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Die schwierige Situation der Grenzgänger:innen im Homeoffice

Ein Mann arbeitet an seinem Laptop in einem Café in England
Als Arbeitnehmer:in eines Schweizer Unternehmens vom Ausland aus zu arbeiten, wird kompliziert bleiben. Copyright 2021 The Associated Press. All Rights Reserved.

Viele Arbeitnehmer:innen träumen davon, für ein Schweizer Unternehmen aus dem Ausland zu arbeiten. Ein kürzlich unterzeichnetes Abkommen zwischen der Schweiz und Frankreich hat in dieser Hinsicht Hoffnungen geweckt. Doch die Telearbeit von Grenzgänger:innen wirft nicht nur rechtliche Fragen auf.

Im Dezember 2022 gaben die Schweiz und Frankreich bekannt, dass sie eine dauerhafte Lösung für die Besteuerung der Einkünfte von Grenzgänger:innen aus der Telearbeit gefunden haben.

In Frankreich wohnhafte Personen, die in der Schweiz beschäftigt sind, können bis zu 40% ihrer Jahresarbeitszeit (bisher 25%) aus der Ferne arbeiten, ohne dass sich die Art und Weise ändert, wie ihr Einkommen besteuert wird.

Bereits im Mai 2020 wurde aufgrund der beschlossenen Reisebeschränkungen zur Bekämpfung der Ausbreitung von Covid-19 eine mehrfach verlängerte vorläufige Verständigungsvereinbarung getroffen, die Grenzgänger:innen ermöglichte, von zu Hause aus zu arbeiten.

Die Steuer-Frage

Die Nachricht war eine Erleichterung für Hunderttausende von Grenzgänger:innen. Doch lässt sie nicht auf eine tiefgreifendere Veränderung schliessen.

Die Staaten scheinen in erster Linie aus steuerlichen Gründen die Remote-Arbeit aus dem Ausland für andere Kategorien von Arbeitnehmer:innen als diejenige der Grenzgänger:innen zu öffnen.

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Im Steuerrecht gilt das Territorialitätsprinzip.»Die seit Jahrzehnten im OECD-Musterabkommen aufgestellte allgemeine Regel besagt, dass Vergütungen für eine unselbstständige Erwerbstätigkeit grundsätzlich in dem Staat besteuert werden, in dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird», sagt Frank Wettstein, Sprecher des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen (SFI).

Konkret bedeutet dies, dass Personen mit Arbeitnehmendenstatus ihre Steuern dort zahlen, wo ihre berufliche Tätigkeit physisch ausgeübt wird.

So müsste beispielsweise eine Person, die von ihrem französischen Wohnsitz aus für ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz arbeitet, ihre Steuern in Frankreich zahlen. Dieser Paradigmenwechsel würde für die Schweiz einen enormen Einnahmeverlust bedeuten.

Andererseits sieht das französische Recht in einem solchen Fall vor, dass der Schweizer Arbeitgeber für seine in Frankreich steuerpflichtigen Arbeitnehmenden eine Quellensteuer erheben muss.

«Nach Schweizer Recht würde der Steuerabzug in der Schweiz für einen ausländischen Staat jedoch eine Straftat darstellen», warnt Wettstein.

Das Problem der Sozialversicherungen

Ein weiterer Stein des Anstosses sind die Sozialversicherungen. Normalerweise gilt die Regel, dass eine Person, die in einem Schweizer Unternehmen angestellt ist und nicht mehr als 25% ihrer Tätigkeit im Ausland ausübt, im Schweizer Gesundheitssystem versichert ist. Derzeit gilt jedoch eine bis zum 30. Juni 2023 gültige Verständigungsvereinbarung, die 40% toleriert.

Umgekehrt hat die Telearbeit an mehr als einem Tag pro Woche aus der Wohnung im Ausland zur Folge, dass man nur noch dem Sozialversicherungssystem des Wohnsitzlandes angehört.

In diesem Fall muss der Schweizer Arbeitgeber die erforderlichen administrativen Schritte bei der ausländischen Krankenkasse einleiten.

«Da die Beiträge in vielen Ländern höher sind als in der Schweiz, sind die Schweizer Arbeitgebenden in dieser Hinsicht oft zurückhaltend», sagt Nicole Töpperwien, Geschäftsführerin der Genossenschaft Soliswiss.

Arbeitnehmende, die für ein Schweizer Unternehmen arbeiten, während sie im Ausland angestellt und wohnhaft sind, bewegen sich daher in einem rechtlich problematischen Bereich. Zudem entsteht für Arbeitgeber:innen ein hoher Verwaltungsaufwand.

Es gibt jedoch andere Formen, die eine grössere Flexibilität ermöglichen:

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Die Grenzen der Telearbeit

Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber:innen erkennen in der der Telearbeit Vorteile, auch für Grenzgänger:innen: «Bei zwei Tagen pro Woche überwiegen die Vorteile. Motivation und die Effizienz der Beschäftigten steigen. Bei mehr als zwei Tagen läuft man Gefahr, dass die Nachteile überhand nehmen», sagt Marco Taddei, Westschweizer Leiter des Schweizerischen Arbeitgeberverbands.

Positive Auswirkungen hat die Telearbeit auch auf die Bereiche Verkehr (weniger Menschen auf den Strassen bedeuten weniger Staus oder überfüllte Züge), Umwelt (weniger Fahrten bedeuten weniger Luftverschmutzung) und Immobilien (weniger Personal vor Ort führt dazu, dass weniger Bürofläche benötigt wird).

Experten warnen jedoch vor den Gefahren, welche die Arbeit im Homeoffice mit sich bringt, wenn sie in hohem Masse ausgeübt wird.

«Es ist erwiesen, dass der Verlust der Verbindung zwischen der arbeitnehmenden Person und ihrem Arbeitsplatz und ihrem Team die psychosozialen Risiken wie Isolation, Stress und Überforderung erhöht», sagt Benoît Gaillard, Co-Leiter der Kommunikationsabteilung des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds.

Ausserdem stellt sich in der Ferne die Frage nach der Einhaltung der Rechtsvorschriften in Bezug auf Arbeitszeiten oder Löhne. Nach Ansicht der Gewerkschaften steigt das Risiko von Dumpinglöhnen, da eine im Ausland in Vollzeit im Telearbeitsverhältnis beschäftigte Person die gängigen Praktiken in ihrer Branche weniger gut kennt.

Trotz der zunehmenden Digitalisierung der Arbeitswelt und der durch die Covid-Krise vorangetriebenen Telearbeit sind sich Gewerkschaften und Arbeitgeber:innen einig, dass die sozialen Bindungen in Unternehmen nach wie vor von zentraler Bedeutung sind.

Warum Grenzgänger:innen und nicht andere?

Die Tatsache, dass Grenzgänger:innen in Frankreich zwei Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten dürfen, kann die Frage nach der Gleichbehandlung mit anderen Personalkategorien aufwerfen.

Taddei ist vom Gegenteil überzeugt. Die verabschiedete Regel verhindere Reibungen innerhalb der Schweizer Unternehmen: «Stellen Sie sich vor, Sie sind Grenzgänger und können nicht telearbeiten, während Ihre in der Schweiz ansässigen Kolleginnen und Kollegen dazu die Möglichkeit bekommen. Das würde zu einer Ungleichbehandlung führen, die schwer zu rechtfertigen wäre.»

Aus wirtschaftlicher Sicht, da sind sich die Expertinnen und Experten einig, war entscheidend, eine dauerhafte Lösung mit Frankreich zu finden, um die Attraktivität des Schweizer Arbeitsmarkts zu erhalten. Die Forderung kam sowohl von den betroffenen Arbeitnehmer:innen als auch von den Arbeitgeber:innen.

«Für einige Grenzregionen der Schweiz ist es offensichtlich von entscheidender Bedeutung, weiterhin auf qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Grenzgebiet zählen zu können», sagt Gaillard.

Laut der Eidgenössischen Finanzverwaltung «gilt als Grenzgänger, wer in einem Staat ansässig ist, jedoch in einem anderen Staat bei einem dort ansässigen Arbeitgeber eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und ‹in der Regel› täglich in den Staat zurückkehrt, in dem er ansässig ist».

Maximal 45 Übernachtungen sind ausserhalb des Wohnsitzlands erlaubt. Diese Zahl umfasst sowohl Aufenthalte im Staat der Berufsausübung als auch Dienstreisen.

Die Situation in anderen Ländern

Von den Nachbarländern der Schweiz zählt Frankreich den grössten Anteil an Grenzgänger:innen (ca. 215’000). Das entspricht mehr als der Hälfte aller Personen mit Grenzgänger:innenstatus.

Laut Töpperwien war deshalb der Druck auf die Länder gross, eine gemeinsame Lösung zu finden. Die Bedeutung dieser Arbeitskräfte für viele Wirtschaftszweige in den Grenzkantonen ist gross, besonders in der Westschweiz.

In Italien endete die Verständigungsvereinbarung, die Telearbeit erlaubte, am 31. Januar. Bern und Rom beschlossen, die Vereinbarung nicht zu verlängern, die potenziell fast 90’000 im Kanton Tessin tätige italienische Grenzgänger:innen betrifft.

In Deutschland ist das Abkommen bereits am 1. Juli 2022 ausgelaufen. Das hat zur Folge, dass wieder die Situation vor Covid-19 gilt. Erlaubt ist ein Tag Telearbeit pro Woche.

Mit Österreich wurde nie eine Vereinbarung getroffen. «Soweit uns bekannt ist, gibt es derzeit keine weiteren Verhandlungen über Telearbeit», sagt Wettstein vom SFI.

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Übertragung aus dem Französischen: Michael Heger

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