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Covid-19: Schweiz hat nicht genügend getestet, um zweite Welle zu verhindern

Test coronavirus
Neben dem klassischen PCR-Test, der innerhalb von 24 bis 48 Stunden ein Ergebnis liefert, verfügt die Schweiz heute über Antigen-Schnelltests, die innerhalb von Minuten ein Ergebnis anzeigen. Obwohl sie eine grössere Fehlerquote haben, sind sie dennoch nützlich, insbesondere um die Infektionsketten schnell zu unterbrechen. Laure Wagner

Nachdem die Schweiz die erste Welle von Covid-19 im Frühjahr relativ unbeschadet überstanden hat, wurde sie im Herbst dieses Jahres von der zweiten Welle hart getroffen. Als einer der Gründe werden mangelnde Tests genannt. Warum wurden die Schweizerinnen und Schweizer weniger getestet als ihre europäischen Nachbarn? Und wo stehen wir heute?

Am 24. Juni gab der Bundesrat bekannt, der Bund übernehme die Kosten für sämtliche Coronavirus-Tests in allen 26 Kantonen. Erklärtes Ziel war es, das System zu vereinfachen und zu verhindern, dass einige Personen aus Angst vor Kosten auf das Testen verzichten.

Die Tests standen dann im Mittelpunkt der vom Parlament verabschiedeten TRIQ-Strategie – Testen, Rückverfolgung der Kontakte, Isolation und Quarantäne – zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie in der Schweiz. Man hoffte, mit der TRIQ-Strategie die erwartete zweite Welle in Schach halten zu können.

Fünf Monate später ist klar, dass diese Strategie gescheitert ist. Der Zugang zu Tests wurde nicht wirklich vereinfacht, und sie sind auch nicht für alle kostenlos. Gleichzeitig erscheint die Schweiz – insbesondere die französischsprachigen Kantone und allen voran Genf – regelmässig in den Top fünf der am stärksten von der Pandemie betroffenen Regionen Europas.

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Zu restriktive Zugangskriterien

In einem Informationsblatt vom 18. September gibt das Bundesamt für Gesundheit drei Kriterien an, die erfüllt sein müssen, damit die Kosten für den Screening-Test vom Staat übernommen werden: Die Person muss entweder Symptome von Covid-19 aufweisen, von der Swisscovid-App benachrichtigt worden sein oder vom Kantonarzt nach einem «engen Kontakt» mit einer infizierten Person zum Test aufgefordert worden sein.

Die Schweiz wendet somit wesentlich restriktivere Kriterien an als mindestens zwei ihrer grossen Nachbarn. In Deutschland sind Tests kostenlos auch für asymptomatische Personen, die in engem oder entferntem Kontakt mit einem positiven Fall standen, für Bewohner eines Gebiets mit hohem Kontaminationsrisiko oder für Personen, die aus einem Risikogebiet zurückkehren.

In Frankreich ist der Test für alle Personen gratis, die im Krankenversicherungssystem registriert sind. Es braucht keine ärztliche Verschreibung. Symptome sind keine Bedingung: Auch Personen, die für eine Auslandreise ein negatives Testergebnis brauchen, können sich kostenlos testen lassen.

Bis zu 48 Stunden Wartezeit

Im Übrigen weist der Bund darauf hin, dass die TRIQ-Strategie nur eine Empfehlung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ist und dass «ihre Umsetzung in der Verantwortung der Kantone liegt», denen es «freisteht, davon abzuweichen». In Genf beispielsweise muss man den Test zwingend in einem der von den Kantonsbehörden aufgelisteten sechs Zentren machen, wenn man die Kosten übernommen haben will.

In den Genfer Universitätskliniken mussten diesen Herbst einige Patientinnen und Patienten bis zu 48 Stunden auf einen Termin warten. «Von September an verzeichneten wir einen zunehmenden Patientenstrom bis zu einem Höhepunkt Mitte November», sagt Frédérique Jacquerioz, Assistenzärztin und Leiterin der Covid-Testzentren für Erwachsene am HUG.

«Um sie bestmöglich zu begleiten, haben wir auf unserer Website ein Triage-Verfahren eingerichtet: Bevor ein Termin vereinbart werden kann, muss der Patient einen Online-Fragebogen ausfüllen, anhand dessen wir feststellen können, ob er eine medizinische Beratung benötigt und in welches Zentrum wir ihn zur Untersuchung schicken.»

Aufgrund von Platzmangel mussten viele Menschen jedoch auf private Labors zurückgreifen und Kosten von mehr als 100 Franken auf sich nehmen, um sich testen zu lassen.

Frau mit Maske
Sandrine Duvernay, Pflegefachperson und Koordinatorin des neuen Rive-Droite-Zentrums in Genf. Mit etwa einem Dutzend Mitarbeitenden, «die meist von ausserhalb des Krankenhauses rekrutiert und am Arbeitsplatz geschult werden», kann sie bis zu 200 Tests pro Tag durchführen. Laure Wagner

Zu spät reagiert

Unabhängig vom Beispiel Genfs hat die Schweiz allgemein in diesem Sommer «ihre Bevölkerung nicht genügend getestet», sagt Didier Pittet, Professor und Chefarzt der Abteilung für Prävention und Kontrolle von Infektionen am HUG. Die Schweiz habe die Zunahme der Endemizität des Virus nicht kommen sehen.

Gemäss Daten der Universität Oxford haben sich zwischen dem 11. Juli und dem 29. August in der Schweiz durchschnittlich 5,3 von 1000 Personen pro Woche testen lassen, verglichen mit 8 in Frankreich und Deutschland und sogar 17,6 in den Vereinigten Staaten. Pittet erwähnt auch eine gewisse «Lässigkeit» der Behörden und der Schweizer Bevölkerung während des Sommers.

Diesen Eindruck hat auch Arthur Germain, Mitbegründer von Onedoc, der ersten Schweizer Plattform für das digitale Vereinbaren von Arztterminen: «Wir waren alle überrascht von der Geschwindigkeit der zweiten Welle. Zu Beginn des Sommers dachten wir, dass der grösste Teil der Coronavirus-Epidemie hinter uns liegt.» Aber am Ende des Sommers hätten die grossen Spitäler Onedoc um Hilfe bei der Vereinbarung von Terminen für PCR-Tests gebeten. «Da wurde uns die Lage klar.»

Heute bietet Onedoc mehr als 50 Zentren für PCR-Tests in der ganzen Schweiz an. Bis Ende November waren mehr als 105’000 Termine online gebucht worden. «Wir hätten besser vorausschauen können, das ist sicher, aber ich glaube, wir haben es geschafft, ziemlich schnell zu reagieren», sagt Germain.

Gedrängel um Schnelltests

Was ist mit Antigentests? Am Mittwoch, 28. Oktober, kündigte der Bundesrat mit grossem Tamtam an, dass diese berühmten «Schnelltests» bereits in der folgenden Woche in den Apotheken erhältlich sein werden. Anfang November besuchten wir mehrere Apotheken in Genf, aber keine von ihnen konnte die Nachfrage befriedigen.

«Am Tag nach der Pressekonferenz erhielten wir viele Anrufe, aber wir waren vorher überhaupt nicht gewarnt worden», sagt Julia, eine Pharma-Assistentin in Genf. «In den darauf folgenden Tagen erhielten wir ein Rundschreiben des Kantonsapothekers, wir sollten uns auf eine Warteliste eintragen, um die für die Durchführung dieser Tests erforderliche Ausrüstung und Ausbildung zu erhalten.»

Julias Apotheke hat bis heute noch kein Feedback zu diesem Thema erhalten. Auf Anfrage von swissinfo.ch teilt der Kantonsapotheker mit, die Apotheken erhielten ab Ende November nach und nach das Material.

Auf nationaler Ebene ist die Situation nicht besser. Mitte November boten in der ganzen Schweiz nur vier Apotheken den Onedoc-Schnelltest an. Damit wird das vom Gesundheitsminister Alain Berset gesetzte Ziel von 50’000 Tests pro Tag weit verfehlt. Und auch hier hinkt die Schweiz ihren europäischen Nachbarn hinterher. In Frankreich sorgte der Verband der Apothekergewerkschaften dafür, dass in mehr als 50% der Apotheken des Landes Antigentests zur Verfügung stehen. Deutschland hat Ende September damit begonnen, diesen Service in Apotheken und Labors anzubieten.

Obwohl Schnelltests weniger zuverlässig sind, sind sie dennoch ein wertvolles Instrument im Kampf gegen Covid-19, als Ergänzung zu PCR-Tests. Sie können die Testkapazität erheblich steigern und die Infektionsketten schnell unterbrechen, insbesondere im Zusammenhang mit Massenscreening-Kampagnen, wie sie Anfang November in der Slowakei durchgeführt wurden. «Heute haben dies die Testzentren und Apotheken in der Schweiz verstanden», sagt Germain. «Sie bereiten sich darauf vor, auf eine solche Nachfrage zu reagieren.»

Sibilla Bondolfi

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