«Dass Auslandschweizer ihren Pass abgeben, ist nicht das Ziel»
Ein Vorstoss im Zuger Kantonsparlament sorgt bei Auslandschweizerinnen für Unmut. Die Motion zielt auf ein Ende der Doppelbürgerschaften. Um Auslandschweizer gehe es aber nicht, betont der SVP-Politiker hinter der Idee.
Eine Schweizerin oder ein Schweizer soll nur noch eine einzige Nationalität besitzen dürfen. Das will die MotionExterner Link von SVP-Kantonalpolitiker Thomas Werner. Politisch hat sie kaum reelle Chancen, sie dürfte bald im Zuger Kantonsparlament für immer versenkt werden.
Dennoch sorgt sie unter Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern für Aufregung. Sogar die Spitze der Auslandschweizer-Delegation ASO sah sich zu einer StellungnahmeExterner Link veranlasst: «Die vorgeschlagene Anpassung würde sich schwerwiegend auswirken», teilte die Organisation mit. Denn 582’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland besitzen mehr als eine Staatsbürgerschaft, drei Viertel der gesamten Diaspora.
«Es geht um Zugewanderte»
«Mein Ziel ist nicht, dass Schweizer Bürgerinnen und Bürger ihren Schweizer Pass abgeben müssten, nur weil sie auch eine andere Staatsbürgerschaft haben», sagt Initiant Thomas Werner nun. «Vielmehr möchte ich, dass Zugewanderten in der Schweiz die Doppelbürgerschaft verwehrt bleibt.»
Thomas WernerExterner Link, 49, ist ein kantonaler Sicherheitspolitiker wie aus dem Bilderbuch. Er arbeitet bei der Stadtpolizei Zürich im Kinderschutz, leitet dort die Ermittlungen. Er hat zwei Kinder, ist verheiratet und amtet als Vizepräsident der kantonalen SVP. Auf seinem Parteiprofil spricht er sich gegen «Zuwanderung im Asylbereich» und für «Sicherheit in der Schweiz» aus.
«Kriminelle Ausländer mit Schweizer Pass»
Am Telefon erzählt er von seinen Polizei-Erfahrungen, verweist auf «kriminelle Ausländer mit Schweizerpass», die kaum eine Landessprache beherrschten und trotzdem eingebürgert würden, obwohl dies in der Schweiz vom System her eigentlich nicht sein dürfte. Von zugewanderten Leuten mit Schweizerpass erzählt er gar, die im Austausch mit Schweizer Behörden einen Dolmetscher benötigten. Seine Erkenntnis daraus: «Man sollte Zugewanderten die Doppelbürgerschaft nicht erlauben.»
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Das stand am Anfang seiner Motion. Er hat sie in der Zeit formuliert, als im letzten Jahr erstmals islamistisch motivierte Einzeltäter mit Messerattacken in Morges und Lugano ins Bewusstsein riefen, dass auch die Schweiz von solchen Gewaltwellen betroffen sein kann. Eingereicht hat Thomas Werner die Motion im November letzten Jahres.
Jetzt liegt sie bei der Kantonsregierung. Diese wird das Geschäft demnächst dem Kantonsparlament vorlegen, wohl mit der Empfehlung es abzulehnen. Das Kantonsparlament zählt 80 Köpfe, Werners SVP hat 18 Sitze. Das völlig überraschende Szenario wäre darum: Der Kantonsrat würde seine Motion am Ende für «erheblich» erklären. Dann würde daraus eine Standesinitiative im Eidgenössischen Parlament, dann hätte die Sache mehr Gewicht.
Käme es soweit, möchte Werner zuvor unbedingt noch «präzisieren, was für Doppelbürgerschaften ich meine», sagt er. «Ich würde mich dafür einsetzen, dass für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer keine Probleme entstehen.»
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«Das wäre eine Diskriminierung von Schweizerinnen und Schweizern»
Doch die Empörung unter Vertretern der Fünften Schweiz ist erstmal da – und sie ist gross. Die Auslandschweizer-Organisation ASO stört sich besonders an der Formulierung «Die Schweiz und andere europäische Länder stehen vor dem Problem, dass sie gefährdende Personen, ja sogar Terroristen nicht aus dem Land verweisen können, weil sie eingebürgerte Doppelbürger sind. Immer wieder begehen Gefährder Gewalt- und Sexualstraftaten bis hin zu Terroranschlägen.»
Das jemand so etwas sagt, sei für schweizerische Doppelbürgerinnen und -bürger inakzeptabel, teilt die ASO mit. All diesen Personen pauschal zu unterstellen, dass sie kriminell seien, empöre Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.
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Thomas Werner hat die Stellungnahme der ASO zur Kenntnis genommen. Ein Einfluss seiner Motion auf die Fünfte Schweiz sei nicht die «erwünschte Auswirkung».
Inzwischen erreichen ihn auch Mails von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern. Das geht zurück auf einen Eintrag in einer Facebook-Gruppe von AuslandschweizernExterner Link, der für Unmut sorgte. Dem Eintrag folgte ein Aufruf, sich direkt bei Werner zu melden, unter Angabe von dessen Kontaktdaten. Werner sagt, er habe allen freundlich zurückgeschrieben und das Missverständnis aufgeklärt.
Doppelbürger sind der SVP ein Dorn im Auge
Dass die Auslandschweizer-Organisation und viele Bürgerinnen und Bürger im Ausland derart aufgebracht sind, ist mit diesem Missverständnis allein aber nicht abschliessend erklärt. Es gibt Empfindlichkeiten, denn es ist nicht das erste Mal, dass sich ein Vertreter der Schweizerischen Volkspartei der Mehrfachbürgerschaften annimmt.
Doppelbürger sind der SVP seit je ein Dorn im Auge, und frühere Vorstösse zielten direkt auf das Stimm- und Wahlrecht der Fünften Schweiz. 2018 wurde der Nidwaldner SVP-Nationalrat Peter Keller im eidgenössischen Parlament aktiv mit einer InterpellationExterner Link gegen doppelte Staatsbürgerschaften. Keller sagte: «Auslandschweizer müssten sich dann halt entscheiden, ob ihnen das spanische oder thailändische oder französische oder welches Stimmrecht auch immer wichtiger ist als die politische Mitbestimmung in der Schweiz.»
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Weniger politische Rechte für Auslandschweizer?
Bereits 2016 sagte auch SVP-Nationalrat Lukas Reimann: «Wir haben heute faktisch eine Diskriminierung jener Leute, die nur einen Pass haben gegenüber jenen, die zwei Pässe haben.» Das Problem dabei sei, «man kann in zwei Ländern an der Politik teilnehmen.» Nach diesem Votum darauf aufmerksam gemacht, dass davon vor allem Auslandschweizer betroffen wären, relativierte aber auch Reimann: «Kein einziger Auslandschweizer soll den Pass abgeben.»
Auslandschweizer Antoine Belaieff ist der Mann, der auf Facebook andere Schweizer Expats dazu angeregt hat, dem Zuger Lokalpolitiker seine Meinung zu schreiben. Dass Thomas Werner nun präzisiert, nimmt Belaieff befriedigt zur Kenntnis. Die allgemeine Empörung sei aber gerechtfertigt. «Bei diesem Thema gilt: Wehret den Anfängen», sagt Belaieff, der Schweizer, der in Kanada lebt.
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«Aber das Stimmrecht auf ewig? Bitte nicht mehr»
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