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Den Privatbanken winken Brasiliens Milliarden

Tropische Mittagssonne brennt auf den Asphalt von Rios Finanzmeile. Das heisse Pflaster zieht Private Banker in Scharen an. Reuters

Die rasant wachsenden Vermögen in China und andern Ländern Asiens haben Legionen von Privatbankern angezogen. Immer mehr Banken lassen sich aber auch in Brasilien nieder, wo die Wirtschaft durchschnittlich pro Jahr um 4 Prozent gewachsen ist.

Drastisch fallende Zinsen, eine schnell wachsende Anzahl Millionäre und eine rasche Zunahme des Wohlstands haben aus Brasilien einen idealen Standort für das Private Banking (Vermögensverwaltung) gemacht. Längst haben Credit Suisse, Julius Bär und UBS ihre Private Banker in das grösste Land Südamerikas geordert.

Brasilien produziert in einer schnelleren Kadenz als die meisten anderen Länder, inklusiv China, Millionäre. Im Bankenjargon werden sie ‹High Net Worth Individuals (HNWIs) genannt. Sie verfügen über mindestens eine Million flüssiger Dollar zur sofortigen Anlage (World Wealth Report 2012 von Capgemini und RBC Wealth Management).

Allein 2011 schossen in Brasilien 10’000 neue Millionäre aus dem Boden. Wirtschaft und Business boomen und der Wohlstand wird breiter verteilt.

Die Privatbanken haben diesen Ritt auf dieser Wohlstandswelle als wahre Bonanza miterlebt: Bis Mitte 2012 sind rund 469 Mrd. Reais (216 Mrd. Franken) in ihre Depots gespült worden. Das entspricht einem Wachstum von 8% in nur einem halben Jahr, und lässt die Summe von 291 Mrd. Reais aus dem Jahr 2009 alt aussehen.

Schweizerisches Spezialwissen

Gleichzeitig schrumpfte der inflationsbedingt hohe Zinssatz gegenüber dem Vorjahr von 12,5% auf 7,25%,5%. Ende der 90er-Jahre hatte er noch 45% betragen! Verglichen mit der übrigen Welt mögen 7,25% zwar immer noch als hoch und rentabel erscheinen. Im Land selbst aber kommt dies fast schon einer Enttäuschung gleich. Üblicherweise bewegen sich Brasiliens Zinsen im zweistelligen Bereich.

Als Reaktion darauf werden die Vermögen aus dem Bondbereich heraus- und in komplexere Anlageformen umgelagert. Da den einheimischen Bankern das Know-How in diesem Geschäftsbereich abgeht, kommt das Spezialwissen von etablierten Finanzzentren wie der Schweiz gut gelegen.

«Deutlich zeichnet sich für ausländische Banken eine Gelegenheit ab, sich in Brasilien niederzulassen», sagt Luis Miguel Santacreu von der brasilianischen Beratungsagentur Austin Asis gegenüber swissinfo.ch. «Diese bieten alternative Anlageformen an und Expertisen, die einheimischen Banken abgehen. Unter den heutigen Bedingungen können sie diese komparativen Vorteile als Hebel nutzen.»

Für die drei Schweizer Top-Vermögensverwalter ist der Groschen bestimmt gefallen, sind sie doch in Brasilien seit einigen Jahren bereits im Markt: Julius Bär erwarb 2011 ein Aktienpaket des brasilianischen Vermögensverwalters GPS, um ein Stück des Onshore-Markts zu ergattern.

Auch Credit Suisse teilte kürzlich in Sao Paolo mit, mit der völligen Übernahme des grössten brasilianischen Hedgefonds, Hedging Griffo, ein brasilianisches Asset Management auf die Beine zu stellen, um sich das 690-Milliarden-Franken-Fondsgeschäft des Landes zu erschliessen.

Lukrativer Markt

Die UBS hofft, ihre mässigen Ergebnisse in Brasilien mit mehr Präsenz wettzumachen. 2010 hat sie das Brokerhaus Link Investimentos gekauft. Das war der zweite Versuch von UBS, diesen lukrativen Markt zu knacken. Bereits 2006 hatte sie Banco Pactual gekauft, um die Bank drei Jahre später mitten in der Finanzkrise wieder zu veräussern.

Auch die einheimischen Banken haben ihre Fäden weitergesponnen, um das Gewinnpotenzial im Private Banking auszuschöpfen und sich einen beträchtlichen Anteil am Vermögensverwaltungs-Markt zu sichern.

So landete die brasilianische Bank Safra letztes Jahr einen Coup, als sie den Schweizer Vermögensverwaltungs-Spezialisten Sarasin ihrem niederländischen Eigner Rabobank abkaufte. Auch andere brasilianische Schwergewichte wie Itau und Bradesco haben intern ihr Private Banking ausgebaut.

«Bis vor zehn oder mehr Jahren boten brasilianische Banken noch gar kein Private Banking an», sagt Joao Winkelmann, Direktor Bradesco Private Bank, gegenüber swissinfo.ch. «Einheimische Kunden hatten deshalb gar keine andere Wahl, als zu einer ausländischen Bank zu gehen.»

Seither hätten die einheimischen Banken nachgearbeitet, ihr Kapital aufgestockt und ihre Dienstleistungspalette erweitert. Das habe den Privatbanken-Bereich in Brasilien völlig verändert. Brasilianer lassen nun ihr Geld in Brasilien selbst verwalten.

Vermögensverwaltung am Scheideweg

Vermögende Brasilianer zögern auch stark, ihr Geld im Ausland anzulegen. Die Finanzkrise und die daraus entstandenen Zinssatzsenkungen auf praktisch Null verderben ihnen die Lust. Laut Winkelmann bleibt nun 95 Prozent des neu erarbeiteten Vermögens im Land selber.

«Begüterte Kunden kaufen in der Region Land und Immobilien oder bringen ihr Geld wieder in ihr eigenes Geschäft ein», sagt er. «Letztes Jahr kam es in Brasilien zu mehr als 800 Fusionen und Übernahmen.»

Dies bringt die brasilianische Vermögensverwaltung an einen Scheideweg: Einerseits bleiben die inländischen Kunden skeptisch gegenüber Auslandanlagen, anderseits finden sie die traditionellen Anlageformen wenig rentabel. Und drittens schliesslich, schätzt Luis Miguel Santacreu die Lage ein, werden über kurz oder lang alle Dämme brechen, die bisher die anlagesuchenden Gelder aus dem Ausland zurückgehalten haben.

«Es wird für Brasilianer immer schwieriger, interessante einheimische Anlagemöglichkeiten zu finden, um sich damit ein Portfolio aufzubauen», so Santacreu. So ergebe es sich von selbst, dass Vermögensverwalter im Ausland neue Anlagemöglichkeiten für sie finden müssen.

Eine Zusammenarbeit zwischen ausländischen Privatbanken und inländischen Banken würde wohl die perfekte Lösung für das Überbrücken dieser Lücke darstellen, so Winkelmann.

«Die einheimischen Banken befinden sich in einer guten Lage. Sie bieten der Kundschaft alles von Vermögensverwaltung über Kreditkarten, Alters- und Versicherungslösungen an.» Die Kundschaft werde wohl weiterfahren, ihre Onshore-Anlagen bei der Regionalbank und ihr Offshore-Vermögen bei einer Auslandsbank zu halten.

Brasilien ist die sechstgrösste Wirtschaftsmacht der Welt. In den letzten fünf Jahren wuchs die Wirtschaft durchschnittlich um 4% pro Jahr.

Die Anzahl Personen mit mindestens einer Million Dollar zum Anlegen wuchs von 155’400 im Jahr 2010 auf 165’000 (2011).

Das entspricht einer Wachstumsrate von ‹High Net Worth Individuals› in der Höhe von 6,2% – die höchste im Vergleich mit den meisten anderen Ecken der Welt.

Gleichzeitig stieg die Anzahl der Personen, die ein Bankkonto besitzen, von 28 Mio. (2002) auf 54 Millionen (2011).

Mit den Bankkonten wuchs auch das Private Banking: Die hinterlegten Vermögenswerte auf Banken wuchsen von 291 Mrd. Reais (2009) auf 469 Mrd. (2011).

Die Fondsbranche wuchs von 1,36 Billionen Reais 2009 auf mehr als zwei Billionen Reais Mitte 2012.

(Übertragen aus dem Englischen: Alexander Kuenzle)

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