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Die Anlagepolitik der Nationalbank in der Kritik

Geldökonom Fabio Canetg und Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen
Geldökonom Fabio Canetg und Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen. Fabio Nay

Der politische Druck auf die Schweizerische Nationalbank (SNB) steigt. Im Bundesparlament ist Gerhard Andrey einer der lautstärksten Kritiker. SWI swissinfo.ch hat Ihn zum Gespräch getroffen.

Die Nationalbank soll mehr Gewinn auszahlen, ihr Geld grüner investieren und das Führungsgremium vergrössern: Das sind die Forderungen von Gerhard Andrey an die Schweizerische Nationalbank.

Der IT-Unternehmer aus Fribourg gehört seit 2019 dem Nationalrat an, dort politisiert er für die Grünen. «Es ist erstaunlich schwierig, über die SNB zu sprechen», sagt Andrey, «fast egal, was ich sage: Das Killerargument ist immer die Unabhängigkeit der Nationalbank.»

Politisch musste Andrey schnell lernen, über viel Geld zu entscheiden: Wegen der Covid-19-Pandemie ging es schon in seiner zweiten Session um Milliardenausgaben. Er habe sich schon damals überlegt, wie die Corona-Ausgaben finanziert werden können, so Andrey heute. Schnell kam ihm die Idee: Die Nationalbank könnte einen Teil der Corona-Ausgaben bezahlen.

Die SNB beugt sich dem politischen Druck

«Ich habe damals von der Nationalbank gefordert, dass sie sich zumindest Gedanken darüber machen könnte, ob sie nicht etwas mehr Geld ausschütten will.» Unmittelbar gefruchtet hat das nicht, es gab wegen der Corona-Wirtschaftskrise keine SNB-Sonderausschüttung.

Doch schon 2021 kündigte die SNB an, neuerdings maximal sechs statt nur vier Milliarden Franken pro Jahr auszuzahlen. Dieses Geld geht zu zwei Dritteln an die Kantone und zu einem Drittel an den Bund. «Offenbar hat es genutzt, dass wir die Gewinnausschüttungen zu einem politischen Thema gemacht haben», sagt Andrey heute.

Ganz zufrieden ist er trotzdem nicht. Die SNB bildet nämlich Rückstellungen für Verluste. Doch fällt einmal ein Verlust an, wird dieser nicht den Rückstellungen belastet. «Die SNB belastet ihre Verluste den Ausschüttungsreserven», erklärt Andrey.

Ein Minus bei der Nationalbank reduziert also den Betrag, der für den Bund und die Kantone reserviert ist. Diese Praxis wird nicht nur von ihm, sondern auch vom «SNB Observatory» rund um Yvan Lengwiler kritisiert. Lengwiler ist Makroökonomie-Professor an der Universität Basel.

>> Hier der Trailer zum Geldcast mit Gerhard Andrey:

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Wem gehören die SNB-Gewinne?

Dabei geht es um viel Geld: Aktuell liegen in den Ausschüttungsreserven mehr als 80 Milliarden Franken – Tendenz steigend, weil die Nationalbank höhere Gewinne macht als sie ausschüttet. Gemeinsam mit den Rückstellungen bilden die Ausschüttungsreserven das Eigenkapital der SNB.

«Obwohl die Nationalbank auch ohne Eigenkapital funktionieren würde, ist ein guter Puffer ein Zeichen von Stabilität», so der Nationalrat. Dennoch würde er eine höhere Gewinnausschüttung begrüssen. «Das Gesetz ist klipp und klar: Die Gewinne gehören dem Bund und den Kantonen.»

Was sagt Andrey zur anstehenden Wahl einer Nachfolgerin für den auf Ende Juli zurückgetretenen SNB-Vizepräsidenten Fritz Zurbrügg? «Diese Wahl wird bestimmend sein für die künftige Nationalbankpolitik.»

Sein Wunsch ist darum klar: Die Nationalbank soll durch Personen vertreten werden, die ein Bewusstsein für die Klimakrise hätten. Er versuche aber nicht, unmittelbar Einfluss zu nehmen auf den Entscheid.

Gewählt werden die SNB-Direktoriumsmitglieder vom Bundesrat; dort sind die Grünen nicht vertreten. Trotzdem sagt Andrey: «Ich glaube nicht, dass wir etwas gewinnen würden, wenn das Parlament das SNB-Direktorium wählen würde.»

Andrey kritisiert die Anlagepolitik der SNB

Profitieren würde die SNB gemäss Andrey viel eher von einem grösseren Direktorium: Es besteht heute aus drei Leuten. «Auf Direktoriumsstufe sollten diversere Kompetenzen vertreten sein», sagt Andrey.

Das vor allem deshalb, weil die Nationalbank über 1000 Milliarden Franken in Aktien und andere Wertpapiere investiere: «Die SNB verwaltet de facto einen der weltweit grössten Staatsfonds.»

Bei ihren Anlegeentscheiden wendet die Nationalbank selbstauferlegte Ausschlusskriterien an. So kauft sie etwa keine Aktien von Firmen, die «in grober Weise» gegen «gesellschaftlich breit anerkannte Werte» verstossen.

Für Andrey ist das zu schwammig. Er sagt: «Ich halte die Ausschlusskriterien der SNB für zu wenig systematisch, zu wenig repräsentativ und zu wenig zeitgemäss.»

>> Hier geht es zum Geldcast mit Gerhard Andrey in voller Länge:

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Das Gespräch finden Sie auch auf SpotifyExterner Link, Apple PodcastsExterner Link und in der Geldcast-Sammlung von swissinfo.ch.

AutorFabio CanetgExterner Link hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geld­politik doktoriert. Heute ist er Dozent MAS an der Universität Bern. Als Journalist arbeitet er für die SRF Arena, das Republik Magazin und swissinfo.ch. Er moderiert den Geldpolitik-Podcast «GeldcastExterner Link«.

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