Dreckiges Mineral für saubere Autos
Der Abbau von Kobalt aus dem Kongo, der für Elektroautos verwendet wird, steht im Zusammenhang mit schweren Menschenrechtsvertössen. Deshalb gehöre der Rohstoff ins neue Gesetz zur Konzernverantwortung, fordern zwei Schweizer Wirtschafts- und Menschenrechtsexpertinnen.
Im Kern ging es bei der Konzernverantwortungsinitiative darum, dass Schweizer Unternehmen die Menschenrechte und Umweltstandards auch im Ausland respektieren und bei Nichteinhaltung haften. Sie scheiterte 2020 am Ständemehr. Somit tritt der indirekte Gegenvorschlag in Kraft – die Bundesversammlung hält zurzeit Konsultationen ab.
Der Gegenentwurf ist weniger streng. Er verlangt von Unternehmen, die mit Metallen und Mineralien handeln oder diese verarbeiten, nur dann eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht, wenn die Ressourcen aus «Konflikt- und Hochrisikogebieten» stammen oder wenn «Kinderarbeit involviert sein könnte». Diese Pflicht gilt für 23 Rohstoffe, einschliesslich der vier «Konfliktmineralien» Zinn, Tantal, Wolfram und Gold, die auch als 3TG bekannt sind. Kobalt, der wohl gefragteste Rohstoff der nächsten Jahre, steht nicht auf der Liste. Das sollte er aber.
Steigende Nachfrage
Kobalt ist ein wichtiger Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien, die etwa Handys und Elektroautos antreiben. Beschleunigt durch Investitionen in grüne Energie nimmt der Absatz von E-Fahrzeugen rasant zu, wodurch die Nachfrage nach Kobalt dramatisch steigt.
SRF, Einstein vom 06.05.2021: Elektroautos in der Schweiz – Wie ökologisch sind sie heute?
Trotz der negativen Auswirkungen der Corona-Pandemie sind die weltweiten Verkäufe von Elektrofahrzeugen im Jahr 2020 um 40 Prozent gewachsen und haben sich im ersten Quartal 2021 mehr als verdoppelt. Der Kobaltpreis ist in diesem Jahr bereits um 60 Prozent gestiegen. Die Internationale Energieagentur erwartet, dass der Kobaltbedarf im Jahr 2040 sechs- bis dreissigmal so hoch sein wird wie heute.
Mehrere Automobilhersteller investieren zwar in Technologien zur Herstellung kobaltfreier Batterien. Doch Experten erwarten, dass diese Alternativen in weniger als 20 Prozent der Elektrofahrzeuge, welche während den nächsten zehn Jahren verkauft werden, verbaut werden.
Tödliche Unfälle
Kobalt ist wichtig für den Übergang zu klimaschonender Energieproduktion. Doch das Mineral ist auch mit schweren Menschenrechtsverletzungen verbunden.
Mehr als zwei Drittel des weltweit geförderten Kobalts stammen aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK), welche in der EU-Verordnung über Konfliktmineralien und dem amerikanischen Dodd-Frank-Verbraucherschutzgesetz ausdrücklich als «konfliktbetroffenes und hochriskantes Gebiet» bezeichnet wird.
SRF, International vom 19.10.2019: Kobalt-Abbau im Kongo – Kinder schuften in Minen trotz Verbot
Kobalt wurde von den amerikanischen und europäischen Regulierungsbehörden zwar nicht als Konfliktmineral wie Gold eingestuft, da es nicht aus einem Kriegsgebiet wie dem Osten der DRK stammt, der von Rebellen kontrolliert wird.
Doch Kobalt wird in einem anderen Hochrisikogebiet abgebaut, wo Kinderarbeit floriert und immer wieder Sicherheitsprobleme auftreten. 2016 veröffentlichte Amnesty International einen entsprechenden Bericht.
Seither gab es eine Reihe tödlicher Unfälle in kongolesischen Kobaltminen, zuletzt 2019, als 42 Bergleute ums Leben kamen. Die Mineure arbeiteten in einer Konzession, die einem Betrieb gehörte, der sich im Besitz des schweizerisch-angloamerikanischen Rohstoff-Giganten Glencore befindet.
Schweiz als Drehscheibe
Die Aufnahme von Kobalt in das neue Gesetz ist im Schweizer Kontext besonders wichtig, da die Schweiz mit Glencore und Trafigura zwei der grössten Akteure in der globalen Kobaltlieferkette beheimatet.
Als Händler von kongolesischem Kobalt sind sich beide Unternehmen der menschenrechtlichen Herausforderungen in den Kobaltminen des Landes bewusst und versuchen, die Probleme anzugehen.
Glencore unterstützt die Fair Cobalt Alliance, eine Multi-Stakeholder-Initiative mit dem Ziel, die Abbaubedingungen zu verbessern und Kinderarbeit abzuschaffen. Trafigura ist der einzige kommerzielle Partner des staatlichen Bergbauunternehmens Entreprise Générale du Cobalt (EGC), mit dem es kürzlich Standards für eine verantwortungsvolle Beschaffung entwickelt hat.
Die Aufnahme dieses Schwermetalls in das Gesetz würde das Kobalt weder stigmatisieren noch Unternehmen zwingen, es aus ihren Produkten zu entfernen. Vielmehr würden verantwortungsvolle Beschaffungspraktiken gefördert und die bestehenden Bemühungen von Unternehmen und der kongolesischen Regierung, einschliesslich der EGC, gestärkt. Ausserdem würde das Gesetz Unternehmen, die bereits verantwortungsvolle Beschaffungspraktiken in der DRK anwenden, einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Indem der Gegenvorschlag eine menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Kobalt vorschreibt, kann er die Bemühungen der kongolesischen Regierung zur Formalisierung der Kobaltproduktion stärken. Ausserdem kann er den Käufern die Gewissheit geben, dass kongolesisches Kobalt aus zuverlässigen Quellen stammt. Konkret würde diese Sorgfaltspflicht von allen Beteiligten, einschliesslich Bergbauunternehmen, Händlern und Raffinerien, verlangen, miteinander und mit NGOs, Regierungen und der Wissenschaft zusammenzuarbeiten, um einheitliche Standards festzulegen und durchzusetzen.
Eine solche Multi-Stakeholder-Plattform existiert bereits unter der Global Battery Alliance, einer Initiative, die durch das Weltwirtschaftsforum ins Leben gerufen wurde. Ein Schweizer Gesetz, das Kobalt einschliesst, könnte entscheidende Anreize für die lokale Umsetzung solcher Richtlinien bieten.
Wenn die Schweiz Kobalt nicht in das neue Gesetz aufnimmt, ist sie auch im Vergleich zu ihren Nachbarstaaten aus dem Takt. Die EU hat bereits eine Verordnung zu Batterien vorgeschlagen, welche voraussichtlich bis Ende Jahr zu einem EU-weiten, rechtsverbindlichen Regulierungssystems ausgeweitet wird. Sie fordert eine bindende Sorgfaltspflicht in der Lieferkette für Metalle und Mineralien, die bei der Batterieherstellung verwendet werden, einschliesslich Kobalt.
Da die Konsultationen zum Schweizer Gesetz Mitte Juli enden, ist es für die Regierung nun an der Zeit, sicherzustellen, dass zukünftige Mobilität nicht nur sauber ist, sondern auch die Menschenrechte respektiert.
Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten sind ausschliesslich jene der Autorinnen und müssen sich nicht mit der Position von swissinfo.ch decken.
Christoph Kummer
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