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Fallstricke: Wenn Hobby-NGOs international zusammenspannen

Menschen vor einer Hütte
Das Gründerpaar von empowermefirst.college und Mitarbeitende auf Besuch beim lokalen Chief im Nordwesten Simbabwes. Von Links nach Rechts: Given Moyo (Länderkoordinator), Brigit Koch (Gründerin), Bishop Matata Sibanda (Acting Chief des Mvuthu Gebiets), Anthony Powell (Gründer) und Conium Nyathi (Länderchef). zvg

Dank Internet und sozialen Netzwerken kommen Menschen aus dem globalen Süden und westlichen Ländern schnell und einfach in Kontakt. Doch bei der Entwicklungshilfe zusammenzuarbeiten, ist anspruchsvoll. Arbeitsweisen und Vorstellungen passen nicht immer zusammen, wie das Beispiel einer schweizerisch-ugandischen Zusammenarbeit zeigt.

Alles fing so gut an: Die Schweizerin Brigit Koch und ihr Lebenspartner Anthony Powell, ein aus der Karibik stammender Brite, initiierten mit ihrem eigenen Ersparten den global aktiven «Gönnerverein von empowermefirst.collegeExterner Link«, der es Jugendlichen ermöglichen soll, per Smartphone einen Sekundarstufe-II-Abschluss zu machen.

>> Anthony Powell und Brigit Koch über ihr Engagement (Video aus der Anfangszeit des Vereins, auf Englisch):

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Auf den sozialen Netzwerken lernte das Paar den jungen Ugander Aggrey Bwaita kennen, der mit der Jugendplattform «Youth Coffee Talk AfricaExterner Link» junge Menschen «empowern» und für ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde motivieren will.

>> In diesem Artikel berichteten wir über Bwaita Aggrey:

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Koch und Powell hatten die Idee, mit Hilfe von Bwaita einen Ableger ihrer Organisation in Uganda zu gründen. Der Kontakt war über Internet schnell hergestellt.

Das Paar reiste nach Uganda, stellte Bwaita einen Computer und etwas Geld zur Verfügung und traf sich durch Vermittlung von Bwaita mit Behördenmitgliedern vor Ort sowie weiteren Freiwilligen von Youth Coffee Talk Africa. Auch konnte Henry Lutwama, damals persönlicher Assistent der ugandischen Bildungsministerin, als Vorstand gewonnen werden. Doch eine Stiftung konnte bis heute nicht gegründet werden.

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Und es kam noch schlimmer: Im März 2022 verstarb Anthony Powell völlig unerwartet an einer Lungenembolie. Von da an ging es erst recht abwärts mit der Nord-Süd-Partnerschaft. Beide Seiten sagen gegenüber swissinfo.ch, die Zusammenarbeit entspreche nicht mehr ihren Vorstellungen von Partnerschaft.

Unterschiedliche Auffassungen

Wenn man fragt, wo das Problem liegt, bekommt man zwei unterschiedliche Antworten. Brigit Koch findet, Bwaita und seine Freunde veranstalten auf den sozialen Netzwerken bloss eine Show, statt vorzeigbare Ergebnisse zu erzielen oder Versprechen und Deadlines einzuhalten. Sie habe sich mit ihrer Organisation zurückgezogen, weil die versprochenen Aufgaben wie etwa das Coaching von Lernenden nicht erfüllt worden seien.

Zudem bestehe ein unterschiedliches Verständnis von sauberer Buchhaltung. Bwaita müsse seine Ausgaben mit Quittungen belegen, ihr Schweizer Verein würde sonst gegen Rechenschaftspflichten verstossen. Deshalb, und weil die Stiftung nicht zustande kam, will sie die tausend Franken und den Computer zurück. «Nicht nur ich, sondern auch unsere Freiwilligen in Simbabwe haben Henry Lutwama, Aggrey Bwaita und anderen Freiwilligen in Uganda mehrmals mitgeteilt, dass wir uns an Regelwerke halten müssen.» 

Menschen gehen nebeneinander
Ankunft von Brigit Koch in Victoria Falls nach ihrer Fundraising Radtour von Lusaka nach Victoria Falls (Osterwochenende 2022) mit Lernenden von empowermefirst.college. zvg

Bwaita hingegen erzählt die Geschichte folgendermassen: Er habe das Paar vom Flughafen abgeholt und mehrere Treffen mit den ugandischen Behörden eingefädelt. «Ich hatte Ausgaben und Aufwand, aber Brigit will das ganze Geld zurück.» Er könne das nicht zahlen, er sei noch Student. Zudem sind – nach seiner Darstellung, die Brigit Koch bestreitet – noch Rechnungen offen. «Brigit hat es versäumt, Rechnungen zu bezahlen, die sie dem Koordinator im Distrikt Soroti in Uganda hinterlassen hat», so Bwaita.

Ein Teil des Geldes habe Brigit an Henry Lutwama gegeben. Dieser reagierte nicht auf Anfragen von swissinfo.ch.

In Uganda ist es laut Bwaita nicht üblich, eine Quittung auszustellen, beispielsweise für die Miete der Motorräder. Er habe deshalb seine Kosten in einem Dokument aufgelistet und Anthony Powell habe diese Aufstellung akzeptiert. «Aber Brigit war nicht zufrieden.»

Aggrey Bwaita
Aggrey Bwaita. zvg

Das Ministerium für Information, Kommunikation und Technologie sei grundsätzlich interessiert gewesen an der Organisation von Koch und Powell. Das Problem sei aber der Name: «empowermefirst.college». Das «College» in der Internetadresse suggeriere, dass es sich um eine staatliche Bildungseinrichtung handle. «Das ist gemäss ugandischem Recht verboten», so Bwaita. «Aber Brigit hat sich geweigert, den Namen zu ändern.»

Eine Darstellung, die Koch bestreitet. Es sei nie um den Namen gegangen, die Bezeichnung «empowermefirst Uganda» sei von den Behörden akzeptiert worden. Sie kritisiert die Nonchalance, mit der Bwaita an Aufgaben und Finanzmittel herangehe.

Nach Darstellung von Bwaita ist die Partnerschaft gescheitert, weil Brigit Koch alles nach ihren eigenen Vorstellungen habe machen wollen. Zum Beispiel habe sie darauf beharrt, dass die Mitglieder von «Youth Coffee Talk Africa» Mitglieder von «empowermefirst» hätten werden müssen. Ein anderer Freiwilliger von «Youth Coffee Talk Africa» ergänzt, administrative Schwierigkeiten hätten zu Machtkämpfen geführt, die das Projekt letztlich zum Scheitern gebracht hätten.

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Technik überwindet nicht alle Hürden

Ist der Streit typisch für internationale Partnerschaften zwischen Mini-NGOs? Fritz Brugger vom NADEL, dem ETH-Zentrum für Zusammenarbeit und Entwicklung, sieht einige fundamentale Dinge, die hier zum Vorschein kommen.

«Nur weil man dank Internet schnell in Kontakt treten kann, darf man die grundlegende Sorgfaltspflicht nicht einfach über Bord werfen, wenn man eine Zusammenarbeit mit einer Drittperson eingeht», meint Brugger. Wenn man in der Schweiz eine Stiftung gründen wolle, sei man in der Regel auch auf eine Anwält:in angewiesen.

Brugger kennt den Streit zwischen Koch und Bwaita nicht im Detail, er kann daher nur so viel sagen: «Bei jeder Partnerschaft ist es wichtig, genau darauf zu achten, was abgemacht wird, damit keine Missverständnisse oder Enttäuschungen entstehen.» Zum Beispiel wäre es wichtig zu wissen, ob eine Art Erfolgsgarantie für die Gründung einer Stiftung vereinbart wurde. Geld kann man nur zurückfordern, wenn vertragliche Abmachungen nachweislich nicht eingehalten wurden.

Brugger weist auch darauf hin, dass solche Dinge nicht von heute auf morgen gingen. «Heute ist es sicher einfacher als früher, in einem Entwicklungsland einfach mal etwas zu machen. Das ändert aber nichts daran, dass Entwicklungszusammenarbeit Wissen und Erfahrung braucht.» Mit rechtlichen und bürokratischen Hürden sei in Uganda oder Simbabwe ebenso zu rechnen wie in der Schweiz.

Trotzdem weitermachen

Und wie geht es nun weiter bei Brigit Koch und Aggrey Bwaita? Sie lassen sich von der gescheiterten Zusammenarbeit nicht entmutigen. Mit den Partnern in Simbabwe laufe es gut, sagt Koch.

Und Bwaita schwärmt schon von seinem nächsten Projekt: Youth Coffee Talk Africa will Jugendliche auf das Arbeitsleben vorbereiten, indem junge Leute ihnen auf Social Media erzählen, was Arbeitgebende wirklich von Angestellten erwarten – Dinge, die man in der Schule nicht lerne. Er könne vielleicht nicht die gleiche Wirkung erzielen wie grosse NGOs, dafür machten er und seine Freunde alles ehrenamtlich, ohne Spendengelder oder öffentliche Finanzierung.

Auch Koch hat grosse Pläne: Sie will in Simbabwe Schweizer Firmen an Bord holen, die das duale Bildungssystem nach Schweizer Vorbild kennen. «Das wäre eine Win-Win-Situation», so Brigit Koch. Die Firmen würden das Projekt mitfinanzieren und könnten im Gegenzug über Lerninhalte mitentscheiden und so ihr zukünftiges Personal ausbilden. Es geht also weiter – mit anderen Partnern.

Editiert von Balz Rigendinger.

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