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Die hohe Inflation zwingt die Zentralbanken zu starken Zinserhöhungen

Peter Klaunzer/Keystone

Erstmals seit 2007 erhöht die Schweizerische Nationalbank ihren Leitzins. Und auch im Ausland kennen die Zinsen nur noch eine Richtung: Nach oben. Reicht das, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen?

Eigentlich passen Überraschungen nicht zum bedächtigen Naturell des Nationalbank-Präsidenten Thomas Jordan. Doch die hohe Inflation verlangt offenbar mutige Schritte.

In der Schweiz liegt die Teuerung mit 2.9 Prozent seit einigen Monaten ausserhalb des Zielbands von null bis zwei Prozent. Darum hat die Nationalbank letzte Woche erstmals seit 2007 wieder den Leitzins erhöht – und zwar gleich um 0.5 Prozentpunkte. Sie hat zudem angekündigt, dass die Zinsen schon bald wieder positiv sein könnten. Aktuell liegt der SNB-Leitzins bei –0.25 Prozent.  

Die Zinserhöhung der SNB war aus zwei Gründen eine Überraschung: Erstens hatten die meisten Kommentator:innen einen ersten Zinsschritt erst im Herbst erwartet, darunter beispielsweise Claude Maurer, der Chefökonom der Credit SuisseExterner Link. Und zweitens hat das Ausmass des Zinsschritts überrascht: Zuletzt so stark angehoben hat die Nationalbank ihre Zinsen vor 22 Jahren. Offensichtlich denkt man bei der Nationalbank, dass die Inflation in der Schweiz ohne starke Reaktion aus dem Ruder laufen könnte. Üblicherweise erhöhen die Zentralbanken ihre Leitzinsen in kleineren Schritten von nur 0.25 Prozentpunkten.

Die stärkste Zinserhöhung seit 1994 in den USA

Mit ihrer starken Zinserhöhung ist die Schweizerische Nationalbank international in guter Gesellschaft: Ebenfalls letzte Woche hat die US-Zentralbank Fed ihren Leitzins um 0.75 Prozentpunkte erhöht. Das war die stärkste Leitzinserhöhung der Fed seit 1994.

Damals begründete Externer Linkder frühere Fed-Präsident Alan Greenspan den grossen Zinsschritt damit, dass man die Zinsen vorher zu zögerlich erhöht habe.

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Eine ganz ähnliche Begründung mag letzte Woche den Ausschlag gegeben haben für die starke Zinserhöhung in den USA: Der Fed-Präsident Jerome H. PowellExterner Link gibt mittlerweile unumwunden zu, dass er die Inflationsdynamik zu lange unterschätzt habe. Auch deshalb liegt die Teuerung in den Vereinigten Staaten zurzeit bei 8.6 Prozent. Das ist nicht nur der höchste Stand seit 1981, sondern mittlerweile auch die grösste Sorge der amerikanischen BevölkerungExterner Link. Bis zum Jahresende erwartet die Fed einen Leitzins von rund 3.5 Prozent. Aktuell liegen das Zielband für die kurzfristigen US-Zinsen bei 1.5 bis 1.75 Prozent.

Die Europäische Zentralbank wartet zu

Bei der Europäischen Zentralbank (EZB) wartet man derweil mit Zinserhöhungen zu. Der Grund: Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, sagte im MärzExterner Link, dass die EZB bis mindestens im Juli neue Staatsanleihen kaufen werde. Und sie versprach: Die EZB wird erst dann die Zinsen erhöhen, wenn das Kaufprogramm ausgelaufen ist. Offensichtlich will Lagarde dieses Versprechen nicht brechen.

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Doch auch in der Eurozone werden die Zinsen bald steigen: Lagarde stellte im JuniExterner Link einen ersten Zinsschritt von 0.25 Prozentpunkten für die Juli-Sitzung in Aussicht und einen weitere Zinserhöhung von mindestens 0.25 Prozentpunkte im September. Angesichts einer Inflation von 8.1 Prozent in der Eurozone und einem Spitzenwert von 20.1 Prozent in Estland könnten die Zinsen aber schon im Juli um ganze 0.5 Prozentpunkte angehoben werden, so die Meinung einiger Kommentator:innenExterner Link. Aktuell liegen die Leitzinsen in der Eurozone bei –0.5 Prozent, und damit auf dem tiefsten Niveau weltweit.

London prognostiziert zweistellige Inflationszahlen

Im Vereinigten Königreich hat die Zentralbank die Zinsen letzte Woche um weitere 0.25 Prozentpunkte erhöht. Der Leitzins liegt nun bei 1.25 Prozent. Gleichzeitig revidierte sie ihre Inflationsprognose nochmals nach oben: Nächstes Jahr sollen die Preise um bis zu 11 Prozent steigen. Damit steht die Bank of England vor einer besonderen Herausforderung: In Grossbritannien macht sich die Stagflation bemerkbar, das heisst, das Land verzeichnet eine Inflation bei gleichzeitig tiefem Wirtschaftswachstum.

Derweil zeigt sich die japanische Zentralbank nur wenig beeindruckt vom Inflationsdruck. Zwar liegt die Teuerung in Japan ebenfalls leicht über dem Zielwert von 2 Prozent. Zuvor aber kämpfte das Land jahrelang mit zu tiefen Inflationsraten; ein möglicher Grund dafür ist die alternde Bevölkerung. Auch darum liess die japanische Zentralbank die Zinsen zuletzt unverändert bei –0.1 Prozent. Sie liess aber verlautenExterner Link, künftig «genau zu verfolgen», wie sich die Preise der importierten Güter entwickelten.

Wie geht es weiter mit der Inflation?

Ob die Zinserhöhungen der Zentralbanken ausreichen werden, um die Inflation wieder unter Kontrolle zu bringen, ist unklar. Die Prognosen der Zentralbanken sind verhalten optimistisch: Spätestens ab Mitte 2023 rechnen sie wieder mit deutlich tieferen Inflationszahlen.

«Vor uns steht eine Reise.» EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Keystone

Doch die Prognose der Zentralbanken sind nicht sehr verlässlich. Noch im Dezember des letzten Jahres sagte etwa die Fed vorausExterner Link, dass die Inflation bereits 2022 kein grösseres Problem mehr sein werde. Damit lag sie falsch. Die Zinserhöhungen der letzten Wochen zeigen aber: Die führenden Zentralbanker:innen nehmen die Inflationsrisiken mittlerweile ernst, auch wenn sie wissen, dass mit einzelnen Leitzins-Anpassungen die Arbeit nicht getan sein wird. «Erwarten wir, dass die Zinserhöhung im Juli unmittelbare Auswirkungen auf die Inflation haben wird? Die Antwort lautet: Nein», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde kürzlichExterner Link. «Vor uns steht nicht nur ein Schritt, sondern eine Reise.»

AutorFabio CanetgExterner Link hat an der Universität Bern und an der Toulouse School of Economics zum Thema Geld­politik doktoriert . Er moderiert den Geldpolitik-Podcast «Geldcast».


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