Die No-Billag-Argumente im Faktencheck
Eine Mehrheit des National- und Ständerats hat sich gegen die No-Billag-Initiative ausgesprochen, die auf eine Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren abzielt. Wir haben die parlamentarische Debatte ausgewertet, eine gewichtete Auswahl der mehrfach genannten Argumente getroffen und diese auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht.
„Die Privilegien, die der SRG gewährt wurden, machen diese zu einem quasi-monopolistischen Unternehmen.“
Céline Amaudruz, SVP
Die Unabhängige Beschwerdeinstanz UBI hat mit Entscheid vom 22. Juni 2018 eine Beschwerde gegen den «Faktencheck» mit 5 zu 3 Stimmen gutgeheissen. Zum UBI-Entscheid (PDF)Externer Link.
Gemäss Duden ist unter einem Monopol ein “marktbeherrschendes Unternehmen” zu verstehen, das “auf einem Markt als alleiniger Anbieter oder Nachfrager auftritt und damit die Preise diktieren kann.” Von der SRG als alleinige Anbieterin des Service public lässt sich nicht sprechen. Die SRG unterhält sieben von insgesamt 20 Schweizer TV-Sendern, die Gebühren vom Bund erhalten. Überdies verfügt sie über 17 Radiostationen, das ist etwas weniger als die Hälfte aller Radioanbieter (40), die öffentliche Gelder beziehen.
Mit Blick auf ihre Verbreitung kann hingegen von Marktbeherrschung gesprochen werden. Sie ist die einzige Anbieterin, deren Sendegebiet die gesamte Landesfläche umfasst und damit alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz erreichen kann. Das generiert neben erhöhtem Einfluss auch höhere Werbeeinnahmen. Private TV- und Radio-Sender operieren auch aus finanziellen Gründen in regionalen Nischen für kleineres Publikum mit entsprechenden Auswirkungen auf die Werbeeinnahmen.
Guido Keel, Leiter des Instituts für Angewandte Medienwissenschaft (IAM)Externer Link in Winterthur, sagt: “Es gibt in der Tat wenig Platz neben der SRG bei einer Gebührenverteilung von gut 1,2 Milliarden zu 60 Millionen Franken für die privaten Sender.”
Bei Medien von einem Markt zu sprechen, ist gemäss Guido Keel aber problematisch. “Journalismus ist ein öffentliches Gut. Dessen Nutzen lässt sich nicht auf die beschränken, die dafür bezahlen. Medien informieren die Gesellschaft, damit diese an demokratischen und damit staatsbildenden Prozessen teilnehmen kann. Dadurch ermöglichen Medien Demokratie, und davon profitieren auch die, die nichts für die Mediennutzung bezahlen.”
In einigen Regionen, insbesondere Graubünden, agiert die SRG sogar als Monopolbrecherin. Denn je weiter die Konzentration der privaten Medien voranschreitet, desto grösser der Einfluss einzelner Medienhäuser in lokalen Märkten. In der Westschweiz teilen sich die drei grössten Medienhäuser über 90 Prozent des Marktes auf. Vor 15 Jahren waren es noch 79 Prozent.
In der Deutschschweiz kommen Tamedia, Ringier und NZZ zusammen auf über 80 Prozent. Vor 15 Jahren waren es erst 56 Prozent.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Celine Amaudruz:
«Nicht nur die SRG kann sich um diese frei werdenden 1,35 Milliarden Franken bewerben, sondern dann kann jeder und jede, können innovative Start-ups, neue Unternehmen, Internet-Unternehmen um dieses Geld buhlen, das frei wird. Das gibt neue Arbeitsplätze in Branchen und Unternehmen, die heute vom Staat nicht privilegiert sind.» Lukas Reimann, SVP
Es stimmt, dass die Haushalte mehr Geld ausgeben, wenn ihr Budget steigt. Durch diese Nachfragesteigerung können Stellen geschaffen werden, selbstverständlich auch in den von Lukas Reimann genannten Branchen.
Doch wie sieht es gesamtwirtschaftlich aus: Gibt es durch eine Annahme der No-Billag-Initiative auf dem Arbeitsmarkt Schweiz mehr Stellen? Machen wir die Rechnung: 2016 wurden Gebühren in der Höhe von 1,358 Milliarden FrankenExterner Link einkassiert. Dieser Betrag stünde den Haushalten und Unternehmen in der Schweiz zusätzlich zur Verfügung. Ein Teil würde ausgegeben, ein Teil gespart. Die SparquoteExterner Link der Schweizer Haushalte beträgt rund 20%, womit zirka 1,09 Milliarden Franken frei würden.
Wie viel davon tatsächlich in zusätzliche Arbeitsplätze flösse, ist schwer zu schätzen. Einen Anhaltspunkt bietet die Personalaufwandsquote der Unternehmen. Sie drückt aus, welchen Anteil des Umsatzes ein Unternehmen für Personalkosten aufwendet. Bei den zehn grössten börsenkotierten Unternehmen der Schweiz sind das 28%, bei KMU und Start-ups kann der Wert je nach Branche auch über 50% liegen. Gehen wir davon aus, dass der Wert für die gesamte Volkswirtschaft nicht über 40% liegt.
Somit entstünden für maximal 436 Millionen Franken neue Stellen. Ein ArbeitsplatzExterner Link in der Schweiz kostet durchschnittlich 113’000 Franken, also ergäben sich maximal 3860 StellenExterner Link. Das ist deutlich weniger, als die 4946 VollzeitstellenExterner Link, die bei der SRG direkt verloren gehen, wenn die No-Billag-Initiative angenommen würde. Wer der No-Billag-Initiative im Glauben zustimmt, dass dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden, liegt falsch.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Lukas Reimann:
«Ein Programm à la carte kommt teurer als das bestehende Angebot. Das Basisangebot von Teleclub kostet zum Beispiel jährlich knapp 480 Franken.» Edith Graf-Litscher, SP
Grundsätzlich ist Litschers Aussage korrekt. Wenn man die verschiedenen TV-Programmanbieter der Schweiz miteinander vergleicht, so stellt man fest, dass die SRG mit ihren sieben Fernsehsendern ein inhaltlich breit gefächertes Angebot aus den Bereichen Information, Sport, Kultur und Unterhaltung zu einem vergleichsweise niedrigen Preis anbietet.
Im Unterschied zum Pay-TV (z.B. Teleclub, Sky oder DAZN) oder zum kommerziellen Free-TV (z.B. RTL, Sat.1 oder ProSieben) ist das Angebot der SRG zudem mehrsprachig, multimedial, überall im Inland frei zugänglich und die Programme werden nur durch kurze, streng reglementierte Werbesequenzen unterbrochen.
Man muss jedoch anmerken, dass sich die SRG dies ohne die Gebührengelder nicht leisten könnte. Mit den jährlichen Gebühreneinnahmen von rund 1,2 Milliarden Franken (Stand 2016) verfügt die SRG über ein ansehnliches Gebührenbudget, mit dem sie sich beispielsweise wichtige Übertragungsrechte im Sportbereich leisten und sichern kann. Ausserdem ist die SRG weniger auf Werber, Sponsoren und Quoten angewiesen – im Gegensatz zu den kommerziellen Anbietern, die sich im hart umkämpften Markt behaupten müssen und keine Einnahmegarantien geniessen.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Edith Graf-Litscher:
«Die SRG ist ja völlig abhängig vom Staat. Der Bundesrat wählt mehrere Verwaltungsräte, er nimmt Einfluss.» Lukas Reimann, SVP
Die im ersten Satz formulierte Behauptung, die SRG sei völlig abhängig vom Staat, stimmt so nicht. Im Artikel 93 der BundesverfassungExterner Link betreffend «Radio und Fernsehen» heisst es im dritten Absatz: «Die Unabhängigkeit von Radio und Fernsehen sowie die Autonomie der Programmgestaltung sind gewährleistet.» Und auch im Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) Externer Linksteht im Artikel 3a schwarz auf weiss: «Radio und Fernsehen sind vom Staat unabhängig.»
Die SRG ist folgerichtig auch kein «Staatsmedium», sondern ein privatrechtlich organisierter VereinExterner Link mit einem öffentlichen Auftrag. Alle zehn Jahre erteilt der Bundesrat der SRG eine neue Konzession, in welcher der Leistungsauftrag in groben Zügen geregelt wird. Darüber hinaus ist die SRG in Bezug auf die Berichterstattung, Unternehmensorganisation, sowie die Programm- und Budgetgestaltung ungebunden.
Es stimmt hingegen, dass der Bundesrat einen indirekten Einfluss ausübt. Einerseits durch die soeben angesprochene Konzessionskompetenz, als auch durch die Wahl der Verwaltungsräte. Zwei von insgesamt neun Verwaltungsräten werden direkt vom Bundesrat gewählt. Abgesehen davon ist die SRG von behördlichen Einflüssen gefeit. Ausserdem erfolgt das Inkasso separat über die Swisscom-Tochter BillagExterner Link, und nicht durch den Staat.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Lukas Reimann:
«So wurden unsere Unternehmen ja auch gezwungen, Radio- und Fernsehgebühren zu bezahlen, und zwar happige. Völlig daneben und unverständlich ist es, dass diese Gebühren auch noch nach dem Umsatz entrichtet werden müssen – Sie haben meinen Kollegen Jean-François Rime gehört -, natürlich nur, damit man noch mehr Geld einkassieren kann.» Sylvia Flückiger-Bäni, SVP
Es stimmt, dass mit dem neuen Radio- und Fernsehgesetz (RTVG), welches in der Referendumsabstimmung im Jahr 2015 vom Volk knapp angenommen wurde, auch UnternehmenExterner Link abgabepflichtig werden.
Doch schon vor dem neuen Mediengesetz mussten Unternehmen für den gewerblichen und kommerziellen Empfang eine von der Anzahl installierter Empfangsgeräte abhängige Gebühr entrichten. Neu ist allerdings, dass sich die Gebühren an der Höhe des erzielten Umsatzes bemessen.
Das tönt zunächst drastisch, doch 75% aller Unternehmen, insbesondere KMU, für welche Frau Flückiger-Bäni in ihrem Votum eine Lanze bricht, zahlen gar keine Abgabe, weil ihr Jahresumsatz weniger als 500’000 Franken beträgt. 9% der Unternehmen bezahlen eine tiefere Abgabe als heute. Damit fahren 84 Prozent aller Unternehmen besser. Für die restlichen 16% der Unternehmen, die einen Jahresumsatz von über einer Million Franken ausweisen, findet eine Verteuerung statt.
Auch der Seitenhieb gegen Jean-François Rime ist ungerechtfertigt. Denn mit neuen RTVG unterstehen zwar alle Haushalte der Abgabepflicht, doch im Gegenzug reduziert sich die individuelle Radio- und Fernsehabgabe um rund 10% auf 400 Franken. Ferner erhalten die lokalen Radio- und Fernsehstationen inskünftig einen grösseren Anteil am Gebührenkuchen. Unternehmen bezahlen in den meisten Schweizer Kantonen übrigens auch Kirchensteuer. Der Gedanke dahinter: Von den gesamtgesellschaftlichen Leistungen dieser Institutionen haben letztlich auch die Unternehmen etwas.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Sylvia Flückiger-Bäni:
«Auch unter der Halbierung der Gebühren werden primär die Sender der Sprachminderheiten leiden. Sprich: Sie werden von der Senderliste gestrichen.»
Matthias Aebischer, SP
Ob bei einer Halbierung der Gebühren, wie das bei einem allfälligen Gegenvorschlag zur No-Billag-Vorlage gefordert würde, die Sender der nicht-deutschsprachigen Schweiz völlig gestrichen würden, ist unklar.
Was hingegen klar ist: Derzeit gehen gemäss Geschäftsbericht der SRGExterner Link rund 57 Prozent der Gebühren in die französischen, italienischen und rätoromanischen Programme der SRG. Bei einer Gebühren-Kürzung um die Hälfte erhielten die Sender auf Französisch, Italienisch und Rätoromanisch alle zusammen noch 347,1 Millionen Franken pro JahrExterner Link.
Sie brauchen aber insgesamt rund 690 Millionen Franken, um ihr bisheriges Angebot in den drei kleineren Landessprachen in Radio, TV und Online aufrecht zu erhalten. Zum Vergleich: Nur schon die Produktion der täglichen Nachrichten- und Aktualitätssendungen beim französischsprachigen RTS kostet jährlich rund 36 Millionen FrankenExterner Link – das beinhaltet aber noch keine Debatten-, Konsumenten-, Wissenschafts-, Kultur- oder Wirtschaftssendungen.
Somit würde auch eine Halbierung statt einer Abschaffung der Gebührengelder vor allem für die Schweizer Sprachminderheiten eine drastische Einschränkung des Informations- und Kulturangebotes bedeuten. Drohen würde auch eine Zentralisierung in Zürich zum Nachteil der Regionen.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Matthias Aebischer:
«Die Schweiz existiert nicht wegen der SRG. Sie hat schon vorher existiert und würde auch ohne Gebührengelder weiterexistieren.»
Natalie Rickli, SVP
Es stimmt absolut, dass die Schweiz nicht wegen der SRG existiert. Als Gründungsjahr der modernen Schweiz, wie wir sie heute kennen, wird von den allermeisten Historikerinnen und Historikern 1848 angesehen – das Jahr der ersten BundesverfassungExterner Link der Schweiz, welche die Entwicklung von Staatenbund zum BundesstaatExterner Link verschriftlichte.
Die SRG beziehungsweise ihre Vorläuferin existiert seit 1931Externer Link. Die damalige Radiopolitik des Bundesrates orientierte sich am Service-Public-Modell der British Broadcasting Corporation BBC. Seit der Gründung ist die SRG verpflichtet, einen öffentlichen ProgrammauftragExterner Link zu erfüllen.
Es ist anzunehmen, dass die Schweiz an sich auch ohne Gebührengelder weiterexistieren würde. Somit ist die Aussage von Nationalrätin Rickli korrekt.
Hier geht es übrigens zu den fotografischen Aufnahmen der ersten Bundesverfassung von 1848Externer Link.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Natalie Rickli:
«Von einer weiterführenden oder umfassenden Werbeeinschränkung für die SRG würden jedenfalls vor allem ausländische Sender profitieren. Bereits heute gehen rund 45 Prozent der TV-Werbeeinnahmen ins Ausland. Wollen Sie das?» Doris Fiala, FDP
Das Risiko, dass Werbeeinnahmen ins Ausland abfliessen, sollte die SRG geschwächt werden, führen Gegner der No-Billag-Initiative sowie der Bundesrat immer wieder ins Feld.
Ob es tatsächlich kaum Profiteure im Inland gäbe, würden Werbemittel von der SRG frei, zeigt ein Blick auf die Trends im Schweizer Werbemarkt. Für das Jahr 2016 wurden gemäss der Stiftung Werbestatistik SchweizExterner Link rund 5,56 Milliarden Werbeumsätze im Medienmarkt freigesetzt. Prägend sind zwei Entwicklungen: Inserate-Einnahmen für die Printmedien fallen weiter, sie liegen mit 1264 Millionen Franken 12 Prozent unter dem Niveau von 2015. Ein starkes Wachstum hingegen zeigt der digitale Markt, 1094 Millionen Franken fliessen in Online-Werbung. Zum Vergleich: 2015 waren es noch 974 Millionen Franken.
Bleibt das gesamte Marktvolumen stabil, was zu erwarten ist, werden in einem Zeithorizont 2020-2025 rund zwei Drittel dieses Volumens hin zu digitalen Akteuren umverteilt. Dies besagt eine Studie der Universität Genf von 2015Externer Link, die sich auf eine Befragung von rund 200 Werbevermarktern in der Schweiz stützt. Der Verteilkampf um Werbeeinsätze findet künftig online statt. Auf Basis der Budgetpräferenzen der befragten Unternehmen wird erwartet, dass sich der Schweizer Markt stärker globalisiert und weiter segmentiert. Gemäss der oben zitierten Datenerhebung der Stiftung Werbestatistik ist der stärkste Zuwachs mit rund 20 Prozent im Bereich der Suchmaschinen-Werbung zu verzeichnen. Hier werden grosse Tech-Giganten wie Facebook und Google als Haupt-Profiteure genannt.
Der kleine Schweizer Werbemarkt ist damit praktisch abgegrast. Was bleibt noch an Werbemitteln übrig?
Bei der traditionellen Werbung liegt das Fernsehen weiter an der Spitze und zeigt eine positive Entwicklung: Fernsehwerbung erzielte 2016 rund 775 Millionen Franken Umsatz. Auch hier kann die Aussage von FDP-Nationalrätin Doris Fiala bestätigt werden: Der Marktanteil der ausländischen Werbefenster hat sich auf 42,4 Prozent erhöht, die SRG-Sender sinken auf 46,6 Prozent, die Privaten konnten ihren Marktanteil auf 11 Prozent ausbauen. Die jüngste Entwicklung des Schweizer Werbemarktes zeigt, dass private Schweizer Medien somit bloss teilweise von frei werdenden Mitteln profitieren könnten. Der Bundesrat schätzt in seiner Botschaft zur No-Billag-InitiativeExterner Link, dass auf dem Schweizer Radio- und Fernsehmarkt nicht einmal mehr die Hälfte der derzeitigen Einnahmen zur Verfügung stünden, wenn die Gebührenpflicht abgeschafft würde.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Doris Fiala:
«Die SRG würde mit No Billag weiter existieren.» Natalie Rickli, SVP
Ganz grundsätzlich betrachtet ist die Aussage richtig. «No Billag» ist eine Verfassungsinitiative, die dem Bund untersagen würde, Gebührengelder rechtlich zu regeln. Als reine Hülle könnte die private Organisation SRG also weiterbestehen; ihr Inhalt würde aber ausgelöscht, wie folgende Einschätzungen nahelegen.
Otfried Jarren, Professor am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich, sagt: «Die SRG könnte ohne Konzessionsmittel ihr heutiges Programmangebot nicht mehr finanzieren.» Schon gar nicht die Angebote in der Romandie oder im Tessin. In der Deutschschweiz könnte wohl nur ein sehr eingeschränktes und nur zum Teil über Werbung refinanzierbares Programmangebot gemacht werden. Nachrichtensendungen, einschliesslich der dafür nötigen Infrastrukturen, würden reduziert und müssten massiv eingeschränkt werden. Jarren hält es überdies für erwartbar, dass die heutigen Werbegelder nicht neu unter Schweizer TV-Anbietern verteilt werden, sondern in Internetangebote oder in Fensterprogramme ausländischer Anbieter fliessen würden.
Auf Anfrage bei der SRG sagt Simon Denoth von der Unternehmenskommunikation: «Ohne Radio- und Empfangsgebühren würden die SRG und ihre Sendungen abgeschafft: No Billag bedeutet No SRG.» Gemäss Denoth liessen sich selbst Publikumsmagnete wie grosse Sportereignisse nicht allein über Werbung finanzieren. Die Übertragung der Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 beispielsweise habe nur zu 17 Prozent kommerziell finanziert werden können.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Natalie Rickli:
«Der Markt könnte spielen, wenn man ihn spielen lassen würde. (…) Mit öffentlichen Geldern wird jetzt die private Konkurrenz in den Schatten gestellt.» Adrian Amstutz, SVP
Amstutz bezieht sich in seinem Votum auf die Situation des Schweizer Medienmarkts. Seiner Auffassung nach geht eine starke Stellung der SRG mit einer Marktverzerrung einher, unter der die privaten Medienanbieter zu leiden hätten und was der Angebotsvielfalt abträglich sei.
Seine Kritik ist im Grunde eine Kritik an der gegenwärtigen Ausgestaltung des Service public, der seiner Meinung nach zu viele überflüssige, nicht direkt demokratierelevante Programme beinhalte.
Eine kritische Diskussion über die Breite und Tiefe des Leistungsangebots ist völlig legitim. Doch wegen einzelnen Kritikpunkten den durch die SRG erbrachten medialen Service public grundsätzlich infrage zu stellen, ist weder verhältnismässig noch staatspolitisch weitsichtig. Denn nicht nur wären kostenintensive Qualitätsprogramme im Radio und TV durch dieses Vorhaben direkt gefährdet. Es wären zudem auch die von der Gebührenumverteilung profitierenden lateinischen Sprachregionen der Schweiz, die von einer Halbierung oder Abschaffung der Gebühren erheblich betroffen wären.
Auch die Behauptung, die SRG würde Private konkurrenzieren, kann man so nicht stehen lassen. Im Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) ist im Artikel 29Externer Link festgehalten, dass nicht-konzessionierte Tätigkeiten durch das UVEK-Departement untersagt werden können, falls der Entfaltungsspielraum anderer Medienunternehmen erheblich beschränkt wird. Es stimmt jedoch, dass den Privaten zunehmend die Finanzierungsgrundlagen wegbröckeln. Hauptgrund dafür ist jedoch nicht die SRG, sondern Internetgiganten wie GoogleExterner Link oder Facebook, die einen immer grösseren Anteil am Werbemarkt abschöpfen.
Wahrheitsgehalt der Aussage von Adrian Amstutz:
Der Lead dieses Artikels wurde am 13.10.2017 überarbeitet.
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