Das Geschäft mit dem Zweifel
Der Basler Historiker Daniele Ganser referiert im deutschsprachigen Raum über Weltpolitik und Medien. Der Rhetoriker ist mit seinem Hang zu Verschwörungstheorien umstritten und beliebt zugleich. Rapport eines seiner vielen Auftritte, erschienen in der Berner Zeitung.Externer Link
Hunderte Menschen strömen an diesem Abend ins Kultur- und Kongresszentrum von Thun. Im Eingangsbereich möchte eine Frau noch ein Ticket erwerben – «Leider ausverkauft», sagt die Kassiererin.
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Wer ist Daniele Ganser?
Der Besucher erhält den Eindruck: Hier geht es um Friedensförderung, um erneuerbare Energie, aber auch um Medien- und Globalisierungskritik. Diese Ansicht teilt Niccolo Zaccaron, der den Anlass zusammen mit Freunden organisiert hat. «Ich finde, dass Daniele Ganser ein guter Botschafter für diese Anliegen ist.»
«Er vermittelt Komplexität in einfachen Worten»
Ganser ist einer der populärsten Historiker im deutschsprachigen Raum. Er sorgt immer wieder für Schlagzeilen, jüngst mit seinem Auftritt in der Politsendung «Arena» des Schweizer Fernsehens, in der er als Verschwörungstheoretiker bezeichnet wurde. Das Image des geschassten ETH-Historikers, der unbequeme Fragen stellt, ist ein Grund, warum sich viele Menschen für ihn interessieren. Doch es ist nicht der Einzige.
Das Image des geschassten Historikers, der unbequeme Fragen stellt, ist ein Grund für das Interesse an Ganser. Aber nicht der Einzige.
«Die politische Weltlage ist äusserst kompliziert, und Herr Ganser schafft es, diese Komplexität in einfachen Worten seinen Zuschauern zu vermitteln», sagt etwa Zuhörer Maximilian Länzlinger aus Thun im Vorfeld der Veranstaltung. Melanie Gfeller aus Bern sagt: «Daniele Ganser stösst meiner Meinung nach Gedankengänge bei Themen an, bei denen Medien für mich unbefriedigende Antworten liefern.»
Ganser betritt die Bühne.
Der 44-Jährige lächelt, doch das Thema ist ernst: die Weltpolitik der USA. «Wenn wir über Amerika sprechen, müssen wir bedenken, dass die USA noch immer in einem Schockzustand sind», sagt Ganser. «Wegen der Terroranschläge vom 11. September 2001.»
«Die USA führen verbotene Angriffskriege»
Dieser Schock würde noch heute ausgenützt von der US-Regierung, um Kriege zu legitimieren. Ganser referiert, dass fast alle Militärschläge der USA in der jüngsten Zeit illegal gewesen seien – «es sind Angriffskriege ohne UNO-Mandat.» Der aktuelle US-Präsident Donald Trump sei denn auch kein bisschen besser als seine Vorgänger: «Mit dem Raketenangriff auf Syrien ist auch er zum Kriegsverbrecher geworden.»
Lügen, Kriege: Das Imperium
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In seinem zweistündigen Referat zeigt Ganser aus seiner Sicht auf, wie die USA in der Vergangenheit mithalfen, demokratisch gewählte Regimes zu stürzen, und wie die US-Regierung Lügen verbreitete, um Kriege zu rechtfertigen. Das Imperium, wie er die USA nennt, steht bei Ganser im Fokus der Kritik. Über russische imperialistische Tendenzen spricht er nicht. Doch er betont: «Ich hasse Amerika nicht und schon gar nicht das amerikanische Volk. Es wird belogen und getäuscht – genau wie wir.»
Ganser tut etwas, das in der schnelllebigen Gesellschaft oft vernachlässigt wird: Er veranschaulicht und kritisiert grundsätzliche Probleme wie Ressourcenkriege, Vetternwirtschaft oder Kriegspropaganda und beruft sich dabei auf humanistische Prinzipien. Doch er belässt es nicht dabei.
Es sei möglich, dass die Terroranschläge in New York, Berlin oder Paris nur inszeniert worden seien, schlussfolgert er.
Gegen Ende seines Vortrages tut Ganser das, wofür er oft kritisiert wird: Er stösst in den Bereich der Verschwörungstheorien vor. «Wie wissen wir, dass es Muslime waren, die die Terroranschläge von 9/11 ausführten?», fragt er und zeigt ein Foto der einstürzenden Zwillingstürme – «wegen eines Passes, der hier gefunden wurde». Lachen im Publikum.
Ganser erwähnt das «dritte Gebäude», World Trade Center 7, das am 11. September symmetrisch einstürzte. «Es war Feuer oder Sprengung», sagt er und spricht über den Umstand, dass viele Attentäter ihre Pässe am Tatort vergessen. Es sei möglich, dass die Terroranschläge in New York, Berlin oder Paris nur inszeniert worden seien, schlussfolgert er.
Vielen ist klar: Ganser war gut
Ganser umgeht elegant, dass die alternativen Erklärungsansätze, die er einbringt, auf sehr wackligen Beinen stehen. Das Publikum stört dies nicht. Es applaudiert, viele nicken zustimmend. Nach dem Vortrag ist für viele klar: Ganser war gut.
Auch für Maximilian Länzlinger: «Ganser sagt nicht, dass gewisse Ereignisse unserer Geschichte in Wahrheit anders abliefen. Er weist vielmehr darauf hin, dass es beispielsweise bei 9/11 Ungereimtheiten gibt, die er gern untersuchen möchte. Mich überzeugt diese Herangehensweise.»
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