Das bringt die Wintersession für Ausgewanderte
Die Wintersession bringt einige Themen, die Sie als Auslandschweizer:innen direkt betreffen. Es geht ums Erbrecht in Europa. Und es gibt Streit um die Schweizer Aussenpolitik.
Es ist eine weitere Schweizer Anpassung an EU-Recht, doch der Teufel steckt im Detail. Für viele Auslandschweizer:innen hat die aufgelegte Gesetzesänderung im neuen Bundesgesetz über das Internationale PrivatrechtExterner Link jedoch positive Folgen. Sie profitieren von mehr Klarheit bei grenzüberschreitenden Erbfällen.
Ein Beispiel dafür wäre eine Schweizer Bürgerin, die in Frankreich wohnt und dort verstirbt. Hatte sie Vermögenswerte in beiden Ländern, wird es heute kompliziert. So kann es sein, dass ihr Testament dem Schweizer Recht folgt – und dass sich gleichzeitig französische Behörden für zuständig erklären. Im schlimmsten Fall kann es zu zwei Entscheiden kommen, die sich erst noch widersprechen.
«Es besteht in einem solchen Fall die Gefahr, dass die Behörden beider Staaten in der gleichen Sache tätig werden», sagte die Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter im Ständerat, als sie die Gesetzesänderung im Parlament mit dem genannten Beispiel erklärte.
Beim Erbrecht will der Bundesrat solche Kompetenzkonflikte mit den EU-Staaten minimieren. Für die 450’000 Schweizer:innen, die Wohnsitz in der EU haben, wächst damit die Recht- und Planungssicherheit. Das Bedürfnis ist also ausgewiesen.
Finanzministerin Keller-Sutter sagte im Rat dazu: «Unsere Gesellschaft wird immer mobiler. Immer mehr Menschen verbringen einen Teil ihres Lebens im Ausland.»
Knifflige Fragen um Vor- und Nachteile
In der Wintersession der eidgenössischen Räte, die am 4. Dezember beginnt, kommt die Gesetzesrevision nun zum Abschluss. Es braucht nur noch die Bereinigung letzter Differenzen zwischen den beiden Parlamentskammern.
Diese drehen sich aber um knifflige Fragen. Es geht um die Rechte von Schweizer Einfach-Bürger:innen und jene von Doppelbürger:innen – und um das Prinzip der Rechtsgleichheit. Weil Doppelbürger:innen bei grenzüberschreitenden Erbfällen naturgemäss mehr Optionen haben, sieht der Ständerat diese rechtlich im Vorteil – und die Rechtsgleichheit verletzt.
Er will, dass diese, wenn sie die Wahl haben, systematisch das Schweizer Recht wählen müssen. Der Nationalrat hat sich dagegen gesperrt. Gesucht wird nun ein Kompromiss. Man muss wissen: Drei von vier Auslandschweizer:innen haben eine Doppelbürgerschaft.
Artverwandt, aber spezifischer, ist eine ebenfalls hängige Motion: Sie nimmt sich eine Ungerechtigkeit bei Erbschaftssteuern von grenzüberschreitenden Erbfällen zwischen Frankreich und der Schweiz vor. Da kommt es zuweilen zu doppelten Besteuerungen.
Diese sollen mit Frankreich wegverhandelt werden, fordert Mitte-Nationalrat Vincent Maitre in einer MotionExterner Link, die der Nationalrat bereits angenommen hat. Aktuell ist der Vorstoss nicht traktandiert. Über die Thematik haben wir hier vertieft berichtet.
Schweiz-EU: Das Parlament greift ein
Kurz vor Abschluss steht ein weiterer Vorstoss in Sachen Schweiz-EU. Mit ihm fordert das Parlament mehr Kontrolle und Mitwirkung in diesem zentralen Dossier. Das Problem: Da die Schweizer Aussenpolitik grundsätzlich in den Händen der Regierung liegt, bleibt das Parlament jeweils aussen vor, auch bei den aktuellen Beziehungs-Gesprächen zwischen Bern und Brüssel.
Die Parlamentarische Initiative der Aussenpolitischen KommissionExterner Link des Nationalrats fordert nun zumindest eine Mitsprache in den bereits bestehenden Programmen, für die der Bund auch Geld ausgibt.
Konkret geht es um etwa Horizon oder Erasmus, aber auch um Filmförderung. Der Vorstoss ist mit 44 Mitunterzeichnenden breit abgestützt, vom Bundesrat befürwortet, vom Nationalrat angenommen. Es fehlt jetzt nur noch der Ständerat. Dieser entscheidet am 12. Dezember.
Ein Update für die Aussenwirtschaft
Mehr Mitsprache in der Aussenpolitik fordern die Parlamentarier:innen ganz grundsätzlich – und mit zunehmendem Nachdruck. Fast in jeder Session kommen neue Vorstösse dazu. Je vielfältiger die Krisen der Welt, desto exponierter erscheint die Schweiz darin mit ihren Wirtschaftsbeziehungen, sei es mit China, Russland oder dem Iran – und das interessiert wiederum die Politik.
Diesmal geht es um Kontrolle und Transparenz am Anfang des Prozesses, dann, wenn die Schweiz mit anderen Ländern Abkommen anbahnt, verhandelt oder abschliesst. Doch das Ziel ist weit grundsätzlicher: Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats bereitet mit ihrem Postulat für eine Revision des AussenwirtschaftsgesetzesExterner Link den Boden für ein grösseres Update der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik: Mehr Transparenz, mehr Risikomanagement, mehr Demokratie.
Denn Bundesrat und Aussenministerium würden bei Umsetzung dieses Postulats die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen nicht mehr allein gestalten können, sondern nur noch in enger Absprache mit dem Parlament, und es gäbe auch eine Referendumsmöglichkeit.
«Über ein umfassendes Aussenwirtschaftsgesetz soll eine solide Rechtsgrundlage für die Aussenwirtschaftspolitik der Schweiz geschaffen werden», heisst es. Erst einmal soll der Bundesrat aber diese Idee prüfen und dazu Stellung nehmen.
Streit um Taiwan
Ein Kuriosum stellt schliesslich eine Motion bezüglich Taiwan dar. Der Nationalrat entschied im Mai, er wolle mit dem Parlament Taiwans intensiver zusammenarbeiten. Es war ein politisches Signal der grossen Kammer, welches dieser von China bedrängten Demokratie den Rücken stärkt, ohne dass die offizielle Schweiz sich deswegen exponieren müsste.
Der Haken ist: Die Schweiz hat zwei Parlamentskammern, Taiwan nur eine. Eine Motion der SVPExterner Link im Ständerat will den davongaloppierten Nationalrat nun wieder an die Zügel nehmen und eine «irreführende Aussenwirkung vermeiden». Eine Kammer allein dürfe keine Beziehungen zu anderen Parlamenten aufnehmen, lautet die Forderung der SVP. Kommt sie durch, dürfte das China gefallen.
Geschäfte zu Schweizer Abkommen mit KoreaExterner Link (Freihandel), IndonesienExterner Link (Investitionen) und den Vereinigten Arabischen EmirateExterner Link (Doppelbesteuerung) sind in der Wintersession ebenfalls traktandiert.
Der Bundesrat antwortet an der Frage vorbei
Vor Beginn der neuen Legislatur sind auch die Antworten des Bundesrats auf drei Vorstösse eingetroffen, welche Auslandschweizer:innen direkt betreffen. Vertreter der Grünliberalen Partei hatten sie noch kurz vor Abschluss der letzten Legislatur eingereicht. Traktandiert sind sie noch nicht, die Antworten des Bundesrats aber aufschlussreich.
Zunächst eine Interpellation zur Problematik von RentenlückenExterner Link, die entstehen können, wenn man als Schweizer:in einen Teil der Berufsbiografie im Ausland verbringt. Vor allem der zweiten Säule, in der der Pensionskasse, sei die Situation unübersichtlich, argumentiert Nationalrätin Melanie Mettler. Sie fordert: «Eine Rückkehr in die Schweiz mit einer sicheren Altersvorsorge muss gewährleistet werden können.»
In seiner Antwort gibt der Bundesrat der Interpellantin recht. «Angesichts des Lohngefälles ist bei internationalen Biografien die Gesamtrente normalerweise tiefer als bei schweizerischen Biografien», schreibt er. In der Folge argumentiert die Regierung aber ausschliesslich in Bezug auf die erste Säule, die obligatorische Altersversicherung, die in den Augen der Interpellantin kaum ein Problem darstellt.
Schliesslich schmettert die Regierung die Idee ab: Massnahmen seien nicht erforderlich. Bemerkenswert die Begründung: «Es ist nicht die Aufgabe der schweizerischen Rentenversicherung Personen, die im Ausland erwerbstätig und versicherungspflichtig sind, dasselbe Rentenniveau zu gewährleisten wie Personen, die nur in der Schweiz tätig waren.» Affaire à suivre.
Die PACS sind auf dem Weg
Eine weitere MotionExterner Link verlangt, dass die Schweiz die französischen PACS (pacte civil de solidarité) anerkennt. Das sind eine Art eingetragene Partnerschaften, verbindlicher als Konkubinate, weniger bindend als die Ehe. In Frankreich ist diese Rechtsform für Lebensgemeinschaften so gebräuchlich wie die Ehe, in der Schweiz aber nicht anerkannt. Für die 200’000 Schweizer:innen, die in Frankreich leben, führt dies zu Rechtsunsicherheiten.
Antwort der Regierung: Zurzeit laufen im Ständerat gesetzgeberische Arbeiten mit dem Ziel der Einführung eines PACS in das Schweizer Recht. «Im Rahmen dieser Arbeiten wird auch die Frage der Anerkennung und der Wirkungen ausländischer PACS zu prüfen sein.»
Eine InterpellationExterner Link verlangte zudem Auskunft über allfällige Ausbaupläne des Schweizer E-Voting-Versuchsbetriebs. Antwort des Bundesrats: Das entscheiden die Kantone. Tatsächlich hat sich letzte Woche der Graubünden als vierter aller Schweizer Kantone der E-Voting-Versuchgruppe angeschlossen
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