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Das gierige Spiel der Kakao-Spekulanten

Arbeiter verladen Kakaobohnen auf ein Schiff in der Elfenbeinküste. Keystone

Schokolade, der schmelzend-zarte Genuss für Gaumen und Seele, dürfte bald teurer werden. Der Grund sind schlechtere Ernten und Spekulanten, welche die Kakaopreise nach oben treiben.

Im Juli stiegen die Thermometer in der Schweiz auf sommerliche Höchststände. Da assen die meisten wohl eher ein Eis denn davonlaufende Schokolade.

Gleichzeitig kletterten die Preise für Kakao so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Und dort oben werden sie auch eine Weile bleiben, glauben Branchenkenner.

Im Gegensatz zu den Juli-Temperaturen ist die Kakao-Hausse aber von Menschen gemacht. Genauer vom Hedge Fund Armajaro, wie Schweizer Schokoladehersteller kritisieren. Dieser horte Kakao in riesigen Mengen und verknappe so künstlich das Angebot auf dem Weltmarkt. Das treibe den Preis nach oben.

Kakao im Bunker

Armajaro soll 7% der weltweiten Kakaovorräte bunkern. Gleichzeitig setze der Hedge Fund grosse Wetten auf den Rohstoffpreis für Kakao.

Diese dreiste Praktik sorge für die Volatiliät der Kakao-Preise, klagt man bei Barry Callebaut. Die Schweizer Nummer 1 der weltweiten Schokoladeproduzenten beliefert in erster Linie Industriekunden wie Nestlé.

«Hedge Funds haben in den letzten sechs Monaten im Kakaomarkt interveniert», klagte Barry-Callebaut-Chef Jürgen Steinemann schon früher in diesem Jahr. «Dort gehören sie aber nicht hin, denn die Schokoladekäufer werden den Preis bezahlen müssen.»

Wette auf Preisanstieg

Der in der Schweiz tätige Rohstoff-Experte Emmanuel Fragniere erklärte gegenüber swissinfo.ch, was die Absichten hinter solchen Marktinterventionen sind. «Spekulanten wollen lediglich Turbulenzen verursachen, so dass sie mit ihren Wetten Gewinne einfahren können.»

Hedge Funds pumpten viel Geld in die Rohstoffmärkte und hätten damit die Türe zur Volatilität aufgestossen. «Die Rohstoff-Industrien sind heute den Hedge Funds ausgeliefert», konstatiert Fragniere gar.

Anbau verbessern

Die Hausse kann aber nicht allein den Spekulanten in die Schuhe geschoben werden. Denn die Kakaopreise zeigen seit sieben Jahren steigende Tendenz.

Verantwortlich ist auch ein Missmanagement der Plantagen in vielen Anbauländern. Die Elfenbeinküste, immerhin grösster Kakao-Produzent der Welt, fährt dieses Jahr die zweite Missernte in Folge ein.

Der Schweizer Nahrungsmittelriese Nestlé initiierte deshalb den millionenschweren so genannten Kakao-Plan. Ziel des Plans ist die Verbesserung der Anbaumethoden, unter anderem mit der Saat von neuen Kakaopflanzen in der Elfenbeinküste.

Die Hausse hat da und dort tatsächlich schon auf die Schokolade in den Verkaufsregalen durchgeschlagen, wenn auch nur um ein paar Rappen.

Auch Barry Callebaut sieht keinen anderen Ausweg, als die gestiegenen Rohstoffpreise auf die Kunden zu überwälzen. Dies deshalb, weil bei der «Industrieschokolade» die Rohstoffpreise den Hauptbestandteil des Preises ausmachen.

Dennoch: Einen Preisschock haben aber Schweizer Schoggi-Geniesserinnen und –Geniesser nicht zu befürchten.

Oberes Preissegment weniger betroffen

Bei Lindt & Sprüngli etwa, wo Schokolade mit einem Hauch Luxus angereichert wird, spielt der Anteil der Rohstoffe bei der Preisgestaltung eine geringere Rolle als bei Anbietern von günstiger Schokolade für den Massenmarkt.

«Bei der günstigen Schokolade sind die Margen dünner», sagt Branchenkenner James Amoroso gegenüber swissinfo.ch. » In diesem Segment können Hersteller entweder die Preise erhöhen, oder sie fahren Verluste ein.»

Dazu gilt es zu bedenken, dass Kakao zwar wichtigster Rohstoff für die Herstellung von Schokolade ist. Für die Herstellung von Biskuits mit Schokoladeüberzug etwa aber ist Kakao nur eine Zutat unter vielen.

«Die Preise werden insgesamt leicht nach oben gehen, aber auf die Verkäufe wird das kaum einen Einfluss haben», ist Amoroso überzeugt.

«Die Menschen kaufen Schokolade, weil sie sie lieben. Nur ein starker Preisaufschlag könnte sie davon abhalten.» Das heisst, dass die Schweizer voraussichtlich Weltmeister im Schoggiessen bleiben, mit einem Pro-Kopf-Konsum von 11,7 Kilogramm im letzten Jahr.

Matthew Allen, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Erstmals seit sechs Jahren ging 2009 der Verkauf von Schokolade um knapp 6% zurück.

Insgesamt wurden 174’109 Tonnen Schokolade im Wert von 1,7 Mrd. Franken verkauft (Quelle: Chocossuisse, Branchenverband).

Knapp 61% der Schweizer Schokolade wurde im Ausland verkauft.

Der Rückgang wird mit der Wirtschaftskrise erklärt, in deren Zug weniger Touristen in die Schweiz kamen, sowie mit dem hohen Frankenkurs.

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