Die Mitte: Schwerpunkt auf sozialen Fragen
Damit die Auslandschweizer:innen einen Rahmen für politisches Engagement haben, setzt die Mitte auf ein internationales Netzwerk statt auf eine Auslandssektion. Maxime Marteil, stellvertretender Generalsekretär, spricht darüber, welche Bedeutung die sozialen Themen für seine Partei haben.
Die frühere Christlich-Demokratische Partei (CVP) änderte im November 2020 ihren Namen in «Die Mitte», nachdem sie zuvor mit der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP) fusioniert hatte.
Die konkrete Zahl ihrer Sympathisant:innen rund um die Welt kennt die Partei nicht. Doch Maxime Marteil sagt: «Die Namensänderung scheint sich über die Grenzen hinaus positiv ausgewirkt zu haben, denn wir beobachten ein wachsendes Interesse von Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern, auf den Wahllisten der Mitte zu kandidieren.»
- Die Mitte
- Gründungsjahr: 1912 als Schweizerische Konservative Volkspartei (erstmals als nationale Partei, bereits vorher existierten katholische Parteien in den Kantonen)
- Vorgängerparteien / Fusion: CVP und Fusion mit der BDP im Jahr 2020
- Präsidium: Gerhard Pfister
- 1 Bundesratssitz – Viola Amherd (seit 2019)
- Mitgliederzahl: 93’500
- Sitzanteil in der Bundesversammlung: 17%
- 28 Nationalrät:innen
- 14 Ständerrät:innen
- Frauenanteil in der Bundesversammlung: 6 Frauen im NR, 5 Frauen im SR (Total: 26%)
- Politische Positionierung:
- Die Mitte sieht sich als ausgleichende Kraft zwischen den politischen Polen. Mit dem Slogan «Wir halten die Schweiz zusammen» will sie eine kompromissorientierte Politik betreiben.
- Bekämpfung der wachsenden Gesundheitskosten, da die steigenden Krankenkassenprämien für immer mehr Familien zur Belastung werden.
- Die Mitte setzt sich gegen die so genannte Heiratsstrafe ein und betreibt traditionell eine aktive Familienpolitik. (SRF)
Mit der AustauschplattformExterner Link will die Partei Die Mitte Netzwerke schaffen, Informationen vermitteln und die Auslandschweizer:innen motivieren, sich politisch zu engagieren. Diejenigen, die aktiv werden möchten, haben die Möglichkeit, dies in den kantonalen Sektionen zu tun.
Auf nationaler Ebene engagiert sich die Partei in der parlamentarischen Gruppe «Auslandschweizer:innenExterner Link«, in der zu Beginn jeder Session alle hängigen Vorstösse diskutiert werden, die sich auf die Fünfte Schweiz auswirken könnten. 15 der 80 Parlamentarier:innen in der Gruppe politisieren in der Mitte-Partei.
Maxime Marteil macht klar, dass die Mitte für eine direkte Vertretung der Fünften Schweiz im Bundesparlament ist. Eine Idee, die beispielsweise in Frankreich und Italien umgesetzt ist. Damit dies umgesetzt werden kann, ist es gemäss Marteil wichtig, dass Auslandschweizer:innen auf den Wahllisten kandidieren können.
Bei den eidgenössischen Wahlen im Herbst 2023 tun sie das bei der Mitte-Partei auf den Listen von «Die Mitte International».
Die Mitte konzentriert sich programmatisch auf drei Diaspora-Themen: soziale Absicherung, Stimm- und Wahlrecht und Zugang zum Bankensystem.
Soziale Sicherheit
In Bezug auf die Krankenversicherung und die Auszahlung der AHV-Renten «unterstützen wir die Garantie eines wirksamen sozialen Schutzes, unabhängig vom Wohnort der Schweizerinnen und Schweizer, die diese empfangen», sagt Marteil. Nach wie vor seien die Regeln für den Beitritt in die freiwillige AHV/IV sehr restriktiv. Insbesondere für jene, die ausserhalb der Europäischen Union wohnen. «Wir würden es begrüssen, wenn sie gelockert würden.»
Die Mitte hat zwei Initiativen zum Thema AHV gestartet: Die Initiativen «Ja zu fairen AHV-Renten» und «Ja zu fairen Steuern» betreffen verheiratete Paare und fordern die Abschaffung von Kriterien, die als diskriminierend gelten. Die Fünfte Schweiz betrifft das PostulatExterner Link von Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, welches es möglich machen soll, die Mitgliedschaft in der Schweizer Krankenversicherung auch im Falle einer Auswanderung fortzusetzen (wir haben darüber berichtet).
Stimm- und Wahlrecht
«Die Fünfte Schweiz macht 9% der Schweizer Bevölkerung aus. Sie ist eine Realität in unserem Land und ihre Stimme muss in der direkten Demokratie hörbar sein», sagt Maxime Marteil. Die politischen Rechte der Auslandschweizer:innen sind für die Partei ein wichtiges Element des sozialen Zusammenhalts. Ebenfalls hinterfragt sie die Übertragung des Bürger:innenrechts über mehrere Generationen im Ausland nicht.
Die Mitte befürwortet die Wiedereinführung von E-Voting, aber: «Sicherheit geht vor Schnelligkeit». Der Bund müsse Massnahmen umsetzen, die Datenschutz und -sicherheit gewährleisten, damit die Stimmbürger:innen dem System vertrauen können: «Ein System ist nur dann gut, wenn es genutzt wird, und es wird nur dann gut sein, wenn die Menschen ihm vertrauen.»
Die Partei vertritt die Ansicht, dass bestimmte Gruppen wie Auslandschweizer:innen und Menschen mit Einschränkungen als erste Zugang zum E-Voting erhalten sollen. Sie unterstützt auch, dass die Post das System anbietet.
Sinnvoller Zugang zu Banken
Maxime Marteil ist sich bewusst, dass das Bankkonto aus dem Ausland Herausforderungen mit sich bringt. Er plädiert dafür, dass Schweizer:innen überall auf der Welt zu fairen Konditionen ein Bankkonto eröffnen und nutzen können. «Die von Filippo Lombardi 2017 lancierte MotionExterner Link wurde zwar abgelehnt, hatte aber eine positive Wirkung und ermöglichte es der Auslandschweizer-Organisation unter anderem, strategische Abkommen mit bestimmten Banken zu unterzeichnen», so Marteil.
Der ehemalige Ständerat Lombardi wollte damals die Grossbanken dazu verpflichten, Auslandschweizer:innen ein Konto zu garantieren. Trotz der Fortschritte schliesst die Partei die Möglichkeit nicht aus, eine ähnliche Motion erneut zu machen.
Die Mitte möchte auch in den Beziehungen Schweiz-EU eine dauerhaftere Lösung. «Wir wollen den bilateralen Weg fortsetzen, zu dem sich das Volk mehrmals entschieden hat.» Diese Beziehungen müssten jedoch Garantien in Bezug auf Löhne und sozialen Schutz bieten. Maxime Marteil sagt: «Die Partei ist offen für eine sektiorielle Übernahme europäischen Rechts, die im Interesse der Schweiz liegt.»
Kulturelle Ausstrahlung
Die Partei spricht sich für die Medien für die Fünfte Schweiz aus. «Sie sind unerlässlich für die Meinungsbildung und die Ausübung der politischen Rechte. Wir unterstützen diese Art von Service public», sagt Marteil. Dasselbe gilt für die Schweizer Verbünde im Ausland (swissnex, Schweizer Schulen). «Sollten sie mangels Finanzierung gefährdet sein, wären wir bereit, eine Stärkung ihrer Position zu prüfen.»
- Fusion geglückt: Zu Beginn schien unklar, ob die Fusion zwischen CVP und BDP überhaupt zustande kommen würde; in gewissen Kantonen wirkten die Differenzen unüberwindbar. Doch der Parteiführung ist die Fusion gelungen. In der Partei herrscht Aufbruchstimmung.
- Negativtrend gestoppt: Über Jahre verlor die CVP und seit 2020 die Mitte Sitze bei den kantonalen Wahlen. In diesem Jahr gelangen ihr aber in Zürich und im Baselbiet Sitzgewinne. Damit blickt die Partei zuversichtlicher auf die nationalen Wahlen.
- PUK-Präsidium geangelt: Mit Isabelle Chassot gelang es der Mitte, einen Prestigeposten zu besetzen, der auch bei den anderen Parteien begehrt war. Die Freiburger Ständerätin führt die Parlamentarische Untersuchungskommission, die den Zusammenbruch der Credit Suisse untersucht. (SRF)
- Mittelmässige Legislaturbilanz: Traditionell hat die Mitte bei Volksabstimmung eine hohe Erfolgsquote, da sie als Mehrheitsbeschafferin entweder mit dem linken oder dem rechten Lager zusammengeht. Doch in der aktuellen Legislatur weist sie eine weniger gute Erfolgsbilanz aus. Diese beträgt gut 70%.
- Fehlende Geschlossenheit: Von einem einheitlichen Abstimmungsverhalten der eigenen Fraktion kann die Mitte nur träumen. Mehrmals haben die Mitte-Ständerät:innen Entscheide der Mitte-Nationalratskolleg:innen gekippt – jüngst etwa beim Teuerungsausgleich für AHV-Renten oder bei der geplanten Beschaffung von Containern für Asylunterkünfte. (SRF)
Wahlkampfthemen und Ziele
- Kampf gegen steigende Krankenkassenprämien: Mit der eigenen Kostenbremse-Initiative will die Mitte die Gesundheitskosten eindämmen und so das Wachstum der Krankenkassenprämien stoppen. Die Initiative verlangt, dass Bundesrat, Parlament und Kantone eingreifen müssen, wenn die Gesundheitskosten zu stark ansteigen.
- Kampf gegen die Heiratsstrafe: Verheiratete werden höher besteuert und erhalten pro Kopf eine tiefere AHV-Rente als unverheiratete Paare. Mit den beiden Volksinitiative «Ja zu fairen Steuern» und «Ja zu fairen AHV-Renten» will die Mitte diese «Ungerechtigkeit bekämpfen» und die Verheirateten entlasten.
- Kampf für eine sichere Schweiz: Unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine betont auch die Mitte die Sicherheitspolitik wieder stärker. Sie wehrt sich gegen den Pazifismus der Linken und den Isolationismus der Rechten und setzt sich dafür für eine internationale Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik ein. (SRF)
Ausgangslage und Aussichten
Zahlt sich die Fusion aus? Gibt eins und eins zwei? Oder sogar mehr? Für die Mitte sind diese nationalen Wahlen besonders, weil es die ersten Wahlen nach der Fusion sind. Für die Mitte steht also die Bewährungsprobe an, ob sich die Fusion gelohnt hat. Grundsätzlich muss es das Ziel der Partei sein, mindestens die Wahlanteile der beiden Vorgängerparteien zu erreichen. Das wäre ein Wähler:innenanteil von 13,8%.
Herausforderung Städte: Parteipräsident Gerhard Pfister hat das Ziel vorgegeben, die Mitte wolle wachsen. Dabei wird interessant sein zu sehen, ob die Partei in den städtischen Gebieten (wo die CVP nie eine grosse Rolle spielen konnte) tatsächlich zulegen und gleichzeitig in ihren Hochburgen, also in den katholisch geprägten Regionen (Oberwallis, Freiburg, Zentralschweiz), den Wähleranteil halten kann.
Hochburg Ständerat verteidigen: Eine besondere Rolle kommt der Mitte im Ständerat zu, wo sie mit 14 Sitzen die stärkste Fraktion ist. Diese Sitze gilt es zu verteidigen, damit die Partei in der Schweizer Politik auch künftig eine zentrale Position einnehmen kann. (SRF)
Mitarbeit SRF: Rafael von Matt
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