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Wie ich einen Wohnungsumzug in der Schweiz überlebt habe

Wie funktioniert Umziehen in der Schweiz? Unser Redaktor hat es getestet. Keystone

Wie findet man in der Schweiz seine Traumwohnung? Was sind die Anforderungen zum Abschluss eines Mietvertrags, wo liegen die grössten Hürden? Ein Journalist der russischsprachigen Redaktion von swissinfo.ch brachte diese Mission jüngst erfolgreich hinter sich. Sein Eindruck vom Umziehen in der Schweiz.

In Russland sagt man, in eine neue Wohnung umzuziehen, komme zwei Bränden gleich. Und so ist es auch, ausser vielleicht in der Schweiz, wo ein Umzug dank der hervorragenden logistischen Organisation nur einem Brand gleichkommt.

Das Angebot auf dem helvetischen Wohnungsmarkt ist zwar gross, dennoch waren Suche und Auswahl einer Wohnung, die genau unseren Ansprüchen entsprach, eine extrem komplexe Sache. Beginnen wir mit einem Rundgang durch eine typische Wohnung in der Schweiz. Die sieht etwa folgendermassen aus.

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Wer in der Schweiz eine Wohnung sucht, wird sein Glück wahrscheinlich dank dem Internet finden. Es gibt im Land einige grosse Websites für die Wohnungssuche, wie ImmoscoutExterner Link oder HomegateExterner Link. Nachdem man das Stadtquartier, auf das man die Suche konzentrieren will, ausgewählt sowie Preiskategorie und Grösse der Wohnung definiert hat, erhält man eine Liste mit Angeboten, nach Preisen in auf- oder absteigender Reihenfolge geordnet.

Die Wohnungen werden meist von Immobilienagenturen verwaltet, mit denen man letztlich auch einen Mietvertrag abschliessen wird. Hat man eine Wohnung gefunden, die einem gefällt, kann man sich direkt über das Internet um eine Besichtigung bemühen. Entweder schickt die Firma einen Makler, der einem die Wohnung zeigt, oder sie schickt einem die Telefonnummer der aktuellen Mieter, die sich ebenfalls auf ihren Umzug vorbereiten, oder sie stellt für die Besichtigung einen Kontakt zum Hauswart her.

Mietvertrag muss verdient werden

Nun ist Bewegung angesagt: Man darf die Mühe nicht scheuen, den Weg unter die Füsse zu nehmen und sich die Wohnungen wirklich anzusehen, denn die Fotos im Internet zeigen nur selten alles, dass man wissen möchte. Und findet man tatsächlich ein echtes Juwel, muss noch der Mietvertrag abgeschlossen werden. Die Immobilienfirma wird einem dann eine Reihe von Dokumenten zusenden, auch den Mietvertrag… aber nicht nur.

Man muss ein Konto eröffnen, auf dem ein Mietzinsdepot hinterlegt wird; dessen Summe beträgt je nachdem zwischen einer und drei Monatsmieten. Natürlich ist diese Verpflichtung, sofort und bis zum Ende des Mietverhältnisses zwischen 1500 bis 4000 Franken oder noch mehr blockieren zu müssen, ziemlich ärgerlich. Doch in diesem Punkt lässt sich nichts ändern.

Klein aber geräumig

Die Schweiz ist ein kleines Land mit einer Fläche von rund 41’000 Quadratkilometern und 8,3 Millionen Einwohnern und Einwohnerinnen. Im Vergleich dazu leben in Moskau 12 Millionen Menschen auf einer Fläche von rund 2500 Quadratkilometern. Die Schweiz mag zwar nicht gross sein, sie ist aber so betrachtet vergleichsweise geräumig.

Nach Angaben des Bundesamts für Statistik standen am 1. Juni 2016 in der Schweiz 56’518 oder 1,3% aller Wohnungen inkl. Einfamilienhäuser leer. Den grössten Leerwohnungsbestand wies mit 3,63% der Kanton Appenzell-Innerrhoden aus.

Am schwierigsten gestaltet sich die Wohnungssuche im Kanton Zug, wo die Leerwohnungsziffer nur gerade 0,34% betrug. Nur leicht höher war der Leerwohnungsbestand in den Kantonen Basel-Stadt (0,42%), Genf (0,45%) und Basel-Landschaft (0,47%).

Ein zweites Detail: Die Immobilienfirma wird keinen Mietvertrag abschliessen, bevor sie von einem künftigen Mieter einen Auszug des kantonalen Betreibungsamts erhalten hat, der Auskunft darüber gibt, ob jemand seine Rechnungen termingerecht bezahlt oder betrieben wurde.

Und schliesslich muss man als neuer Mieter bei einem eigens dafür zertifizierten Unternehmen standardisierte, gravierte Namensschilder bestellen, für den Briefkasten und die Klingeln an der Haustüre.   

Wände frisch streichen, Löcher stopfen

Und wie sieht es mit dem eigentlichen Umzug aus? In der Schweiz ist es nicht ganz einfach, aus einer Wohnung aus- und in eine andere einzuziehen. Erstens muss die Wohnung, aus der man auszieht, im selben Zustand hinterlassen werden, in dem man sie beim Einzug vorgefunden hatte. Und wer denkt, es reiche aus, mit dem Besen in allen Ecken zu kehren und den Staub von den Fensterbänken zu wischen, irrt sich gewaltig.

In der Schweiz ist die Reinigung einer Wohnung mit Blick auf einen Auszug zu einer ausgefeilten Kunst geworden. In unserem Fall hatte die Firma, die wir dafür anstellten, zwei Tage in unserer alten Wohnung gearbeitet. Dafür erhielten wir die Garantie, dass die Immobilienfirma nach dieser Reinigung die Wohnung ohne weiteres abnehmen würde.

Vielleicht hatten Sie auch Bilder an den Wänden aufgehängt und einige kleine Löcher hinterlassen, ein Kabel für einen Internetanschluss verlegt oder gewisse Wände in einer anderen Farbe gestrichen? Dann müssen Sie Spachtelmasse besorgen und die Löcher stopfen, das Kabel wieder entfernen, die Wände wieder in der ursprünglichen Farbe streichen. Andernfalls wird die Immobilienfirma die Wohnung nicht abnehmen.

Nerven schonen

Und das Umziehen an sich ist eine komplexe Sache, da der Mensch die Tendenz hat, im Verlauf des Lebens Dinge anzusammeln. Manchmal lohnt es sich, gleich von Anfang an eine Umzugsfirma anzustellen. Das ist zwar nicht billig, aber man kann dafür sicher sein, dass sämtliches Hab und Gut, einschliesslich der Möbel, an einem Tag in die neue Wohnung transportiert wird, ohne dass etwas zu Bruch geht. Ohne diese Profis hätten wir unser Nervenkostüm mit dem Umzug arg strapaziert.

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Die Dienste der Firma, die wir beauftragt hatten, stellten sich als verhältnismässig teuer heraus, doch dafür dauerte das Laden, die Demontage der Möbel, der Transport, das Ausladen und das erneute Zusammensetzen der Möbel nur einen Tag (siehe Video). Kleines Detail: Als Auftraggeber ist man verantwortlich für eine Pausenverpflegung der Umzugscrew am Vormittag und für deren Mittagessen. Vergessen Sie das nicht.

Und wie viel kostet eine Wohnung in der Schweiz? In der Stadt Bern gelten monatliche Mietzinse zwischen 1500 und 2000 Franken für eine Dreieinhalbzimmer-Wohnung als normal. Dazu kommen die vierteljährliche Rechnung für Wasser und Strom, die Gebühren für die Kehrichtentsorgung sowie die Kosten für einen Internetanschluss und andere Infrastrukturausgaben.

Gewappnet für Überraschungen

Wer in der Schweiz in eine neue Wohnung einzieht, muss für Überraschungen gewappnet sein. So sind die Elektroanschlüsse der Liegenschaften meist dreipolig und entsprechen weder europäischen, noch amerikanischen oder russischen Standards. In den meisten Häusern befinden sich die Waschmaschinen im Kellergeschoss, in den so genannten Waschküchen, und man muss sich die Maschinen mit den anderen Mietern im Haus teilen. Es gibt zwar auch Waschmaschinen in den Wohnungen, das ist aber eher selten.

Die allermeisten Wohnungen in der Schweiz werden unmöbliert vermietet. Es gibt war möblierte Wohnungen, doch sind diese selten und werden in der Regel nur für eine begrenzte Dauer vermietet. In allen Wohnungen sind Bad und Küche voll ausgestattet, in der Küche steht neben Herd und Backofen in der Regel auch eine Abwaschmaschine.

Bei der Unterzeichnung des Mietvertrags erhält der Mieter oft auch ein Dokument mit internen Regeln, die so genannte Hausordnung. In Zusammenhang mit Hausordnungen zirkulieren auf dem Internet zahlreiche Klischees, nach denen in der Schweiz «alles verboten ist», wie das «Spülen der Toilette nach 22 Uhr». In Wahrheit gibt es kein solches Verbot. Es ist jedoch häufig nicht erlaubt, «nach 22 Uhr noch lärmig Wasser in die Badewanne einzulassen».

Und was kann man tun, wenn der Nachbar sich als starker Raucher entpuppt, der mit seiner Leidenschaft im wahrsten Sinn des Wortes Ihr Leben vergiftet? Seit Mai 2010 ist das Rauchen in der Schweiz in den meisten Restaurants und Bars sowie in allen geschlossenen öffentlichen Räumen und Arbeitsräumen verboten. Für private Wohnungen gelten diese Einschränkungen jedoch nicht. Ein Mieter hat das Recht, in seiner Wohnung zu rauchen. Was dies angeht, kann man also nichts tun. Und wenn der Rauch eines Nachbarn Sie bis in die entferntesten Winkel Ihrer Wohnung verfolgt, gibt es nur eine Lösung: Ausziehen.

Mietpreise in der Schweiz

Die Mietpreise von Wohnungen und anderen Lokalitäten in der Schweiz werden aufgrund eines einheitlichen Referenz-Zinssatzes festgelegt. Dieser fusst auf dem gewichteten Durchschnitt der Hypothekarzinsen der Schweiz, der alle drei Monate festgelegt wird. Zurzeit liegt letzterer nach Angaben der Credit Suisse zwischen 1,76% (zwei Jahre) und 2,29% (15 Jahre).

Bei beträchtlichen Schwankungen des Referenz-Zinssatzes können gemäss Art. 269 des Schweizer Obligationenrechts nicht nur Vermieter die Mietzinse anpassen, sondern Mieter ihrerseits Mietzinsreduktionen beantragen. Mieter-Organisationen informieren interessierte Personen über Schwankungen der Hypothekarzinse sowie über die Rechte und Pflichten, die Vermietern und Mietern daraus erwachsen. In der Deutschschweiz tut dies vor allem der Mieterinnen- und Mieterverband MVExterner Link, in der Westschweiz der regionale Dachverband Association suisse des locataires (ASLOCA)Externer Link.

In der Praxis verweigern Immobilienbesitzer eine Senkung der Mietzinse in der Regel und erklären dies mit höheren Auslagen, die ihnen aus dem Unterhalt der Liegenschaften erwachsen. Bei Konflikten kann die Justiz das letzte Wort haben. Gerichtsentscheide fallen mehrheitlich zugunsten der Mieter aus.

Quelle: Credit Suisse

(Übersetzung aus dem Russischen: Martine Brocard; Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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