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Wenn eine Speichelprobe das Leben verändern kann

una persona con la bocca aperta e una mano che tiene un bastoncino cotonato
Eine Speichelprobe genügt, um Herkunft oder Veranlagungen für Krankheiten zu erkennen. Keystone

Die Zahl der Gentests nimmt weltweit zu – auch in der Schweiz. Solche genetischen Analysen werden häufig gemacht, um mehr über die eigene Herkunft zu erfahren, Verwandte ausfindig zu machen, Krankheiten zu diagnostizieren oder um persönliche Fitness-Programme und Diäten festzulegen. Die DNA-Tests versprechen viele Antworten. Doch es stellen sich auch zahlreiche Fragen.

«Auf diese Nachricht habe ich lange gewartet. Nun habe ich endlich die Antwort auf ein Rätsel, das mich mein Leben lang beschäftigt hat», hiess es in der Mail. Als Damien (Name von der Redaktion geändert) diese Nachricht auf dem Rechner vorfand, blieb er wie versteinert. Denn er hatte nicht damit gerechnet, dass eine Geschichte, die fast scherzhaft begann, sein Leben verändern würde. «Ich habe ein Familiengeheimnis herausgefunden», vertraut uns der Mann an, der beruflich als Sicherheitsinformatiker tätig ist und anonym bleiben will.

In der Schweiz gibt es 14 Unternehmungen, die im Bereich der aussermedizinischen Genanalysen tätig sind. Die wichtigsten Unternehmen sind ProGenomExterner Link (Fitness/Ernährung), Soledo (Fitness/Ernährung) und iGENEA (Genealogie und Ahnenforschung).

Zudem gibt es rund 400 ausländische Firmen, die ihre Dienstleistungen (online) anbieten. Jedes Jahr verkauft iGENEA rund 3500 Tests. Der Preis pro Test beträgt zwischen 240 und 1’400 Franken. Der Gesamtumsatz wird auf rund 5 Millionen Franken geschätzt.

(Quelle: Marktanalyse des Beratungsunternehmens BSS-Basel aus dem Jahr 2015).

Doch beginnen wir von vorne. «Alles begann mit einer Wette, die ich mit meiner Frau abgeschlossen hatte. Wir wollten wissen, wer von uns beiden näher mit einem Neandertaler verwandt ist», erzählt Damien. Der Verlierer oder die Verliererin der Wette sollte dem Partner ein Steak spendieren.

Testergebnis nach einem Monat

Das Paar aus Lausanne wandte sich für die Ahnenforschung an das Gen-Institut 23andMeExterner Link, ein führendes amerikanisches Unternehmen im Bereich der DNA-Tests. «Wir erhielten auf dem Postweg das Set. Der Test ist ganz einfach: Man muss nur ein Wattestäbchen in den Mund einführen», erinnert sich Damien. Dann sandten sie die Speichelproben in die USA. Kostenpunkt für den Test: 300 Franken.

Nach einem Monat erhielt Damien die Testresultate. Das Ergebnis konnte er kaum glauben, denn seine Familie hatte sich vergrössert. Und zwar beträchtlich. «1033 Personen teilten mindestens 0,5 Prozent meiner Gene: Theoretisch sind dies Cousins der vierten und fünften Generation», erzählt er.

Doch ein Eintrag brachte ihn förmlich aus dem Gleichgewicht. «Ganz oben auf der Liste stand ein in den USA lebender Mann, ein gewisser Jake, mit dem es eine Übereinstimmung von 21,9 Prozent gab. Gemäss 23andMe handelte es sich um meinen Grossvater väterlicherseits. Doch den kannte ich ja und er war gestorben», sagt Damien. Er war überzeugt, dass der Test unbrauchbar sei und er 300 Franken aus dem Fenster geschmissen habe.

Er kontaktierte gleichwohl diesen Jake, um sich zu erkundigen, ob er irgendeine Beziehung zur Schweiz habe. Nach zwei Tagen erhielt er die eingangs zitierte Mail. Der Amerikaner war ein Adoptivkind und er hatte lange vergeblich versucht, seine biologische Mutter ausfindig zu machen. Er wusste nur, dass diese mit einem Schweizer Geschäftsmann zusammen war. «Und dieser war mein Vater!», sagt Damien, der es immer noch nicht fassen kann, auf der anderen Seite des Atlantiks einen Halbbruder gefunden zu haben.

Die weltweit grösste Datenbank  

Was Damien und seine Frau getan haben, liegt im Trend. Immer mehr Menschen lassen DNA-Tests ausführen. Laut Branchenschätzungen hat sich die Anzahl direkt bestellter Tests im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr auf über 12 Millionen verdoppelt. Dank technologischen Fortschritts und immer besserer Resultate bei sinkenden Preisen sind diese Tests zu einem echten Business geworden – in der Schweiz wie im Ausland.

«Zu wissen, woher wir kommen, ist ein menschliches Bedürfnis.»

Caroline Barkan, iGENEA

«Dieses Phänomen nimmt zu. Es ist im Übrigen ein ureigenes Bedürfnis der Menschen zu wissen, wo sie herkommen», sagt Caroline Barkan, eine Spezialistin für DNA-Ahnenforschung beim Institut iGENEAExterner Link mit Sitz in Baar (Kanton Zug). Die Firma bietet genetische Ahnentests an. Die eigentlichen Tests werden bei Partnerunternehmen in den USA durchgeführt. «Ich glaube nicht, dass es entsprechende Geräte in Europa gibt», meint Barkan.

Die Kundschaft für diese genetischen Analysen ist laut Barkan weit gestreut: Familien, Waisen oder auch einfach Personen, die den Stammbaum ihrer Familie vervollständigen wollen. Eine Statistik zur Zahl der Anfragen liefert sie nicht.

Bekannt ist hingegen die Zahl der Profile, die in der Datenbank enthalten ist, welche iGENEA gemeinsam mit der National Geographic Society verwaltet: «Es handelt sich um rund 700‘000 Einträge. Es ist die weltweit grösste Datenbank in Bezug auf genealogische Profile.»

Unklare Gesetzeslage

Gentests werden verwendet, um die persönliche Herkunft sowie mögliche Verwandtschaftsgrade zu erforschen. Doch in den letzten Jahren sind weitere Zweckbestimmungen hinzugekommen. Immer mehr Unternehmungen bieten auch Tests an, um ein massgeschneidertes Ernährungs- oder Fitnessprogramm auszuarbeiten oder eine Verletzungswahrscheinlichkeit zu eruieren. Es handelt sich um so genannte Liftestyle-Tests, die in der Schweiz in Apotheken oder Schönheitszentren erworben werden können.

Die Verlässlichkeit dieser Testes ist allerdings mehr als fragwürdig. Einige Ärzte vergleichen sie mit Horoskopen. Auch die Behörden sind keineswegs begeistert. Das Bundesgesetz zu genetischen Untersuchungen beim Menschen (GUMG) aus dem Jahr 2007 trägt laut der Schweizer Regierung den jüngsten Entwicklungen nicht Rechnung, etwa den kommerziellen DNA-Tests, insbesondere wenn sie von ausländischen Unternehmungen angeboten werden.

«Wenn die Tests in der Schweiz durchgeführt werden, sind die Daten sehr gut geschützt.»

Joëlle Michaud, Gene Predictis

Privatsphäre und Ethik

Die Regierung hat aus diesem Grund eine Revision des Gesetzes vorgeschlagen, «auch um Missbräuchen zuvorzukommen und die Privatsphäre zu schützen.» Die Vorlage wird momentan vom Parlament beraten.

Der Nationalrat (Volkskammer) hat im Februar bereits ein deutliches Zeichen gesetzt, als er der Revision mit überwältigender Mehrheit zustimmte. Dabei wurde auch festgelegt, dass Lebensversicherungen, die Policen von unter 400’000 Franken abgeschlossen haben, keinen Zugriff auf Testresultate haben dürfen, welche die Veranlagungen für bestimmte Krankheiten aufzeigen.

Joëlle Michaud ist wissenschaftliche Direktorin von Gene PredictisExterner Link, einem auf genetische Untersuchungen spezialisierten Labor, das vom Bundesamt für Gesundheitswesen (BAG) anerkannt ist. Ihrer Meinung nach ist die Privatsphäre bei den in der Schweiz durchgeführten Tests gewahrt. «Die Resultate dürfen nur an den Arzt weitergegeben werden, der die Analysen verlangt hat. Dieser gibt sie dem Patienten weiter. Es gibt keine globalen Datenbanken für diese Tests», sagt Michaud gegenüber swissinfo.ch.

Doch diese Zusicherungen zerstreuen bei Kritikern nicht alle Zweifel. Der Verein BiorespektExterner Link hat sich zum Ziel gesetzt, die Bürger über die kritischen Aspekte der Genanalysen zu informieren. Zudem ist der Verein der Meinung, dass das Datenschutzgesetz die Frage des Umgangs mit genetischen Informationen unzureichend behandelt.

Ruth Baumann-Hölzle, Direktorin des Instituts Dialog Ethik in ZürichExterner Link, erinnert ihrerseits an die Risiken, denen sich Personen aussetzen, wenn sie genetische Analysen ausführen lassen. So kann ihrer Meinung nach das Wissen, Träger einer bestimmten Krankheit zu sein, das Suizid-Risiko steigern, wie sie in einem Beitrag für das Schweizer Fernsehen SRF erklärt.

Externer Inhalt

Sich auf Eventualitäten vorbereiten

Damien war sich dieser Risiken bewusst, als er den Test machen liess: «Ich habe daher auch gezögert. Denn es gibt nichts Persönlicheres als den eigenen genetischen Code. Und die Idee, dass sich dieser in einer Datenbank befindet, gefällt mir nicht.»

Doch auch die emotionalen Seiten dieser Tests sind nicht zu unterschätzen. «Die Entdeckung, einen Halbbruder zu haben, hat mir Freude gemacht und mich zugleich schockiert», hält Damien fest. Sein Vater sei schon lange verstorben. «Doch was wäre, wenn er noch am Leben wäre?» Damien empfiehlt, sich auf alle Eventualitäten einzustellen.

Für den Halbbruder Jake ging diese Geschichte gut aus. Seit ihrem ersten Kontakt hören sich die beiden nun fast täglich. «Ich habe einen Halbbruder gewonnen sowie ein Steak», scherzt Damien. Denn er hat die Wette mit seiner Frau gewonnen. Der Test ergab nämlich, dass die Ehefrau näher mit den Neandertalern verwandt ist als er.

Die Revision des Gesetzes über genetische Untersuchungen beim Menschen Externer Linkzielt darauf ab, auch kommerzielle Tests ausserhalb des medizinischen Anwendungsbereichs zu regeln. Damit soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden.

Medizinische Gentests dürfen weiterhin nur von Ärzten verschrieben werden. Neuerungen gibt es im Umgang mit «Überschuss-Informationen» (Informationen, die nebenbei aufgedeckt werden und nicht Zweck der Untersuchung waren): Die Person wird entscheiden können, welche Informationen ihr mitgeteilt werden sollen. Zudem ist es verboten, Versicherungen die Resultate von Gentests mitzuteilen oder das Geschlecht eines ungeborenen Kindes den Eltern vor Ablauf der 12. Schwangerschaftswoche bekanntzugeben.

Gentests im nicht-medizinischen Bereich (Lifestyletests oder genealogische Analysen) dürfen Konsumenten direkt, auch über das Internet, angeboten werden, wenn sie kein Missbrauchs- oder Diskriminierungspotenzial aufweisen. Ist dies nicht der Fall, beispielsweise bei Prüfungen von Sportfähigkeiten, müssen die Tests von Medizinalpersonen verschrieben werden. Weder Arbeitgeber noch Versicherungen dürfen genetische Daten verlangen oder nutzen.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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