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Weltgipfel der Demokratie-Praktiker in Rom

Der Campidoglio: Der Sitz der Römer Stadtregierung ist das Herz des 7. Demokratie-Weltgipfels.
Der Campidoglio: Der Sitz der Römer Stadtregierung ist das Herz des 7. Demokratie-Weltgipfels. Keystone

Hetze gegen Minderheiten, Grenzen schliessen gegen Migranten, angedrohter Abschied vom Euro: Auch die neue, populistische Regierung hat Italien nicht aus der politischen Dauerkrise geholt. Jetzt findet in der Hauptstadt Rom, ebenfalls in Dauerkrise, das siebte Weltforum für moderne direkte Demokratie statt. Wieso ausgerechnet in Rom?


#DearDemocracy berichtet live vom Demokratie-Weltgipfel. Hier geht es zum Live-Blog, der von unseren italienischsprachigen Kolleginnen und Kollegen geführt wird.

Im März 2018 haben in Italien die rechtsnationale Lega und die Fünf-Sterne-Bewegung das Zepter übernommen. Sie haben die Christdemokraten und Sozialisten, die das Land 70 Jahre lang regierten, in die Wüste, eventuell gar in die ewigen Jagdgründe, geschickt.

Doch es ist nicht die Innenpolitik Italiens, die Bruno Kaufmann und Joe Mathews interessiert: Mit der siebten Ausgabe des «WEF der Demokratie», die vom 26. bis 29. Oktober in der Ewigen Stadt stattfindet, wollen die beiden Veranstalter zur Stärkung neuer demokratischer Ansätze beitragen.

Und von denen gibt es einige. Riccardo Fraccaro ist der erste Minister für direkte Demokratie eines Landes weltweit. Und in der Hauptstadt hat Stadtpräsidentin Virginia Raggi vom Movimento Cinque Stelle im Frühjahr eine Reform für eine demokratischere Stadtverfassung durchgebracht.

Dynamik 

«Nicht nur in Rom, auch in Turin und Neapel sind neue Kräfte bestimmend, welche die alten Pfade zugunsten von mehr Bürgerbeteiligung und Demokratie verlassen. Das macht Italien zu einem spannenden Ort in Sachen Demokratie-Entwicklung», sagt Bruno Kaufmann.

Eine Aufgabe am Treffen wird auch sein, diese positiven Entwicklungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

Das Globale Forum für moderne direkte Demokratie 

Der Weltgipfel ist eine Art «WEF der Demokratie». Die siebte Ausgabe findet vom 26. bis 29. September 2018 in RomExterner Link statt.

Aber das WEF und das Demokratie-Welttreffen könnten nicht unterschiedlicher sein.

Der Demokratie-Gipfel ist explizit kein Eliten-Treffen zum Abschluss lukrativer Deals, sondern mehr eine Tauschbörse in Sachen Best Practice für Demokratie-Praktikerinnen und -Praktiker.

Die Teilnahme ist gratis (beschränkte Platzzahl). Angemeldet sind über 500 Personen aus 90 Ländern.

Die Referenten erhalten keine Gagen; alle Teilnehmenden können sich einbringen (Panel-Debatten und Workshops).

Neuerung für Rom 2018: das Format «Note from…». Es sind dies Live-Zuschaltungen von 20 Demokratie-Aktivisten und Aktivistinnen aus der ganzen Welt (u.a. Armenien).

Bei der Vorbereitung des Römer Treffens, zu dem sich bisher über 500 Teilnehmende aus rund 90 Ländern angemeldet haben (mehr in der Box), waren die Veranstalter auf die Unterstützung von Stadtpräsidentin Raggi und ihrem Stab angewiesen. Besteht da nicht das Risiko, dass die Spitzenvertreterin und das M5S die Tagung als Bühne für die eigenen politische Zwecke missbrauchen?

Demokratie-Minister als Leuchtturm

Kaufmann verneint. Zwar seien Vertreterinnen und Vertreter des Movimento in die Organisation und das Programm des Forums eingebunden. «Aber sie stellten dabei weder die Innen- noch die Parteipolitik in den Vordergrund. Es geht ihnen um die Praxis und die Reform der direkten Demokratie», sagt Bruno Kaufmann.

An der Integrität von Riccardo Fraccaro zweifelt tatsächlich niemand ernsthaft. Seine Berufung zum ersten Demokratie-Minister der Welt hat er sich in jahrelanger Basisarbeit für mehr Demokratie und Volksentscheide im Trentino verdient. Damit gewann er in seiner Heimat Anerkennung über Parteigrenzen hinweg.

Juristin Virginia Raggi hatte da einen schwierigeren Start. Die erste Frau an der Spitze der Hauptstadt sah sich bald nach Amtsantritt mit Vorwürfen der Vetternwirtschaft konfrontiert. Aber Kaufmann attestiert ihr, dass sie die Stadt nicht einfach um der Macht willen regiert, sondern, dass auch sie die Demokratie weiterbringen wolle.

Weiteres Anzeichen ist für Kaufmann die erste Volksabstimmung in Rom seit 20 Jahren: Im November befinden die Römer an der Urne über die Privatisierung der Metro. Der Anstoss ging nicht von der Stadtregierung aus, sondern von oppositionellen Bürgern.

«Champions League» der Demokratie-Städte

In Rom wollen die Veranstalter aber nicht nur lokale und nationale Bemühungen und Initiativen stärken, sondern auch ein globales Projekt anstossen. «Ausgehend von Rom wollen wir ein Welt-Netzwerk von Städten aufbauen, die im Bereich Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie besonders aktiv und innovativ sind. Die Grundlagen dazu, also Prinzipien, Verfahren und Praktiken, werden wir am Schluss des Forums in einer ‹Magna Charta› festhalten», sagt Kaufmann.

Das ambitiöse Ziel: Bis zum nächsten Weltforum 2019 in Taiwan soll diese «internationale Liga von Demokratie-Städten» konkrete Formen angenommen haben.

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