exporte nahmen bis Ende November um beinahe 30% zu im Vergleich zum Vorjahr. Sie erreichten 14,6 Mrd. Franken.
Man schätzt, dass sobald die Dezember-Werte publiziert werden das Jahrestotal nahe bei 17 Milliarden liegen könnte – nahe am Rekord von 2008.
«Mit der Entwicklung bin ich sehr zufrieden», sagt Jean-Daniel Pasche, der dem Schweizerischen Uhrenverband FH vorsteht. «Erstaunlich sind Tempo und Grösse der Wachstumszyklen.»
2009 schlug die Rezession mit einem Export-Minus von 24 Prozent zu, was die Branche, die 53’000 Personen beschäftigt, 4000 Jobs kostete. «Strukturell jedoch wurden wir weniger beeinträchtigt. Sobald die Nachfrage wieder anzog, konnte sich unser Sektor auf die bestehenden Verteilernetze und Produkte abstützen», sagt Pasche.
Für 2011 sind die Erwartungen deshalb hoch: «Die Exportaussichten sind gut. Doch die Frankenstärke gibt uns zu denken. Dies könnte unsere Wettbewerbsposition und unsere Margen beeinträchtigen», so der FH-Direktor.
Asiatische Explosion
«Die Prognosen sind positiv, dank den neuen Märkten in Asien», sagt Lupo. «China ist echt aufgewacht. Die Chinesen kaufen Schweizer Uhren nicht nur bei sich zuhause, sondern überall auf der Welt.»
Die Ausfuhren in die asiatischen Märkte stiegen letztes Jahr um 55% nach China, um 46% nach Hongkong und um 37% nach Singapur.
Letzten Montag gab Richemont, der in Genf basierte Luxusgüter-Konzern, der den SIHH organisiert, eine Zunahme seiner Verkäufe um 33% für sein drittes Quartal bekannt, das Ende Dezember auslief.
Seine Verkäufe in die Region Asien-Pazifik nahmen um 57% auf über eine Milliarde Franken zu. Die chinesischen Konsumenten kauften Luxusmarken wie Cartier, Piaget und Vacheron Constantin. Im Vorjahr registrierte man noch eine Zunahme von «nur» 25%. Diese Resultate machen aus Asien-Pazifik den stärksten Wachstumsmarkt für Richemont.
Laut Analysten dürfte diese Region für Richemont langsam Europa als wichtigsten Absatzmarkt ablösen.
Hunger nach Luxus
«Aus China ist eine Art Eldorado für Luxusprodukte geworden», sagt Christian Barbier, Verkaufsdirektor des Uhrenproduzenten Parmigiani. «Die Chinesen hungern nach Luxuswaren, die einen gewissen Wert verkörpern. Das gleiche Phänomen hatten wir in Russland vor zehn Jahren.»
Laut der Beraterfirma KPMG ist China nun nach Japan der zweitgrösste Nachfragemarkt für Luxusgüter. In einer Mitte 2010 publizierten Studie des Beratungsunternehmens steht, dass das chinesische «Superreichen-Segment» auch dann noch zunahm, als es global bereits zu wirtschaftlichen Turbulenzen kam.
«Im vergangenen Jahr mögen in China gut ausgebildete Junge und andere ähnliche Verbraucherschichten für bessere Löhne gekämpft haben. Doch überflügeln derzeit Privatunternehmen die ehemaligen Staatlichen als Generatoren des Wachstums. Das hat auch zu einer neuen Verbraucherelite geführt», so die Studie weiter.
Die chinesische Inlandnachfrage belebte sich 2008. Viele Uhrenmarken hätten deshalb die Zielrichtung ihres Marketings für 2009 und 2010 von Nordamerika weg in Richtung China geschwenkt, sagt Barbier.
Asien, speziell China, sei zum Ziel für ein kurzfristig starkes Wachstum geworden, sagt er, obschon die Konkurrenz in diesem High-End-Segment spürbar sei. «In den nächsten fünf Jahren werden die Marktpositionen abgesteckt sein, so dass die Eintrittsbarrieren nachher viel höher liegen werden», so Barbier.
Eier im Korb
Laut Experten haben Firmen, die vor zehn Jahren begonnen haben, in dieser Region zu investieren, einen klaren Vorteil und können bereits die ersten Ernten einfahren.
Parmigiani, die 1986 ins Geschäft einstieg und mit 500 Personen jährlich 5000 Luxusuhren herstellt, ist sich aber bewusst, nicht alle Eier in den chinesischen Korb zu legen.
Daher hat das Unternehmen drei Verkaufsplattformen entwickelt – in Fleurier (Schweiz), Miami (USA) und Hongkong (China) – und behält den «sehr wichtigen» US-Markt im Auge.
Die Position von Barbier und seinem Team ist damit dieselbe wie jene von Bernard Fornas, Präsident von Cartier International, der erst am Dienstag vor einer zu grossen Abhängigkeit vom chinesischen Markt gewarnt hat.
«Wir haben ergänzende Strategien für andere Regionen eingeführt. Auf keinen Fall vernachlässigen wir unsere anderen Märkte», erklärte er gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.
Cartier, das bereits mit 34 Verkaufsstellen in China präsent ist, will dieses Jahr 6 bis 7 weitere dazustellen und im Rest der Welt, so etwa auch in Abu Dhabi, 15 bis 20 neue Geschäfte eröffnen.
Der 21. Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) findet vom 17. bis 21. Januar im Palexpo-Messegelände in Genf statt. Die SIHH ist eine Händlermesse.
Folgende Uhrenfirmen präsentieren neue Modelle: A. Lange & Söhne, Alfred Dunhill, Audemars Piguet, Baume & Mercier, Cartier, Girard-Perregaux, Greubel Forsey, IWC, Jaeger-LeCoultre, JeanRichard, Montblanc, Officine Panerai, Parmigiani Fleurier, Piaget, Ralph Lauren Watch and Jewelry Co, Richard Mille, Roger Dubuis, Vacheron Constantin und Van Cleef & Arpels.
Die Genfer Time Exhibition, auch sie eine Händlermesse, findet vom 16. bis 21. Jaunar im Internationalen Konferenzzentrum statt. Etwa 60 kleinere, unabhängige und zum grössten Teil Schweizer Marken stellen ihre Uhren vor. Im Durchschnitt kosten sie 30’000 Franken.
Die grösste Uhrenmesse der Welt, die Baselworld, findet vom 24. bis 31. März in Basel statt.
(Übertragen aus dem Englischen: Alexander Künzle)
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