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Ein Hügel namens Schweiz

Aussicht von Hügel
Wandern in der Sächsischen Schweiz. Keystone / Alexander Blum

Von der Nordsee bis ins Schwäbische: Über 100 kleine "Schweizen" verteilen sich über Deutschland. Mit einer Kampagne will die Deutsche Tourismuszentrale nun Schweizer Touristen für sie begeistern. 

Ab dem 15. Juni dürfen Eidgenossen wieder zum Urlaub über die Grenze nach Deutschland reisen. Dort werden sie von Hotels, Campingplätzen und Restaurants nach den coronabedingten Schliessungen bereits sehnsüchtig erwartet.

Vielleicht kann man ihrem Besuch ja etwas nachhelfen: Und so preisen die deutschen Tourismusförderer in diesem Jahr ihren Nachbarn wärmstens den Besuch einer der 105 deutschen Schweizen an. Da die Eidgenossen ihre Heimat lieben, könnte das ja auch für deren Kopien im Ausland gelten, hofft die Deutsche Zentrale für Tourismus.

Namen entstanden bereits in der Romantik

Mal ist es nur ein Hügel, mal eine ganze Region, die die Schweiz im Titel trägt. Die bekanntesten darunter sind wohl die Sächsische, die Fränkische und die Holsteinische Schweiz. Viele der Benennungen gehen bis in die Romantik zurück. Es war die Zeit, als deutsche Reisende Richtung Alpen aufbrachen und aus Begeisterung für die dort gesehenen Landschaften besonders schöne Ecken ihrer Heimat zur kleinen Schweiz verklärten.

Die Fränkische Schweiz tauchte als Bezeichnung bereits 1807 in einem Reisebericht des Erlangers Johann Christian Fick auf. Die bekannte Sächsische Schweiz verdankt ihren Namen wiederum zwei Eidgenossen: Die Schweizer Maler Adrian Zingg und Anton Graff erkundeten ab 1766 einige Jahre lang die Region und fühlten sich von den Felsformationen an ihre Heimat im Jura erinnert. Dass ihre Bezeichnung der Gegend als Sächsische Schweiz dann gar deren Markenzeichen wurde, hatten sie indes wohl kaum beabsichtigt. Hier halfen wie auch anderorts clevere Marketingleute nach.

Im norddeutschen Örtchen Krummsee eröffnete 1885 ein Schweiz-begeisterter Kaufmann sein Hotel «Holsteinische Schweiz».  Der Name bürgerte sich später für die gesamte Gegend ein. Und auch dort, wo das vorwiegend flache Brandenburg einige Erhebungen aufweist, liegen gleich mehrere Schweizen. Über deren Namensgebung spottete der Berliner Schriftsteller Theodor Fontane bereits 1862 in seinen «Wanderungen durch die Mark Brandenburg»: «Die Schweize werden jetzt immer kleiner, und so gibt es nicht bloss mehr eine Märkische, sondern bereits auch eine Ruppiner Schweiz.»

Schneebedeckte Berge
Schneebedeckte Berge in der Sächsischen Schweiz. Keystone / Matthias Hiekel

Als Kompliment zu verstehen

Schweizern und Schweizerinnen, die mächtigen Alpen vor den Augen, könnten die Vergleiche mit ihrer Heimat anmassend erscheinen. Doch hinter den Benennungen verberge sich schlicht ein grosses Kompliment, sagt Harald Henning, der in Zürich die Schweizer Niederlassung der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) leitet: Denn eines haben alle deutschen Schweizen gemein: «Hinter der Schweiz im Namen steckt immer eine besondere landschaftliche Schönheit», betont er. Das habe nicht unbedingt etwas mit Alpenromantik zu tun. So trägt auch eine Flusslandschaft mit Weinbergen wie die «Trarbacher Schweiz» diesen Titel. Im Norden Bremens genügt eine 30 Meter Erhebung um sie zur «Schweizer Höhe» zu machen.

Ein Influencer besucht die Mini-Schweizen

Viele dieser Regionen erscheinen bisher noch nicht auf dem Urlaubsradar der Schweizer, doch sie wären es wert entdeckt zu werden, meinen die deutschen Tourismusvertreter. Sie hoffen auf einen Wiederaufschwung der Branche: «Die Übernachtungszahlen von Schweizer Gästen in Deutschland erreichten während der Coronakrise im April und Mai nur noch einen Bruchteil des Vorjahresniveaus», sagt Harald Henning. Er erwartet, dass die Reiseströme nur langsam an ihr altes Niveau anknüpfen werden: «Wir haben wichtige Monate verloren.» Die liessen sich in diesem Jahr mit Sicherheit nicht mehr aufholen. Zumal die Übernachtungskapazitäten wegen der vorgeschriebenen Einschränkungen derzeit erst schrittweise auf den Stand vor Corona hochgefahren werden.  

Eigentlich sollte ihre Kampagne «Schweizen in Deutschland» im Frühjahr beginnen, nun wurde sie wegen der Coronakrise in den August verschoben. Ein eidgenössischer Influencer soll dann 15 dieser Mini-Schweizen bereisen und auf seinen Social Media Kanälen präsentieren. Trotz des digitalen Fokus wende sich die Kampagne nicht nur an ein jüngeres Zielpublikum, sagt Henning. Schon jetzt reisten Schweizer aus allen Altersgruppen nach Deutschland. Die Jüngeren zieht es eher in Städte wie Berlin und Hamburg, die Älteren auch in ländlichere Gegenden und an die Küste. Man wolle den treuen eidgenössischen Gästen einfach einmal neue Anregungen bieten.

Am Ende zählt der Preis

Doch warum sollten Schweizer der Natur wegen nach Deutschland reisen, wo doch ihre Heimat in dieser Hinsicht so viel bietet? «Die Landschaft in Deutschland ist weiter und vielfältiger als in der Schweiz», nennt der Tourismusfachmann ein Argument. Küste und ausgedehnte Seenlandschaften wie in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg finden sich dort eben nicht.

Doch natürlich ziehen auch die niedrigeren Preise viele Eidgenossen zum Urlaub nach Deutschland, wie eine Internet-Userin in ihrem Kommentar zu der Kampagne bekräftigt: «Ob es in Deutschland irgendwo einen kleinen Hügel gibt, der für die Eingeborenen so beeindruckend ist, dass sie ihn ehrfürchtig ‹Schweiz› nennen, ist mir eigentlich egal. Wir urlauben dieses Jahr wegen dem erwähnten hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis bei unseren nördlichen Nachbarn.» Einer Mini-Schweiz-Kampagne hätte es dazu also nicht bedurft.

Vor der Coronakrise blühte der Tourismus zwischen Deutschland und der Schweiz. 2019 rangierten die Eidgenossen mit 7.13 Millionen Übernachtungen in Deutschland hinter den Niederlanden (11.67 Millionen Übernachtungen) und vor den USA mit (knapp sieben Millionen) auf Platz zwei. Baden-Württemberg und Bayern gehörten mit 60 Prozent der Übernachtungen zu den beliebtesten Reisezielen der Eidgenossen, auf Platz drei und vier   lagen Berlin und Nordrhein-Westfalen. Die Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-Epidemie haben diese Zahlen für 2020 in weite Ferne rücken lassen. 

Quelle: DZT

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