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Das tragische Leben des Juan Carlos

Ein Mann mit Sonnenbrille
Juan Carlos im Jahr 2011. Keystone / Chema Moya

Juan Carlos hat Spanien wegen eines Skandals um angebliche Schmiergeldzahlungen verlassen. Eine Kurzbiografie eines Lebens, das einer Telenovela entsprungen sein könnte.

Juan Carlos I. wurde am 5. Januar 1938 in Rom geboren, wo die spanische Königsfamilie nach der Ausrufung der Zweiten Republik 1931 ins Exil gegangen war und wo er und seine Geschwister in der Obhut von zwei Schweizer Gouvernanten aufwuchsen. Zwischen 1941 und 1946 lebte die Familie in der Schweiz.

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Die einsame Kindheit

Das Leben von Juan Carlos war nicht immer ein Zuckerschlecken. Ein erstes traumatisches Erlebnis ist seine Aufnahme in das Internat in Freiburg im Alter von acht Jahren, als seine Eltern nach Estoril (Portugal) ziehen. Juanito, wie er in seiner Familie genannt wird, weigert sich, seine erste Klasse zu besuchen, und wird gewaltsam in den Klassenraum gebracht, wo er geohrfeigt wird, damit er sich ruhig verhält und aufmerksam ist.

«Zuerst war ich dort ziemlich unglücklich, ich hatte den Eindruck, dass meine Familie mich verlassen hatte, und dass meine Mutter und mein Vater mich vergessen hatten», sagt Juan Carlos später über diese Zeit, wie in einer Biografie steht.

Niemand ist sich bewusst, dass sein Benehmen und seine schlechten schulischen Leistungen ein Symptom seines Unwohlseins über die Trennung von seiner Familie sind.  Während dieser Zeit ist seine Beziehung zu seiner Grossmutter Victoria Eugenia, die in Lausanne lebt und eine liebevolle Beziehung zu ihm hat, von entscheidender Bedeutung. 

«Mein Eintritt in das Internat war ein Abschied von der Kindheit, von einer sorgenfreien Welt voller Familienwärme. Mein Vater verbot meiner Mutter, mich in den ersten 14 Tagen anzurufen. Diese erste schwierige Phase der Trennung von meiner Familie musste ich allein überstehen», so Juan Carlos.

Im Bewusstsein, dass die Wiederherstellung der Monarchie ohne Franco nicht möglich wäre, stimmte sein Vater 1948 mit dem Diktator überein, dass Juan Carlos in Spanien geschult werden sollte, da er das Land kennen lernen müsse. Juanito war zehn Jahre alt, als er zum ersten Mal spanischen Boden betrat.

Der tragische Tod seines Bruders

1956 ereignete sich während eines Osterurlaubs ein tragischer Unfall. Juan Carlos und sein Bruder Alfonso befinden sich im Elternhaus in Estoril (Portugal) und üben ihre Schiesskünste mit einem kleinen Revolver. Die Waffe ist geladen. Alfonso wird erschossen und stirbt praktisch auf der Stelle. Er ist der Lieblingssohn der Familie. «Schwör mir, dass es keine Absicht war», sagt sein Vater zu Juan Carlos. Der Unfallhergang wird nie geklärt. Nach 48 Stunden schickt Don Juan seinen Sohn zurück an die Militärakademie nach Saragossa, weil er seine Anwesenheit nicht ertragen kann. Dieser Vorfall berührt Juan Carlos zutiefst und verstärkt seine Neigung zur Introvertiertheit.

Der «Verrat» an seinem Vater

Der Machtkampf zwischen Don Juan, dem Verteidiger der konstitutionellen Monarchie in Spanien, und Franco erreicht 1969 einen Höhepunkt. Juan Carlos wird vom Diktator als seinen Nachfolger ernannt. Juan Carlos akzeptiert in der Überzeugung, dass er bessere Chancen auf den Thron hat als sein Vater. Don Juan fühlt sich verraten. Die Beziehungen zwischen Vater und Sohn verschlechtern sich.

In einer Biografie wird Juan Carlos folgendermassen zitiert: «Für einen Politiker ist das Amt des Königs eine Berufung, denn er liebt die Macht. Für einen Königssohn, wie mich, ist das eine andere Sache. Es geht nicht darum, ob es mir gefällt oder nicht. Ich wurde dafür geboren. Und seit meiner Kindheit haben mir meine Lehrer beigebracht, auch Dinge zu tun, die mir nicht gefallen. Im Haus der Bourbonen ist Königsein ein Beruf.»

Mann und Frau gehen spazieren
Juan Carlos geht 1987 mit seiner Frau Sofia spazieren. Keystone / Borja

Der «König aller Spanier»

Am 22. November 1975, zwei Tage nach Francos Tod, wird Juan Carlos zum König von Spanien gekrönt. Die Periode des friedlichen Übergangs zur Demokratie beginnt. Höhepunkt ist die Verfassung von 1978. Doch 1981 findet ein Putschversuch statt, ein Lackmustest für den König und die Demokratie.

Am 23. Februar stürmt ein Trupp Zivilgardisten unter dem Kommando von Oberstleutnant Antonio Tejero in den Abgeordnetenkongress. Die Regierung und die Abgeordneten werden 18 Stunden lang als Geiseln in dem Gebäude festgehalten. Der König verteidigt die verfassungsmässige Ordnung und tritt den Putschisten entgegen. Seine Rolle ist entscheidend für die Demokratie. Der versuchte Staatsstreich scheitert. Es ist eine Feuerprobe und die endgültige Konsolidierung von Juan Carlos I.

Im August 2020 beschliesst der inzwischen 82-jährige Juan Carlos, Spanien wegen des Skandals um angebliche Schmiergeldzahlungen, zu verlassen. Nach eigenen Angaben, um die Monarchie zu bewahren und zu verhindern, dass Nachrichten über seine Geheimkonten im Ausland seinem Sohn und der Institution schaden. Trotz seiner Abreise «steht der König in jedem Fall der Staatsanwaltschaft für jedes als angemessen erachtete Verfahren oder Vorgehen zur Verfügung», heisst es in einer Erklärung seines Anwalts.

Quelle: Juan Carlos: El rey de un puebloExterner Link, Paul Preston

Auf Englisch: Juan Carlos: A People’s King, Paul PrestonExterner Link

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