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Daniel Vasella: Der Mann mit den zwei Gesichtern

Sein Lohn gab in der Presse mehr zu reden, als seine Verdienste für Novartis. Reuters

Die Presse ist sich einig: Mit Daniel Vasella tritt eine Schlüsselfigur in der ganzen Debatte um überhöhte Managerlöhne, Boni und Abzocker von der Bühne. Die Ankündigung seines Rücktritts kam für alle überraschend.

«300 Millionen in elf Jahren», «Polarisierend bis zum Schluss», «Brillanter Konzernchef – und Reizfigur par excellence», «Bezahlt − selbst fürs Nichtstun». So und ähnlich titeln am Donnerstag die Schweizer Zeitungen.

Sie beziehen sich allesamt auf die Rolle, die Vasella während Jahren als bestverdienender Topmanager der Schweiz gespielt hatte. Sein zweistelliges Millionensalär hatte fast jedes Jahr zu Kontroversen geführt.

«Er bezog Jahr für Jahr so exorbitante Entschädigungen, dass er zum Oberabzocker der Nation aufstieg – und einer der Auslöser für die Minder-Initiative wurde», schreibt der Kommentator von Der Bund und Tages-Anzeiger. Über die so genannte Abzocker- oder Minder-Initiative wird das Schweizer Stimmvolk am 3. März abstimmen. Aktionäre sollen das Recht erhalten, über die Löhne von Topmanagern zu bestimmen.

Diese Abstimmung habe «auch mit den Bezügen Daniel Vasellas zu tun, die regelmässig die höchsten im Kreis der börsenkotierten Schweizer Firmen waren», schreibt die Basler Zeitung.

Vasella habe seine Pensionskassen-Zahlungen nicht zweimal nachrechnen müssen, bevor er sich zum Rücktritt entschieden habe, kommentiert Le Matin. «Noch besser, mit seinem Abgang hat er sich den Luxus gegönnt, Thomas Minder in die Enge zu treiben.» Minder müsse nun zuschauen, wie mit Vasella das beste Abzocker-Beispiel die Szene verlasse.

Die vom Unternehmer Thomas Minder lancierte Initiative «gegen die Abzockerei» verlangt einen Verfassungsartikel, der eine Reihe von Bestimmungen enthält, die das Recht der Aktionäre von börsenkotierten Schweizer Unternehmen verstärkt.

Damit soll verhindert werden, dass Topmanager sich exorbitante Löhne bezahlen können, ohne Bezugnahme auf die Resultate ihrer Firmen.

Der Verfassungstext überträgt der Generalversammlung die Kompetenz, jedes Jahr alle Mitglieder des Verwaltungsrats zu wählen.

Die Aktionäre können die Höhe der Vergütungen des Verwaltungsrats, der Geschäftsleitung und des Beirats der Direktion bestimmen.

Die Organmitglieder erhalten keine Abgangs- oder andere Entschädigung, keine Vergütung im Voraus, keine Prämie für Firmenkäufe und -verkäufe. Die Stimmabgabe durch Vertreter ist untersagt.

Das Volk kann am 3. März 2013 darüber abstimmen. Im Fall einer Ablehnung würde der indirekte Gegenvorschlag des Parlaments in Kraft treten.

Dieser verlangt eine Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts und nimmt einen grossen Teil der in der Abzocker-Initiative geforderten Massnahmen auf, wenn auch in abgemilderter Form.

«Flüchtet Vasella vor Minder?»

Der Blick fragt sich daher, ob Vasellas Ankündigung, sich an der Generalversammlung vom 22. Februar nicht mehr zur Wiederwahl zu stellen, etwas mit dem kurz darauf folgenden Abstimmungswochenende zu tun hat.

Wie stark er mit diesem Schritt «den anstehenden Entscheid über die Abzocker-Initiative an der Urne beeinflusst, kann erst nach dem 3. März abschliessend beurteilt werden. Dass Vasella mit seinem überhastet wirkenden Abgang vor dem Abstimmungstermin auf die Debatte einwirkt, liegt jedoch schon jetzt auf der Hand», so das Boulevardblatt.

Dass er selber entschieden gegen die Abzocker-Initiative sei, habe er bei seiner Rücktrittsankündigung mehrmals deutlich gemacht. «Just gestern hat er aber eher den Befürwortern geholfen.»

Der Blick hat ausgerechnet, dass Vasella in den letzten elf Jahren «bis zu 300 Millionen Franken eingestrichen hat». Wie viel er nach dem Abgang als Entschädigung für das Konkurrenzverbot erhalte, bleibe unklar. «Er wehrte die Frage wie so oft mit einem Lächeln ab. Und heizt damit die Spekulationen an, er könnte weitere Millionen quasi fürs Nichtstun garnieren.»

«Zeit, zu gehen»

Dies stösst auch dem Kommentator von Tages-Anzeiger und Der Bund sauer auf. Vasella habe bereits 2010 eine Extrazahlung von 12 Millionen Franken «als Zustupf fürs Alter» erhalten. Doch nun solle er noch während weiteren Jahren Zahlungen erhalten. «Der Vertrag bleibt Geheimsache. Nicht einmal minimalste Grundregeln einer guten Corporate Governance konnte der Verwaltungsrat gegen die Macht ihres Präsidenten durchsetzen. Höchste Zeit, dass er geht.»

Zwar sei unbestritten, dass der Arzt Vasella «als Manager, der Novartis nach der Fusion von Ciba und Sandoz ab 1996 zu einem weltweit führenden Pharmakonzern geformt hat», «Herausragendes geleistet» habe. Doch habe er den rechtzeitigen Absprung verpasst. In der Schlussphase seiner Aktivitäten sei er für das Unternehmen «mehr Hypothek denn Aktivposten» gewesen. «Wäre es anders, hätte Novartis gestern einen Kurssturz erlebt.»

Daniel Vasella, der Verwaltungsrats-Präsident des Schweizer Pharmakonzerns Novartis, wird sich an der Generalversammlung im Februar nicht zur Wiederwahl stellen.

Seine Nachfolge soll im August der Deutsche Jörg Reinhardt antreten.

Vasella ist 1988 bei Sandoz eingestiegen. Anlässlich der Fusion mit Ciba-Geigy 1996 wurde er zum Chef des neuen Unternehmens Novartis berufen.

2010, nach 14 Jahren als Generaldirektor, überliess Vasella den Posten Joe Jimenez, blieb aber Verwaltungsrats-Präsident.

Vasella ist seit 1978 verheiratet mit Anne Laurence, der Nichte des ehemaligen Sandoz-Chefs Marc Moret.

«Eine Nummer zu gross»

Vasella habe nicht nur Novartis geprägt, sondern den Industriestandort Schweiz, schreibt die Neue Zürcher Zeitung. «Gleichwohl war er für das Land zuweilen eine Nummer zu gross.» Er sei von vielen bewundert oder aber angefeindet worden – und für beides habe es «immer gute Gründe» gegeben.

«Die Art und Weise, wie er zäh und zielstrebig zwei mittelgrosse Firmen zu einem schlagkräftigen neuen Unternehmen zusammenfügte, das sich in der Pharma-Welt nicht nur behaupten konnte, sondern meist an vorderster Front mitwirkte, verdient grösste Anerkennung.»

Er sei überdies für die «Swissness» des Konzerns gestanden, «ein Etikett, das es angesichts der Globalisierung der Firma sorgsam zu bewahren galt». Mit der «Amerikanisierung von Novartis» hätten aber auch die Pharma-Manager «mit einem Mal astronomische Beträge» verdient.

Damit seien Grenzen überschritten worden: «Hatte man in der Schweiz die Internationalisierung von Novartis noch mit Wohlwollen und Stolz zur Kenntnis genommen, war das Verständnis für die Internationalisierung der Löhne gering. Novartis war für das Schweizer Empfinden nie zu gross, wohl aber Vasellas Lohn.»

Der künftige Weg von Novartis

Zur Zeit der Bilanz werde man in Betracht ziehen müssen, dass Vasella es geschafft habe, «an der Kreuzung von Forschung und Geschäft ein solides Unternehmen aufzubauen, das zum wirtschaftlichen Renommee der Schweiz beiträgt», schreibt Le Temps.

Und wie geht es mit Novartis ohne Vasella weiter? «Die Chancen stehen gut, dass Novartis nach einem weiteren Übergangsjahr im 2014 dann die Früchte der von Vasella aufgegleisten und von CEO Jimenez umgesetzten Strategie ernten kann. Optimistisch stimmt, dass die Produktivität der Forschung über dem Schnitt der Branche liegt», kommentiert die Basler Zeitung.

Vasella habe zwar das Gebäude noch nicht verlassen, «doch das Gerede um die neue Novartis ist bereits hörbar» schreibt die Financial Times. Nun stelle sich die Frage, ob Veränderungen nötig seien. Die FT beantwortet dies mit einem klaren «Ja.»: «Novartis sieht eher wie ein Konglomerat als wie eine Pharmafirma aus.» Der «Kaufrausch der Ära Vasella» müsse nun eingebettet werden – und die 33-prozentige Beteiligung am Konkurrenten Roche «bleibt ein Fragezeichen».

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