Höhen und Tiefen beim Wählen per Internet
Etwas mehr als 13'000 Bürgerinnen und Bürger haben bei den Schweizer Parlamentswahlen vom Sonntag elektronisch gewählt. Das sind knapp vier Mal mehr als 2011. Die Auslandschweizer, die fast zur Hälfte diesen Abstimmungs-Kanal nutzen, haben darunter gelitten, dass der Bundesrat dem E-Voting in neun Kantonen keine Bewilligung erteilt hat.
Insgesamt haben 13’370 Stimmberechtigte in der Schweiz und im Ausland am Sonntag ihre Parlamentsvertreter auf elektronischem Weg gewählt, das ist knapp einer von 200 Wählenden. So waren es in Luzern 745, in Basel-Stadt 1120, 4416 in Neuenburg und 7089 in Genf, welche diese Gelegenheit beim Schopf packten, wie Zahlen der Bundeskanzlei in Bern belegen. 2011 hatten 3562 im Ausland lebende Wählerinnen und Wähler von dieser Möglichkeit profitiert, die von den Kantonen Graubünden, St. Gallen, Aargau und Basel-Stadt offeriert wird.
Dieses Jahr liegen die Zahlen in den Kantonen Genf und Neuenburg vergleichsweise höher, weil 30% der kantonalen Wählerschaft, zu der die Auslandschweizer, aber auch ein Teil der ansässigen Bürgerinnen und Bürger zählen, übers Internet wählen konnten. Eine Premiere bei eidgenössischen Wahlen, die durch bessere Sicherheitsdispositive möglich wurde, aber auch dadurch, dass die Wählenden nun überprüfen können, ob ihr Votum korrekt registriert wurde.
ASO erfreut über Wahl Guldimanns
Tim Guldimann ist am Sonntag als erster Auslandschweizer ins Parlament gewählt worden. «Diese Wahl ist für die Fünfte Schweiz und für unsere Organisation eine wunderbare Nachricht. Es ist äusserst wichtig, einen ‹Insider›, der im Namen der Auslandschweizer spricht und deren Probleme kennt, im Parlament zu haben», meint Ariane Rustichelli.
Sie habe aber einen Moment gebangt um die Chancen von Guldimann, so die Ko-Direktorin der ASO.
Denn der ehemalige Schweizer Botschafter in Berlin liess sich im Kanton Zürich aufstellen, der ebenfalls zum Consortium der neun Kantone gehört, die vom Bundesrat zurückgepfiffen wurden und ihren Stimmbürgern im Ausland kein E-Voting offerieren konnten.
«Glücklicherweise ist das kein Nachteil gewesen. Tim Guldimann hat mehr als 1600 Stimmen von Zürchern im Ausland erhalten, mehr als all seine Mitkandidaten», betont die ASO-Ko-Direktorin.
In Luzern und Basel-Stadt konnten jedoch nur die Auslandschweizer übers Internet wählen. In diesen zwei Kantonen lag die Stimmbeteiligung der im Wahlregister eingetragenen Landsleute im Ausland bei 32, resp. 26%. Eine interessante Zahl, wenn man sie mit jenen in den Kantonen Zürich und Aargau vergleicht, wo nur gerade etwas mehr als 20% der Auslandschweizer von ihren politischen Rechten Gebrauch machten.
In diesen zwei Kantonen hatte die Beteiligung der Schweizer im Ausland bei der letzten Abstimmung vom Juni, als dort E-Voting noch bewilligt war, bei über 30% gelegen.
Mehr Zustimmung im Ausland als in der Schweiz
«Wir rechneten leider mit diesen Resultaten», sagt Ariane Rustichelli, Ko-Direktorin der Auslandschweizer-Organisation (ASO)Externer Link. Denn tatsächlich gehören Zürich und Aargau zu jenen neun Kantonen, die dem früheren «Consortium Vote électronique» angehörten, das vom Bundesrat im August keine Bewilligung für E-VotingExterner Link erhielt, und zwar wegen Sicherheitsproblemen. Diese neun Kantone konnte ihren Stimmbürgern im Ausland daher keine elektronische Stimmabgabe ermöglichen.
«Auch wenn die Schweizerinnen und Schweizer im Ausland ihr Abstimmungsmaterial fristgerecht erhalten, was nicht immer der Fall ist, besteht eine grosse Chance, dass sie dieses nicht rechtzeitig an ihre Gemeinde zurückschicken können. Deshalb nutzen sie, wenn immer möglich, das E-Voting», betont Rustichelli.
Die vorliegenden Zahlen können dies beweisen: 55% resp. 57% der Expatriierten, die in den Kantonen Luzern und Basel-Stadt gewählt haben, haben ihre Stimmen übers Internet abgegeben.
Auch in Genf sind es die Auslandschweizer, die das E-Voting am meisten benutzt haben. Insgesamt nutzte knapp einer von fünf, der diese Möglichkeit hatte (17,7%), diesen Stimmkanal auf kantonaler Ebene. Diese Quote steigt auf 44,9%, wenn man nicht nur die Genfer im Ausland berücksichtigt. Die Genfer Staatskanzlei registrierte zudem, dass die elektronische Stimmabgabe auf Platz zwei kam, hinter der brieflichen Beteiligung, die 9 von 10 Genfern bevorzugten, aber noch vor der Stimmabgabe an der Urne.
In Neuenburg schliesslich belief sich die gesamte Beteiligung via Internet auf 17,3%. Die genaue Teilnahme der im Ausland wohnenden Neuenburger wurde nicht kommuniziert. Immerhin will der Kanton Neuenburg all seinen Wählern «mittelfristig» dank eines Systems der zweiten Generation, das in Zusammenhang mit der Post und dem beim E-Voting weltweit führenden spanischen Unternehmen SCYTL entwickelt wurde. Die ersten Tests sollen vor Ende 2016 stattfinden.
(Übertragung aus dem Französischen: Gaby Ochsenbein)
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