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Diese Frau sorgt für Wohlstand in der Schweiz

Alexandra Baumann
Alexandra Baumann leitet die Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit im Aussendepartement. Eda

Aussenpolitik wird immer relevanter für den Wohlstand der Schweiz. Umso wichtiger ist Kohärenz zwischen Aussen- und Innenpolitik. Im schweizerischen Aussendepartement gibt es dafür eigens eine Abteilung.

Damit etwa in einer Pandemie das Bundesamt für Gesundheit nicht einen anderen Standpunkt vertritt als Schweizer Diplomat:innen im Ausland, sorgt seit rund 20 Jahren die Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit des Aussendepartements für Kohärenz zwischen Innen- und Aussenpolitik. Wir haben mit der neuen Chefin, Alexandra Baumann, gesprochen.

Alexandra Baumann (*1974) wuchs in Kreuzlingen auf und studierte Politikwissenschaften. Seit 2006 ist sie als Diplomatin tätig, unter anderem in der Schweizer Botschaft in Berlin sowie an der schweizerischen Mission bei der UNO in New York. Seit September leitet sie die Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit im Staatssekretariat des Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA.

swissinfo.ch: Ihre Abteilung soll für Kohärenz sorgen, ist aber beim Aussendepartement angesiedelt. Wie kommt das bei den anderen Departementen an?

Wir sind die Interessensvertreter des EDA, wir sind die aussenpolitische Linse. Wir arbeiten aber sehr eng und in den allermeisten Fällen sehr gut mit den internationalen Abteilungen der anderen Ämter zusammen, zum Beispiel mit jenen des Bundesamtes für Gesundheit, des Bundesamtes für Energie oder des Bundesamtes für Umwelt. Ab und zu gibt es Zielkonflikte, die man dann ausdiskutieren muss.

Zum Beispiel?

Die Sanktionen. Wir sind Schutzmacht von den USA im Iran. Es gibt Bestrebungen, Sanktionen gegen den Iran zu übernehmen. Da kommt unsere aussenpolitische Abwägung zum Zug, die dann sagt: Das sind die Vorteile, das sind die Nachteile, so könnte es unser Schutzmacht-Mandat beeinflussen. Dann gilt es eine politische Abwägung zu treffen. Die trifft dann immer die Departementsspitze.

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Bei den Sanktionen liegen die Interessenskonflikte zwischen Innen- und Aussenpolitik auf der Hand. Aber es gibt sie auch bei der Wirtschaft, wenn zum Beispiel eine Firma in Infrastruktur-Grossprojekte im Ausland investieren will. Die Aussenpolitik pocht auf Nachhaltigkeit, innenpolitisch geht es eher um die Förderung der Schweizer Wirtschaft. Als Schweiz müssen wir da einen Mittelweg finden. Wir dürfen den Firmen nicht so viele Steine in den Weg legen, dass sie den Auftrag nicht bekommen, aber gleichzeitig muss unsere Wirtschaft im Ausland glaubwürdig sein und hohe Standards erfüllen.

Gibt es häufig Differenzen zwischen dem Aussendepartement und anderen Ämtern?

Absolut, die gibt es oft. Die aussenpolitische Sichtweise ist häufig eine andere als die rein innenpolitische Sichtweise eines anderen Departements. Da braucht es das Gespräch. Wir sind zum Glück eine Konsensdemokratie. Jeder kommt mit seinen besten Argumenten und am Ende findet man einen Konsens.

Sie sind seit zwei Monaten Chefin der Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit. Was war die grösste Herausforderung in dieser Zeit?

Die Sanktionen. Wir hatten den Dienst für Sanktionen schon immer, aber seit ich hier bin, ist die Arbeit rasant nach oben geschossen – natürlich wegen der Sanktionen gegen Russland. Diese brauchen immer eine aussenpolitische Abwägung. Auch gegenüber der Bevölkerung müssen wir die Sanktionen erklären.

Die Erklärungsarbeit ist ein wichtiges Element unserer Arbeit. Ich denke da auch an die Agenda 2030: Jeder kennt den Begriff der SDGs [Ziele für nachhaltige Entwicklung, die bis 2030 global und von allen UNO-Mitgliedstaaten erreicht werden sollen, A.d.R.], aber was sie für die einzelnen Bürger:innen bedeuten, da müssen wir Übersetzungsarbeit leisten.

Wohlstand zum Ziel der Aussenpolitik zu erklären, klingt das nicht egoistisch?

Nein, insbesondere dann nicht, wenn man Wohlstand mit ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit im Sinne der Agenda 2030 verbindet. Beide Ziele, Wohlstand und Nachhaltigkeit, sind uns gemäss Verfassung vorgegeben. Sie bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. So ist es kein Zufall, dass uns 2018 einer der beiden Delegierten des Bundesrates für die Agenda 2030 zugeteilt wurde. Er setzt sich dafür ein, dass die Nachhaltigkeitsziele nicht nur in der Entwicklungszusammenarbeit, sondern generell in unserer Aussenpolitik gelebt werden.

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Inwiefern wird Aussenpolitik wichtiger für den Wohlstand der Schweiz?

Wir sind eines der am stärksten globalisierten Länder dieser Welt. Unsere Wirtschaft ist hoch vernetzt. Diese Vernetzung basiert immer auf guten Beziehungen. Die bilateralen Beziehungen, die wir mit vielen Ländern über Jahre hinweg aufgebaut und gepflegt haben, tragen zum Wohlstand der Schweiz bei. Ich höre immer wieder von Schweizer Firmen, die im Ausland tätig sind und sich bei Problemen als Erstes an die Schweizer Botschaften wenden, die unterstützend eingreifen können. Da kann die Aussenpolitik einen wichtigen Mehrwert bringen.

Laut Expert:innen ist das internationale Umfeld für die Schweizer Aussenpolitik schwieriger geworden, Schweizer Sonderlösungen wie flankierende Massnahmen oder das Bankgeheimnis werden kritischer gesehen. Spüren Sie das bei Ihrer Arbeit?

Ich glaube nicht, dass es schwieriger geworden ist. Man muss Aussenpolitik stärker erklären als man das vielleicht früher musste.

Natürlich sind unsere Beziehungen zur EU im Moment nicht einfach. Es braucht eine langfristige, solide Lösung. Eine solche ist derzeit noch nicht in greifbarer Nähe. Aber beide Seiten bewegen sich im Rahmen der laufenden Sondierungen Schritt um Schritt auf einander zu.

In meiner Abteilung betrifft es besonders die Wissenschaft. Die Nichtassoziierung der Schweiz am Forschungsprogramm Horizon ist ein Problem – und das für beide Seiten. Die Schweiz hat Massnahmen getroffen, um das abzufedern, aber das ist die zweitbeste Lösung. Auch unsere Massnahme zum Schutz der Schweizer Börseninfrastruktur funktioniert sehr gut, ist aber nur die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung wäre, in all diesen Bereichen Äquivalenz zu haben. Wir hoffen, dass wir dies in den nächsten Jahren erreichen werden.

Angesichts der Veränderungen der Aussenpolitik in den letzten Jahrzehnten: Muss die Schweiz ihre eigenen Interessen unverblümter vertreten als auch schon?

Ich glaube, wir sind stärker auf Partner angewiesen als wir das früher vielleicht waren. Ich beobachte das im multilateralen Kontext. Es wird schwieriger, den Status Quo halten zu können. Frühere Verhandlungsergebnisse sind nicht mehr der minimale gemeinsame Nenner. Der Druck von gewissen Staaten, sie zu untergraben, wird grösser. Vermutlich hat sich auch der Ton verschärft. Aber das ist allgemein so, nicht nur in der Aussenpolitik.

Wir als Vollblut-Multilateralist:innen – die Schweiz ist Gaststaat des zweitgrössten Uno-Sitzes – müssen Allianzen schaffen, um gegen die grossen mächtigen Kräfte anzukommen, die sich ihre Plätze mit Stärke und nicht durch Recht suchen. Es braucht Allianzen, um ein Gegengewicht zu schaffen. Und das macht die Schweiz sehr gut.

Das Verhältnis von Innen- und Aussenpolitik hat sich im Zuge der Globalisierung grundlegend gewandelt. Es gibt kaum mehr ein Feld der Innenpolitik, das nicht auch eine starke aussenpolitische Dimension aufweist.

Damit die Schweiz nach aussen einen geeinten Standpunkt vertritt, wurde vor rund 20 Jahren im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA die Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit geschaffen. Sie soll für Kohärenz zwischen der Aussen- und Innenpolitik sorgen und den Austausch zwischen dem EDA und den anderen Departementen stärken. Die Abteilung bringt die aussenpolitische Perspektive in Bereiche wie Wirtschaft, Finanzen, Energie, Klima, Wissenschaft oder Gesundheitspolitik ein.

Die Abteilung Wohlstand und Nachhaltigkeit besteht aus vier Sektionen und dem Dienst des Delegierten des Bundesrates für die Agenda 2030.

Quelle: EDAExterner Link

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