COP26 : Die reiche Schweiz muss mehr Verantwortung übernehmen
Die Schweiz verfügt über die finanziellen Mittel und die Technologie, um ihre Emissionen drastisch zu reduzieren und bei internationalen Verhandlungen eine führende Rolle zu übernehmen. Aber sie muss ehrgeiziger sein, sagt Ludwig Luz, Präsident von Swiss Youth for Climate.
Die diesjährige UN-Klimakonferenz (COP26) , die in Glasgow stattfindet, ist die wichtigste seit der COP21 in Paris 2015. Die jüngste VeröffentlichungExterner Link des IPCC Reports der Vereinten Nationen (AR6 Climate Change 2021: The Physical Science Basis) zeichnet ein düsteres Bild. Dass es den Klimawandel gibt ist für die Wissenschaftler:innen unbestritten, und die Zeit zu handeln, eilt: Um die globale Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen – das immer ehrgeiziger anmutende Ziel des Pariser Abkommens – müssen die Emissionen weltweit bis 2030 halbiert und bis 2050 auf null gebracht werden.
Das Pariser Abkommen verpflichtet die Vertragsparteien, also alle nationalen Regierungen der Welt, national festgelegte Beiträge, sogenannte NDCs respektive Emissionsreduktionsverpflichtungen vorzulegen und ihre Ambitionen durch eine Aktualisierung ihrer NDCs alle fünf Jahre zu erhöhen. Die erste dieser Aktualisierungen ist für die COP26 in diesem Jahr vorgesehen. Bislang hat nur eine Handvoll Länder Massnahmen im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel eingeführt. Einige grosse Emittenten müssen auf dieser Konferenz noch ihre aktualisierten NDCs vorlegen.
Swiss Youth for Climate (SYFCExterner Link) wurde 2015 als politisch unabhängiger Verein gegründet und hat seither schnell an Popularität gewonnen. Der Verein hat ein umfangreiches Netzwerk in der Schweiz und im Ausland aufgebaut. Zu seinen Zielen gehören der Einsatz für eine «pragmatische und verantwortungsvolle» Klimapolitik auf nationaler und internationaler Ebene sowie die Sensibilisierung der Jugend für Klimafragen und Klimapolitik. Einige Vertreter:innen des Vereins nehmen an internationalen Klimaverhandlungen teil.
Als eines der reichsten Länder der Welt muss insbesondere die Schweiz mehr Verantwortung übernehmen. Die Revision des Schweizer CO2-Gesetzes (das wichtigste klimapolitische Instrument zur Umsetzung des Pariser Abkommens auf Bundesebene), die ehrgeizige Meilenstein für die Emissionsreduktion enthielt, wurde im vergangenen Juni leider abgelehnt.
Die bescheidenere Revision, die der Bundesrat vorgelegt hat, wird nicht in der Lage sein, dieselben Reduktionsziele zu erreichen. Sie setzt lediglich auf Anreize und finanzielle Unterstützung. Ausserdem wird nicht festgelegt, wie viel Prozent der Emissionen im Ausland kompensiert werden dürfen. Es ist ein erheblicher Mangel der Revision, da CO2-Kompensationen nur als letztes Mittel eingesetzt werden sollten und immer mit einem ehrgeizige Reduktionsziel auf nationaler Ebene, wie z.B. Netto-Null bis 2030 einhergehen sollten. Die Schweiz verfügt über die finanziellen Mittel, die Technologien und das Innovationspotenzial, um die Emissionen im eigenen Land zu senken.
Die letzten anderthalb Jahre wurden von der Covid-19-Krise überschattet. In der Folge wurde die COP26 von 2020 ins aktuelle Jahr verschoben. Noch immer aber erschwert die ungleiche Verteilung der Impfstoffe Ländern mit niedrigem Einkommen die Teilnahme, das gilt ganz besonders für Vertreter:innen der Zivilgesellschaft. Die Delegation von «Swiss Youth for Climate», welche am COP26 teilnehmen wird, ist sich diesem Privileg bewusst und wird unsere Politiker:innen drängen, bei den offiziellen Verhandlungen entsprechend zu handeln.
Die Eindämmung der globalen Erwärmung ist entscheidend. Da bereits heute Folgen des Klimawandels zu spüren und weitere unausweichlich sind, ist auch eine Anpassung an die neue Realität wichtig – in Siedlungsgebieten wie auch natürlichen Lebensräumen. Die durch die Klimakrise verursachten Verluste und Schäden müssen auf sozial gerechte Art und Weise bewältigt werden. Einkommensschwache Länder sind am stärksten davon betroffen und müssen dementsprechend finanziell unterstützt werden.
Bereits 2009 verpflichteten sich die Industrieländer, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Anpassung in Entwicklungsländern bereitzustellen. Dieses Ziel wurde bisher verfehlt. Wenn keine alternative Quelle für die Klimafinanzierung einkommensschwacher Länder gefunden wird, wird die Glaubwürdigkeit der Industrieländer Schaden nehmen. Das ist angesichts dessen, was auf der COP26 auf dem Spiel steht, nicht hinnehmbar. Die reichsten 10 Prozent der Welt sind für mehr als 50 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Da sie die Mittel dazu haben, müssen die reichen Länder vorangehen und ehrgeizige Reduktionsziele festlegen, um das Pariser Abkommen einzuhalten.
Ein weiteres Ziel der COP26 ist die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Unternehmen und der Zivilgesellschaft. Verhandlungen zwischen internationalen Führungspersönlichkeiten sind wichtig, aber sie können nicht nur zwischen Politiker:innen hinter verschlossenen Türen stattfinden. Auch die Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen. Die Stimme der Zivilgesellschaft muss gehört werden, da sie Transparenz und Verantwortlichkeit fördert. Zum ersten Mal hat die COP26-Präsidentschaft einen Beirat für die Zivilgesellschaft und die Jugend eingerichtet, um integrative Verhandlungen zu fördern. Wir begrüssen diese Bemühungen und hoffen, dass die Stimme der Jugend ernst genommen wird und der Prozess nicht nur symbolisch bleibt.
Wir erwarten ehrgeizige Ziele und eine rasche Umsetzung der beschlossenen Massnahmen, um die Emissionen in der Schweiz und weltweit zu senken. Die COVID-19-Krise hat uns gezeigt, dass ein Wandel notwendig und auch machbar ist – wir fordern einen grünen Aufschwung statt einer Rückkehr zur nicht nachhaltigen Vergangenheit. Entscheidungsträger:innen auf der ganzen Welt und unser Parlamentarier:innen müssen erkennen, dass die Entscheidungen, die sie heute treffen, Auswirkungen auf alle künftigen Generationen haben. Die Zeit läuft uns davon, wir müssen jetzt handeln!
*Der Text wurde von Ludwig Luz zusammen mit Clémence Ruegsegger, Jean-Valentin de Saussure, Miklós Veszprémi und Samia Borra verfasst.
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