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Die grosse Verunsicherung der Bankangestellten

Restrukturierungen, Entlassungen, Skandale, Angriffe auf das Bankgeheimnis: Viele Bankmitarbeiter sind verunsichert. Keystone

Tausende von Schweizer Bankangestellten leben in einem Zustand grosser Verunsicherung, weil ihre Namen den US-Justizbehörden gemeldet wurden. Nur Wenige haben sich der Übermittlung ihres Namens widersetzt. Grund: Sie haben Angst, den Job zu verlieren.

«Manchmal kann man in den Zeitungen lesen, dass kein Schweizer Bankangestellter mehr in die USA reisen kann. So ist es natürlich nicht. Wir haben keinerlei Hinweise, dass die Vereinigten Staaten alle Schweizer Bankiers verhaften wollen, um so ihrer Gefängnisse zu füllen», sagt Balz Stückelberger, Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Banken in der Schweiz (AGV).

«Wir können aber nicht ausschliessen, dass sich einzelne Personen vor der amerikanischen Justiz verantworten müssen», fügt er hinzu. Unter den Schweizer Bankiers sei tatsächlich eine grosse Verunsicherung spürbar. Und diese dürfe man nicht ignorieren.

Dieser Zustand hält mittlerweile seit zwei Jahren an. Damals hatte das US-Justizministerium angekündigt, Verfahren gegen ein Dutzend Schweizer Banken zu eröffnen, weil sie unter Verdacht standen, Tausende von US-Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen und damit das US-Gesetz gebrochen zu haben. Die US-Justizbehörden verlangten die Herausgabe von Details der Kontenbewegungen und Transaktionen. Dazu gehörten auch die Namen der Mitarbeiter, welche die US-Bürger beraten haben.

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Banker fühlt sich wegen Datentransfer verraten

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Max*, der für eine prominente Schweizer Bank gearbeitet hat, berichtet gegenüber swissinfo.ch von einer mentalen Belastung und der Angst, verhaftet, ausgeliefert und in US-Ermittlungen hineingezogen zu werden. Weil Max im Nordamerika-Geschäft des Vermögensverwaltungs-Bereichs seiner Bank tätig war, wurde sein Name ohne sein Einverständnis an die US-Behörden übermittelt, obwohl er – laut eigenen Aussagen – nur…

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Datenschutzbeauftragter mahnt

Im April 2012 hatte die Schweizer Regierung die Banken autorisiert, mit dem US-Justizdepartement zusammenzuarbeiten und «alle notwendigen Daten zum Schutze ihres eigenen Interesses zu liefern». Ein Verzicht auf diese Zusammenarbeit hätte de facto ein Ende der Geschäftsaktivitäten der betroffenen Banken bedeutet.

«Auch wenn eine Bank nicht mit eigenen Niederlassungen in den USA präsent ist, muss jede Bank Zahlungen in Dollar durchführen. Für den Zugang zu den internationalen Märkten braucht jede Bank ein Clearing-Konto in London oder New York. Eine Bank, die auf der schwarzen Liste der USA steht, kann solche Zahlungen in Dollar nicht mehr ausführen. Eine solche Bank kann schliessen», meint Pierre Louis Manfrini, Anwalt und Dozent am Hochschulinstitut für öffentliche Verwaltung (IDHEAP) in Lausanne.

Allein im letzten Jahr sollen daher die Namen von 10’000 aktuellen oder ehemaligen Mitarbeitern von Schweizer Banken bei den US-Behörden gelandet sein. Viele von ihnen waren vorab nicht über diesen Schritt informiert worden. Sie konnten sich daher auch nicht mit rechtlichen Mitteln dagegen wehren. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes hat die Banken daher gemahnt, die datenschutzrechtlichen Anforderungen bei der Lieferung von Daten einzuhalten. 

Im Jahr 2011 kündigen die US-Justizbehörden an, gegen ein Dutzend Schweizer Banken Ermittlungen eingeleitet zu haben. Sie werden verdächtigt, Tausenden von US-Kunden bei der Steuerhinterziehung geholfen und dadurch US-Gesetze verletzt zu haben.

Das US-Justizdepartement verlangt alle Informationen zu Finanztransaktionen von Banken für US-Kunden. Diese Informationen beinhalten auch Daten und Mitarbeiternamen im US-Geschäft.

2012 erlaubt die Schweizer Regierung den Banken, mit den US-Justizbehörden zusammenzuarbeiten sowie Namen und Daten von Angestellten zu liefern. Die Banken übermitteln Tausende von verlangten Daten, in vielen Fällen ohne die Betroffenen vorab zu informieren.

2013 verlangt das US-Justizdepartement weitere Daten. Die Schweizer Regierung schlägt vor, die Datenlieferung an die USA in einem eigenen Gesetz zu regeln (Lex USA).

Im Juni 2013 wird der Vorschlag vom Schweizer Parlament gebodigt. Gemäss Parlament ist er nicht mit der Souveränität der Schweiz vereinbar.

Am 3. Juli 2013 präsentiert Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf einen Plan B: Die Banken können demnach Daten nach einer Autorisierung durch die Regierung liefern. Durch diese Lösung werde Artikel 271 des Schweizerischen Strafgesetzbuches nicht verletzt (Verbotene Handlungen für einen fremden Staat).

Mehr Schutz für Mitarbeitende

Nach langwierigen Verhandlungen schloss der Schweizerische Bankpersonalverband (SBPV) Ende Mai dieses Jahres mit dem Arbeitgeberverband (AGV) und der Schweizer Bankiervereinigung (SwissBanking) eine Vereinbarung ab, um einen besseren Schutz der Angestellten vor allfälligen Konsequenzen aus der Übermittlung ihrer Daten an die USA zu garantieren.

Auf Grundlage dieser Vereinbarung verpflichten sich die Arbeitgeber, ihre Mitarbeiter frühzeitig über allfällige Dokumente zu informieren, die bei der Weitergabe von Informationen ihre Person betreffen. Zudem werden Finanzhilfen und Rechtsschutz garantiert, falls die US-Justiz Verfahren gegen diese Mitarbeiter einleitet. Schliesslich wird ein Schutz gegen Diskriminierung und Entlassungen gewährt.

«Die Arbeitgeber müssen nun bestimmte Regeln in Bezug auf den Datenschutz und die Information der Mitarbeiter befolgen. Das Problem ist heute, dass die Mitarbeitende auf Rekurse verzichten, weil sie Angst haben, den Arbeitsplatz zu verlieren», sagt Denise Chervet, Geschäftsführerin des Bankpersonalverbandes SBPV. Opposition gegen eine Übermittlung ihrer Daten kam bisher nur von zirka 20 Betroffenen. Es handelt sich dabei um ehemalige oder pensionierte Bankangestellte.

US-Reisen als Risiko

Die Konvention schützt die Angestellten aber keineswegs vor allfälligen Strafverfolgungen in den USA. Trotz intensiver Verhandlungen gelang es der Schweizer Regierung nicht, ein globales Steuerabkommen mit Washington auszuhandeln, das auch die Altlasten regelt. Die US-Behörden wollen mit ihren eigenen Untersuchungen zur Aufarbeitung der Vergangenheit fortfahren.

Nach langwierigen Verhandlungen schloss der Schweizerische Bankpersonalverband (SBPV) am 29. Mai dieses Jahres mit dem Arbeitgeberverband AGV und der Schweizer Bankiervereinigung (SwissBanking) einen Vertrag ab, um einen besseren Schutz der Angestellten vor allfälligen Konsequenzen in Folge der Übermittlung ihrer Daten an die USA zu garantieren.

Diese Vereinbarung wird von der Regierung als Standard erachtet, den es einzuhalten gilt, wenn Namen oder Daten von Bankangestellten an die USA übermittelt werden. Nicht kooperative Banken «müssen für den maximalen Schutz ihrer Mitarbeiter sorgen.»

Im Besonderen müssen sie ihre Mitarbeiter frühzeitig informieren, Rechtsschutz und einen Schutz vor Kündigungen gewährleisten.

«Die USA interessieren sich nicht primär für Personen. Sie wollen Informationen der Banken über deren Geschäftsaktivitäten mit US-Kunden. Die übermittelten Daten dienen vor allem diesem Zweck. Trotzdem stehen wir vor einem ernsthaften Problem. Ein Risiko für die Bankmitarbeiter bleibt», meint Balz Stückelberger.

Diese Risiken sieht auch Pierre Louis Manfrini. «Unter den an die US-Behörden gelieferten Namen befinden sich auch solche von Sekretärinnen, die im Auftrag ihrer Chefs eine E-Mail gesendet haben. Die US-Justiz kann kein Interesse an einer solchen Person haben, trotzdem könnte es bei einer Reise in den USA zu Komplikationen kommen. Persönlich empfehle ich alle jenen, die auf einer solchen Liste stehen, lieber zu Hause zu bleiben», lautet der Ratschlag Manfrinis.

Fehlende Rechtsgrundlage

Auch die Ablehnung der so genannten «Lex USA» durch das Schweizer Parlament hat die ungemütliche Situation für die Schweizer Bankangestellten nicht entschärft. Die Schweizer Regierung hatte mit dieser Vorlage die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Übermittlung der  Daten zur Beendigung des Steuerstreits mit den USA festlegen wollen.

Anfang Juli präsentierte Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf einen Plan B. Demnach können die Daten auch ohne ein eigenes Gesetz übermittelt werden, nämlich per Verordnung. Jede Bank muss jedoch bei der Regierung eine Autorisierung verlangen.

Dieses Vorgehen überzeugt Pierre Louis Manfrini nicht. «Die Regierung hatte dem Parlament ein Gesetz vorgelegt, um die Übermittlung der Daten an die USA auf eine Rechtsgrundlage zu stellen. Das Parlament sagte Nein. Und nun will die Regierung diese Übermittlung gleichwohl bewilligen. Meiner Meinung nach gibt es hier ein ernsthaftes Rechtsproblem.»

Diese Skepsis wird von Denise Chervet geteilt. «Nach der Ablehnung der ‹Lex USA› durch das Parlament bleibt die Lage nicht nur für die Bankmitarbeiter kritisch, die schon unter ständigen Restrukturierungen leiden, sondern auch für den Finanzplatz Schweiz. Dieser Finanzplatz braucht Sicherheit. Dieser Punkt war immer seine Stärke. Um diese Sicherheit wiederherzustellen, müssen die Probleme mit den USA so schnell wie möglich gelöst werden.» Doch vorerst heisst es abzuwarten, wie die USA auf den Plan B reagieren werden.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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