Fairer Handel ist möglich – wenn man denn will
Jede Landwirtschaftspolitik bestimmt das Leben von Bäuerinnen und Bauern – auch ausserhalb der Landesgrenzen. Die Landwirtschaft im globalen Süden leidet, wenn Europa nicht über den Kontinent hinausdenkt. Die Stellschrauben für mehr Fairness sind bekannt. Man sollte nun daran drehen.
Seit ich vor mehr als 15 Jahren für längere Zeit in Kamerun gelebt und gearbeitet habe, ist mir das zentralafrikanische Land eine zweite Heimat.
Bei einem Besuch vor fünf Jahren haben mir lokale Milchbauern erzählt, dass sie wegen billigem Milchpulver aus der EU ihre eigene Milch kaum mehr verkaufen können.
Ein Jahr zuvor war in der EU die Milchquotenregelung aufgehoben worden. Als Folge davon wurde in Europa deutlich mehr Milch produziert und anschliessend zu Dumpingpreisen überallhin verkauft – auch nach Afrika.
So hat die Liberalisierung des Milchmarktes in der EU die Milchbäuerinnen in Kamerun in Bedrängnis gebracht, wobei auch die europäischen Milchbauern nicht von dieser neuen Politik profitieren konnten.
Marktliberalisierungen im Agrarsektor bedeuten meist, dass sich ein paar Wenige eine goldene Nase verdienen und der Rest – in erster Linie die Bäuerinnen und Bauern weltweit – das Nachsehen hat.
Ich möchte hier aber nicht über den Handel schimpfen, schliesslich ist dieser nicht per se schlecht. Im Gegenteil, er trägt stark zur weltweiten Entwicklung bei. Ihm müssen nur die richtigen Leitplanken gesetzt werden.
Gleich mehrere UNO-Entwicklungsziele der Agenda 2030 unterstreichen die Relevanz eines fairen Handels. Beispielsweise das Entwicklungsziel 1, die Armut zu bekämpfen und das Ziel 8, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Doch die Herausforderungen sind gross, das Thema komplex. Bleiben wir zunächst bei den – aus Sicht des globalen Südens – zu billigen Importen. Zölle könnten hier die lokale Landwirtschaft schützen und bedrohte Arbeitsplätze erhalten.
Würden durch diese regulierenden Eingriffe jedoch nicht die Preise für die Lebensmittel der urbanen Bevölkerung steigen? In Ländern, in welchen die Menschen einen grossen Teil ihres Einkommens für Nahrung ausgeben, ist das eine zentrale Frage.
Deshalb muss der Fokus erst auf die Rolle der westlichen Industrieländer gelegt werden: Nachhaltig wäre eine Agrarpolitik, welche auf eine lokale Versorgung fokussiert und eben nicht auf eine Massenproduktion setzt, deren Überschüsse zu Dumpingpreisen in der Welt verscherbelt werden müssen. Dies wäre weit nachhaltiger jedenfalls als eine Politik, welche in erster Linie auf Wachstum aus ist.
Nebst den Importen in die Entwicklungsländer sind die Exporte aus ebendiesen ein wichtiger Teil des globalen Handels. Sie sorgen für Devisen und je nach Verarbeitungsgrad auch für Arbeitsplätze – was dringend nötig für die Bekämpfung der Armut ist.
Die Schweiz fördert Importe aus dem globalen Süden und gewährt daher Zollpräferenzen. Diese gelten allerdings nur für Rohstoffe. Für verarbeite Produkte müssen weiterhin Zölle bezahlt werden – hier gewichtet die Schweiz den Schutz der eigenen Wirtschaft höher.
Dieses Zollsystem muss angepasst werden. Denn sonst werden Entwicklungsländer auch weiterhin primär Rohstoffe exportieren können, welche dann in den Industrieländern verarbeitet werden. Paradebeispiele für die Schweiz sind der Kaffee und der Kakao.
Für die wirtschaftliche Entwicklung der ärmeren Länder ist es jedoch essenziell, dass in Zukunft mehr verarbeitete Produkte exportiert werden können, also jene, welche vor Ort Arbeitsplätze schaffen und Wertschöpfung generieren.
Allerdings führen nicht nur Zölle zu Problemen. Oftmals sind auch die geforderten Standards wie Ursprungszertifikate oder ökologische und sanitäre Standards ein Hindernis für den Export Richtung Norden. Deshalb ist es wichtig, dass die Schweiz im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die lokalen Produzentinnen darin unterstützt, diese Standards zu erfüllen.
Zusammengefasst ist es wichtig, dass Industrieländer, mit ihren Exporten nicht die lokalen Märkte zerstören. Gleichzeitig ist es zentral, dass der globale Norden die Entwicklungsländer darin unterstützt, dass sie die Exportrichtlinien gerade auch für verarbeitete Produkte erfüllen und zu fairen Preisen im Weltmarkt mitmischen können.
Erst wenn diese Punkte angegangen werden, kann der Handel zur Erreichung der Uno-Entwicklungsziele beitragen. Und dies ganz nach meinem Motto: Fairer Handel statt Freihandel.
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