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Eine weitere heikle UBS-GV steht bevor

Die Grossbank sieht einer weiteren heiklen GV entgegen, mit vielen unzufriedenen Aktionären. Keystone

Die UBS-Aktionäre werden am Mittwoch in Basel die Führungsspitze der Grossbank treffen. Diese Generalversammlung (GV) könnte Geschichte machen: Die Decharge (Entlastung) der alten Führung ist unsicher, die Bonus-Politik umstritten.

«Nur schon der Umstand, dass über die Möglichkeit gesprochen wird, dem Verwaltungsrat die Entlastung (Decharge) zu verweigern, zeigt den Epochenwechsel auf», sagt Stéphane Garelli, Professor der Lausanner Business School IMD.

Früher galt das Erteilen der Decharge, also die Entlastung der Konzernspitze, seitens der Aktionäre als blosse Routine. «Die Würfel waren bereits gefallen, bevor die Generalversammlung stattfand,» so Garelli. «Denn die institutionellen Investoren kamen überein, wie sie wählen würden.» Dass jetzt darüber debattiert wird, zeige eine «tiefe Unzufriedenheit des Aktionariats» auf.

Diese Epoche – aus der Zeit bevor sich die UBS in die Subprime-Krise verstrickte, vor ihrem Fehlverhalten gegenüber der US-Steuerbehörde, vor dem staatlichen Rettungspaket und vor den Versprechungen, zu den wahren Werten zurückzufinden – gehört der Vergangenheit an.

Am 14. April wird deshalb ein Teil des Aktionariats der UBS-Führung die Entlastung für ihr Tun in den Geschäftsjahren 2007/08/09 verweigern. Denn eine Entlastung (Decharge) hätte zur Folge, dass es der UBS praktisch verunmöglicht würde, juristisch gegen die Verantwortlichen jener Jahre vorzugehen.

UBS-Führung will keine Klage einreichen

Auf der Basis von zehn internen und externen Untersuchungen zur Geschäftsführung unter den Verwaltungsrats-Präsidenten Marcel Ospel und Peter Kurer weist die UBS-Führung eine derartige Klage zurück. Sie konstatiert zwar «Mängel in institutioneller Hinsicht, aber kein Delikt seitens der Mitglieder des Verwaltungsrats oder der Direktion».

Doch eine solche Blanko-Entlastung wollen die Stiftung für nachhaltige Entwicklung Ethos (Pensionskassen), Swisscanto Anlagefonds und Vorsorge oder auch Actares (AktionärInnen für nachhaltiges Wirtschaften) nicht erteilen.

Genauso wenig wollen dies die zwei grossen US-Aktionärsvereinigungen Riskmetrics und Glass Lews & Co, wohlwissend, dass sich mehr als die Hälfte der UBS-Aktien ausserhalb der Schweiz befinden. «Die Wahrscheinlichkeit, dass die Decharge nicht erfolgt, ist real. Und der Druck steigt», freut sich Actares-Direktor Roby Tschopp.

Er schätzt, dass die Verantwortlichkeiten nicht festgelegt worden sind: Weder betreffend der Subprime-Krise noch betreffend des «systematischen Missbrauchs in den USA, der die gesamte Bank sehr teuer zu stehen kam.»

Wer ist schuld?

Mit der Möglichkeit einer parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) ergäben sich vielleicht neue Erkenntnisse, so Tschopp. «Die Aktionäre haben keinen Einblick in interne Dokumente. Man weiss also nicht, wer dieses System eingeführt hat, das zum Missbrauch geführt hat. War es Peter Kurer? Oder war er vielleicht selbst nicht einmal informiert davon? Es ist einfach noch zu früh, hier eine Decharge zu erteilen.»

Im Gegensatz zu Actares möchte Garelli nicht auf juristische Mittel zurückgreifen. Aber er unterstützt die Idee, am nächsten Mittwoch die Gelbe Karte zu zücken, und erwartet eine Grossdebatte. «Die Leute wollen Klarheit über das, was bei der UBS gelaufen ist. Sogar innerhalb der Bank und im Verwaltungsrat ist das ein Thema.»

Jene, die eine Decharge erteilen möchten und gegen einen Gang vor das Gericht sind, argumentieren, dass die schmutzige Wäsche lieber innerhalb der Familie gewaschen werden soll, um die UBS nicht noch mehr zu destabilisieren. Umso mehr, als es zwar «Managementfehler gegeben» habe, so Garelli, «aber, wie es scheint, nichts, was strafbar wäre.»

«VR-Präsident Kaspar Villiger hat nicht begriffen, dass jetzt aufgeräumt werden muss, sogar im eigenen Interesse der Bank», wendet dagegen Tschopp ein. Actares will am Mittwoch gegen ein weiteres Präsidentschafts-Mandat von Villiger stimmen. «Und wenn aufgeräumt wird, werden auch Abfallkübel geleert!»

Der ehemalige Bundesrat Villiger und seine Kollegen hätten, so Tschopp, ihre Versprechen vor Jahresfrist nicht eingehalten, was die UBS-Salär- sprich Bonuspolitik betrifft. Das Bonus-Malus-System war von der GV konsultativ gebilligt worden. «Doch dieses Jahr zeigt sich, dass der Malus-Teil weggefallen ist. Das deutet doch darauf hin, dass hier eine Verpflichtung nicht eingehalten worden ist.»

Demotivationen vermeiden

Die Bonus-Frage wird an der GV ein weiteres sensibles Thema abgeben. Über den Vergütungsbericht wird aber nur konsultativ abgestimmt: An variablen Vergütungen will die UBS drei Milliarden ausschütten, obschon sie im Geschäftsjahr 2009 einen Verlust von 2,74 Mrd. Franken erlitt.

Garelli ficht besonders die Abschaffung des Malus-Teils an. Die hohe Bonus-Summe anderseits rechtfertigt er: Die Bank habe keine Wahl, denn einmal abgeschlossene Arbeitsverträge seien zu respektieren. Er glaubt, dass man jene belohnen müsse, die künftig die UBS retten werden. Sonst würden alle demotiviert.

Der Lausanner Professor macht auch darauf aufmerksam, dass die UBS-Führungsspitze kein homogener Block ist: «Die Spannungen zwischen CEO Oswald Grübel und VR-Präsident Kaspar Villiger sind kein Staatsgeheimnis.»

Das Vorgehen der beiden sei «ziemlich unterschiedlich». Und Villiger habe laut Garelli gar eine gewisse Sympathie für das Nichterteilen der Decharge gezeigt… Fortsetzung folgt am Mittwoch!

Pierre-François Besson, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

Laut einer Umfrage von l’Hebdo bei 600 Schweizern sprechen sich drei Viertel für eine Zivilklage aus, um von Marcel Ospel Schadenersatz zu fordern.

Nur einer von zehn Befragten würde am Mittwoch Decharge erteilen (14% wissen es nicht).

Roby Tschopp von Actares schliesst daraus, dass eine kämpferische Position von institutionellen Anlegern wie der AHV oder der Pensionskassen angebracht wäre.

Stephane Garelli interpretiert dieses Ergebnis in dem Sinn, dass «die Leute nicht begreifen, dass es möglich ist, derart viele Dummheiten zu begehen, ohne Konsequenzen tragen zu müssen, ausser moralischen «.

«Besonders wenn man bedenkt, was diese Dummheiten für Folgen für das ganze Land, für den Image- und Reputationsverlust des Landes hatten.»

UBS: Die Grossbank gehörte weltweit zu den am stärksten von der Finanzkrise betroffenen Instituten. Besonders schwach war ihre Position im amerikanischen Risikokreditbereich.

Verluste: Das Geschäftsjahr 2008 endete in einem historisch einmaligen Verlustloch von 20 Mrd. Franken. 2007 waren es 5,2 Mrd., 2009 betrug der Verlust 2,74 Mrd.

Staatliche Rettung: Der Bund hat in Form einer Wandelanleihe 6 Mrd. Franken Kapital in die UBS investiert. Und die Nationalbank wurde beauftragt, die ‹toxischen› Papiere der UBS vorläufig zu übernehmen.

PUK: Wie hat der Bundesrat als Regierung das UBS-Debakel gemanagt? War die Kontrolle über die UBS genügend? Wurde die Finanzmarktkontrolle Finma ihrer Rolle gerecht?

Auf all diese Fragen könnte eine Parlamentarische Untersuchungskonmission (PUK) Antworten geben. Ob sie eingesetzt wird, wird frühestens im Sommer entschieden.

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