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Das letzte Schweizer Chalet von Messina

costruzione in legno
Das letzte verbliebene Chalet ist heute baufällig, aber diese alten Holzplanken erzählen eine Geschichte der Solidarität. tvsvizzera

Für viele in Messina ist "Villaggio Svizzero" nur der Name eines Stadtviertels. Dass er an die Hilfe der Schweiz nach einem schrecklichen Erdbeben erinnert, wissen nur wenige. Von der einstigen Siedlung steht nur noch ein kleines Haus.

Wer in Messina nach dem Weg zum Swiss Village fragt, erfährt in der Regel genau, wo es steht. Aber auf die Frage, woher der Name dieses Gebiets stammt, wissen viele keine Antwort. Das mag daran liegen, dass vom Villaggio Svizzero fast nichts mehr übrig ist. Und dass seit dem Bau der Siedlung mehr als ein Jahrhundert vergangen ist. Villagio Svizzero ist in Messina inzwischen ein Name wie jeder andere.

Doch er erinnert an eine der schwersten Tragödien, welche die Stadt je heimgesucht haben: An das schreckliche kalabrisch-sizilianische Erdbeben, das am 28. Dezember 1908 im Morgengrauen die Provinzen Messina und Reggio Calabria mit einer Stärke von 7,3 erschütterte. Dieses Beben riss in nur 37 Sekunden alles nieder. Zwischen 75’000 und 82’000 schätzte man die Zahl der Opfer.

Das Entsetzen über die Schäden ging um die Welt. In den Tagen darauf setzte ein wahrer Wettlauf der Solidarität zwischen den Ländern ein, die mit dem damaligen Königreich Italien befreundet waren. Alle wollten Hilfe in das Gebiet zwischen Sizilien und Kalabrien schicken. Es war eines der ersten Beispiele internationaler Solidarität nach einer Naturkatastrophe.

Das frisch erstellte Villaggio Svizzero im Jahr 1909. Bundesarchiv Bern

Zu den Geberländern gehörte auch die Schweiz. «In diesem Quartier wurden Holzhütten gebaut, welche die Schweiz gestiftet hatte. Daher der Name», sagt Antonino Principato, ein Architekt und profunder Kenner der Geschichte Messinas.

Denn bereits am 2. Januar 1909 lancierte das Schweizerische Rote Kreuz SRK eine nationale Sammlung mit folgendem Appell: «Angesichts einer solchen Katastrophe darf die Schweiz nicht untätig bleiben. Unser Nachbar Italien, mit dem uns Sprache, Industrie und so viele geistige Bindungen verbinden, muss wissen, wie sehr unser ganzes Volk an dem Unglück teilnimmt, das es auf so brutale und schreckliche Weise trifft.» Es war der Anfang des ersten humanitären Einsatzes für das SRKExterner Link in Friedenszeiten.

Letzte Zeugen

Heute ist gerade mal dies davon noch übrig: der Name und ein kleines Haus.

chalet di legno attorniato da palazzi di cemento
Das letzte Überbleibsel der ehemaligen Siedlung. tvsvizzera

Es ist das einzige Relikt der Siedlung von 21 Hütten, die von Schweizer Arbeitern gebaut wurden. Sie waren nach Messina gekommen, um der Bevölkerung zu helfen. «Jedes der 21 Chalets trug den Namen eines Schweizer Kantons», erzählt Principato. Der Name der heute noch stehenden Hütte sei jedoch nicht mehr zu eruieren.

In den ersten Tagen des Jahres 1909 war klar: Die vom Erdbeben betroffene Bevölkerung brauchte ein Dach über dem Kopf. Ingenieur Riccardo Simonetti arbeitete in kurzer Zeit einen «Shanty-Plan» für die Stadt aus. In Anbetracht der Hilfsangebote, die aus verschiedenen Teilen der Welt eintrafen, beschloss Simonetti, drei Dörfer zu gründen: ein amerikanisches, ein nach Königin Helena, der Herrscherin von Montenegro, benanntes sowie schliesslich das schweizerische.

Grundriss und Aufsicht dieser frühen Fertighäuser. Eine Besonderheit war der niedrige Estrich, der als Schlafkammer diente. Bundesarchiv Bern

«Es waren Ingenieure und Arbeiter aus den Geberländern, die diese Dörfer errichteten, auch die Materialien kamen von dort. Deshalb ähnelten die Dörfer den städtischen Agglomerationen der betreffenden Länder «, erklärt Principato.

Die Chalets, die das Schweizer Dorf bildeten, waren Holzkonstruktionen mit schrägen Dächern, bewohnbaren Dachboden und dazugehörigem Grundstück.

Für die Leitung der Baustelle des Schweizer Dorfes in Messina und desjenigen in Reggio Calabria – davon ist allerdings nichts mehr übrig – wurde ein Schweizer beigezogen. Ebenso für die Auswahl der Personen, denen die neuen Häuser übergeben wurden.

Schweizer Chalet-Bauweise in Serie. Bundesarchiv Bern

Die «Gazzetta di Messina e delle Calabrie» schrieb am 30. Juli 1909: «Für das Schweizer Dorf Messina gehen die Arbeiten jetzt reibungslos voran (…). Die Auswahl der zukünftigen Bewohner der Chalets wird unter den zahlreichen eingegangenen Bewerbungen getroffen (…). Die Frist für die Annahme von Bewerbungen läuft am 5. August ab, und erst danach werden wir das Ergebnis der Bewerbungen kennen.

Diejenigen, die in diesen wenigen verbleibenden Tagen in den Genuss der Hilfe kommen möchten, sollten ihre Anträge an Capitano Spychgrol, Schweizer Dorf Reggio, richten und dabei ihren Beruf, ihren Familienstand und die durch die Katastrophe erlittenen Schäden angeben».

Gruppenbild der Schweizer Handwerker, die für den Bau der Siedlung nach Messina entsandt wurden. In der Mitte in weissem Kleid (rechts) der Projektleiter Siegfried Spychiger. Bundesarchiv Bern

Anzunehmen ist, dass es sich bei «Spychgrol» um einen Verschreiber handelt und Ingenieur Siegfried Spychiger gemeint war. Dieser lebte damals in der Gegend. Er war es, der von seinem Heimatland den Auftrag für das Projekt erhielt.

Das Interesse an den Wohnungen war immens, sagt Historiker Pietro Wallnöfer. Auf die 42 Wohnungen in Messina hätten sich damals 135 Familien beworben, führt Wallnöfer im folgenden Video aus:

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So fanden 42 Familien im Schweizer Dorf eine neue Unterkunft.

Krieg und Faschismus überlebt

Die neuen Bewohner:innen hatten Glück, denn im Gegensatz zu vielen Baracken, die in jenen Monaten ebenfalls entstanden, waren die Schweizer Konstruktionen echte Häuser, die aus hochwertigen Materialien gebaut und für eine lange Lebensdauer ausgelegt waren.

Bundesarchiv Bern

Als das faschistische Regime in den 1930er Jahren alle Hütten aus der Zeit des Erdbebens abreissen liess, wurde das Schweizer Dorf entsprechend verschont.

«Diese Hütten haben auch schweren Bombenangriffe von 1943 überlebt», sagt Antonino Principato. «Schade, dass sie dann der Bauspekulationen der 1950er Jahre zum Opfer fielen».

In der Nachkriegszeit war das Quartier von einer Reihe von Abrissen betroffen. Man schuf Platz für die grossen Wohnblocks, die den Ort noch heute prägen. Und so fielen auch die kleinen Schweizer Holzhäuser, eines nach dem anderen, dem Beton zu Opfer.

Alle ausser einem. «Das Letzte steht noch, zum Teil durch Glück, zum Teil, weil ich 1998, als ich als städtischer Angestellter mit der Ausarbeitung des Stadtplans betraut war, eine Beschränkung für dieses Chalet festgelegt habe. Der Grund? Dieses Gebäude ist ein Teil der Geschichte unserer Stadt, und deshalb kann und darf es nicht abgerissen werden», sagt Architekt Principato.

Heute befindet sich das Chalet in Privatbesitz. Es ist verlassen, aber in gutem Zustand.

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«Es ist jedoch schade, dass seine Geschichte nicht gewürdigt wird», schliesst der Mann, der es gerettet hat. «Strukturell ist es in Ordnung und innen ist es sehr geräumig. Wenn es öffentliche Mittel und eine Vereinbarung mit dem Eigentümer gäbe, könnte es renoviert und in ein Museum umgewandelt werden, warum nicht?»

Im Moment gibt es jedoch kein solches Projekt. «Bis auf Weiteres bleibt das Haus ein stilles Denkmal», sagt Principato.

Im folgenden Video erklärt Kunsthistoriker Pietro Wallnöfer die damaligen Vorteile des Chaletbaus für dieses Projekt:

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Editiert und ins Deutsche übertragen von Balz Rigendinger.

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Gastgeber/Gastgeberin Melanie Eichenberger

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