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«Das E-ID-Gesetz hat in Sachen Regulierung einen Vorbildcharakter»

Smartphone mit SwissID
© Keystone / Christian Beutler

Zunächst dagegen, nun dafür: André Golliez erläutert im Interview warum er das E-ID-Gesetz unterstützt. Und wie auf seinem Rat hin eine Kontrollinstanz eingesetzt wurde.

Bundesrat und Parlament haben das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) erarbeitet, dass die Identifizierung von Personen im Internet regeln soll. Damit werde die Grundlage für eine einfache, sichere und vom Bund anerkannte elektronische Identität geschaffen, wird im Abstimmungsbüchlein geschrieben.

Am 7. März kommt das Referendum «Nein zum E-ID-Gesetz» an die Urne. Damit bekämpft ein überparteiliches Komitee das neue Gesetz über die elektronische Identität. Dieses sieht vor, dass private Unternehmen den digitalen Ausweis herausgeben können – damit werde eine staatliche Kernaufgabe ausgelagert, so die Gegner.

Er wurde vom Skeptiker zum Befürworter: André GolliezExterner Link ist IT-Berater und verfolgt als Präsident des Think-Tanks Swiss Data AllianceExterner Link die Frage der elektronischen Identifikation seit Jahren. Sprach er sich zunächst gegen das Gesetz aus, hat er seine Meinung nach den Anpassungen in der Vernehmlassung geändert, wie er im Interview erklärt.

swissinfo.ch: Herr Golliez, soll die Migros meine E-ID ausstellen können?

André Golliez: Nein, schon nur weil die Migros da nicht dabei ist. Man muss präzisieren: Es wird oft als eine Frage von privat versus staatlich dargestellt. Das ist aber nicht der Fall – es handelt sich um eine Kombination. Die Basis der Identität sind die Registerdaten, die sind unzweifelhaft beim Bund und bleiben auch unter seiner hoheitlichen Kontrolle.

André Golliez
André Golliez

Wie wickelt man das nun technisch ab, wenn man sich online bei einem Dienstleister oder Anbieter anmeldet? Das geht über Identitätsdienstleister, die Private sein können, oder auch öffentliche Anbieter wie Gemeinden, Städte oder Kantone. Der Bund könnte das laut dem neuen Gesetz auch machen, aber erst wenn die anderen Lösungen nicht richtig zum Tragen kommen. Ich persönlich hätte gerne zusätzlich eine Lösung vom Bund gesehen, aber das Parlament wollte das nicht und hat es im Sinne einer subsidiären Lösung dabei belassen. Es ist eine gemischtwirtschaftliche Lösung also, und die Frage, die sich stellt, lautet: Wie machen wir das zusammen?

Als die Vernehmlassung des E-ID-Gesetzes vor vier Jahren startete, waren wir von der Swiss Data Alliance sehr kritisch. Wir vertraten einen ähnlichen Standpunkt wie das Referendumskomitee und wollten, dass das Ganze eine hoheitliche Aufgabe des Staates bleibt. Danach ist ein Dialog mit Privaten, Politikern und Wissenschaftlern entstanden, mit Akteuren, die heute in beiden Lagern zu finden sind. Wir setzen uns für eine konstruktive Datenpolitik ein und finden, dass das ausgearbeitete Gesetz letztlich ein guter Kompromiss ist.

Kritiker monieren, der Staat könne keine grossen IT-Projekte stemmen. Ein berechtigter Punkt oder billige Polemik?

Das ist tatsächlich ein Thema, wir hatten in der Vergangenheit immer wieder Beispiele dafür. Aber ich glaube nicht, dass das der ausschlaggebende Punkt ist. Wenn man unbedingt eine staatliche Lösung will, kann man das natürlich erwirken. Man muss aber auch wissen, dass das beim jetzigen Entwicklungsstand nochmals drei, vier Jahre in Anspruch nehmen würde.

Können die Privaten in Sachen Sicherheit und Datenschutz mehr als der Staat?

Darum geht es gar nicht. Man hat in anderen Ländern mit solchen gemischtwirtschaftlichen Lösungen einfach gute Erfahrungen gemacht, beispielsweise in Finnland, Schweden oder Dänemark. Mit staatlichen jedoch weniger – mit Ausnahme von Estland, das aber in Sachen Digitalisierung ein Spezialfall ist. Das hat mit den Ausschlag gegeben für die Ausarbeitung des Gesetzes, vor allem in Kombination mit der Einführung der SuisseID, die sich in der Schweiz nie etablieren konnte. Die bisherigen Entwicklungen sollte man schon berücksichtigen, um zu verstehen warum wir jetzt an diesem Punkt stehen.

Von Referendumsseite wird geltend gemacht, dass die Unternehmen, welche für die technische Umsetzung sorgen, Daten sammeln wollen. Sehen Sie keine Gefahr, wenn gewinnorientierte Unternehmen delikate Daten in die Hände bekommen?

Die Regulierung im Gesetz ist äusserst restriktiv. Das geht weit über den Datenschutz hinaus: Dienstleister, die sich dafür bewerben wollen, tun sich teilweise schwer damit, da die Auflagen so streng sind. Wer seine Sache nicht sauber macht, verliert die Anerkennung und dann sind auch die ganzen Investitionen futsch. Ich denke es wird letztlich nicht viele Anbieter geben, da sie sich das zwei Mal überlegen, ob sie überhaupt mitmachen wollen.

Im Übrigen hat sich das Konsortium erst gebildet, nachdem die Anbieter realisiert haben, wie aufwendig und teuer das für den Einzelnen ist. Die dachten zuerst das sei ein interessantes Geschäft. Aber die Wahrheit ist, dass eine E-ID kein Geschäft ist. Das kann jeder bestätigen, der sich damit beschäftigt. Darum haben sie sich überhaupt zusammengeschlossen. Klar, es sind gewinnorientierte Unternehmen, man sollte nicht naiv sein. Aber man muss es auch nicht dramatisieren.

Mein persönlicher Input bei diesem Gesetz übrigens war die Einführung der Eidgenössischen E-ID-Kommission (EIDCOM). Damit werden auch kritische und unabhängige Stimmen bei der Überprüfung und Kontrolle der Dienstleister eingebunden. Das war meine persönliche Polit-Überraschung, dass der Vorschlag von Bund und Parlament positiv aufgenommen wurde. Es brachte mir hinter den Kulissen zwar einige Kritik ein von den Befürwortern des Gesetzes. Aber die politische Vernunft hat sich letztlich durchgesetzt.

Stellt sich nun Corona als Entwicklungsschub heraus?

Einerseits Ja und andererseits Nein. Die Pandemie war brutal und hat die Defizite im digitalen Bereich schonungslos aufgezeigt, vor allem auch beim Bund. Wer jetzt nach einer staatlichen Lösung ruft, hat aber nicht realisiert, dass genau darum eine gemischte Lösung der beste Weg ist, um hier vorwärts zu machen.

Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Privaten hat übrigens in vielen anderen Bereichen gut funktioniert, und das E-ID-Gesetz hat in Sachen Regulierung einen Vorbildcharakter. Deswegen habe ich auch meine Meinung geändert.

Ist die E-ID nun ein digitaler Pass oder nicht?

Sowohl als auch. Es ist zwar ein Pass, der zur Identifikation dient. Auf der anderen Seite ist es aber kein echtes Identifikationspapier, damit sind auch keine sonstigen Rechte verbunden. Es ist einzig ein Identifikationsmechanismus, der auf den Registerdaten des Bundes basiert. Die Parole «Wir wollen einen digitalen Pass vom Staat» greift von mir in diesem Zusammenhang aus gesehen zu kurz.

Sibel Arslan bekämpft das E-ID-Gesetz. Im Interview verrät sie weshalb:

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