Ernährungskrise: Frauen hungern mehr als Männer
Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die globale Nahrungsmittelkrise verschärft. Laut einer Schweizer Untersuchung bekommen Frauen weniger zu essen als Männer.
Ein Zusammenschluss von Schweizer NGOs mit dem Namen Sufosec hat einen Bericht zur Ernährungslage in 16 Ländern des globalen Südens publiziert. Dafür wurden zwischen 2020 und 2022 rund 14’000 Haushalte in Asien, Afrika und Lateinamerika befragt. Das Ergebnis: In jedem vierten Haushalt gehen die Familienmitglieder regelmässig abends hungrig zu Bett.
Der Bericht wird an einer öffentlichen Veranstaltung in englischer Sprache mit dem Titel «Leidet Afrika mehr wegen dem Ukraine-Krieg? Wege aus der Hungerkrise» am Freitag, 21. Oktober, im Haus der Religionen in Bern vorgestellt. Der Anlass wird von swissinfo.ch-Journalistin Susan Misicka moderiert.
«Besonders betroffen an der Umfrage hat mich die Anzahl Haushalte, welche in den Projektgebieten von Sufosec an Hunger leiden», schreibt Nicole Stolz von der NGO SWISSAID auf Anfrage von SWI swissinfo.ch. «Einer von vier Haushalten ist von Hunger betroffen, das ist ein extremes Resultat!»
Frauen verzichten (teils) freiwillig auf Essen
Aus dem Bericht geht ebenfalls hervor, dass Hunger immer weiblicher wird. Wenn Essen knapp wird, verzichten meist die Frauen als erste auf Nahrung und begnügen sich damit, was der Ehemann und die Kinder übriglassen.
Den ganzen Bericht finden Sie hier:
Globaler Ernährungsbericht 2022 Allianz Sufosec
So sind zehn Prozent mehr Frauen als Männer von Mangelernährung betroffen. Weltweit fast jede dritte Frau im Alter zwischen 15 und 49 Jahren ist von Blutarmut betroffen, die eine Folge einseitiger oder mangelhafter Ernährung sein kann.
Verzichten die Frauen freiwillig auf Essen, etwa um die Kinder vor Mangelerscheinungen zu schützen? «Das ist eine schwierige Frage», so Stolz. «Würde man die Frauen fragen, würden die meisten antworten: Wir machen das gerne und freiwillig.» Doch kulturelle Muster und gesellschaftliche Erwartungen spielten auch eine Rolle. «Würden sich die Frauen zuerst bedienen, mehr essen als die anderen oder das beste Essen gar nicht servieren, sondern vorab selbst essen, würde dies als Skandal empfunden.»
Globale Krise spitzt sich zu
Wir befinden uns in einer globalen Nahrungsmittelkrise. 828 Millionen Menschen weltweit leiden Hunger. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die angespannte Ernährungslage verschärft.
«Immer mehr Menschen hungern», sagte der Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft, Christian Hofer, am 12.10.2022 im Tagesgespräch von SRF:
Schon zuvor haben unter anderem der Klimawandel, schlechte Regierungsführung, Nahrungsmittelspekulation, Food Waste und Bevölkerungswachstum mancherorts die Ernährungssicherheit gefährdet. Die Uno will deshalb die globalen Ernährungssysteme transformieren.
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Wie soll die Landwirtschaft von morgen aussehen?
Wie die Nahrungsmittelsicherheit gewährleistet werden kann, darüber gehen die Meinungen allerdings auseinander. Vertreter:innen der sogenannten Grünen Revolution setzen auf Dünger, Gentechnik und hybrides Saatgut, was die Allianz Sufosec wegen negativer Umweltauswirkungen kritisch sieht.
Der Globale Ernährungsbericht 2022 wurde von der Allianz Sufosec verfasst. Dieser Schweizer Allianz für nachhaltige Ernährung weltweit gehören die NGOs SWISSAID, Skat Foundation, Vétérinaires Sans Frontières Suisse, Vivamos Mejor, Fastenaktion und Aqua Alimenta an.
Die Auswertung der Befragung von 14’000 Haushalten, welche zufällig aus 600’000 Haushalten ausgewählt wurden, ist von Forschenden der Universität Bern und der ETH Zürich wissenschaftlich begleitet worden.
Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit DEZA hat den Bericht nicht direkt unterstützt, jedoch sechs Projekte, die darin dargestellt werden. Zudem hat sie auch eine Untersuchung mitfinanziert, welche Sufosec zur Wirkungsmessung und zu Steuerungszwecken benötigte. Die Publikation jedoch wurde alleine durch Spenden finanziert.
Während der Chef des Agrochemiekonzerns Syngenta vor einigen Monaten wegen der Nahrungskrise eine Abkehr von Bio forderte, weil die Erträge im Biolandbau tiefer ausfallen, setzt Sufosec auf die so genannte Agrarökologie. Sie versteht darunter eine umweltfreundliche und soziale Landwirtschaft, die auf kurze Wege, bäuerliches Saatgut und an die lokalen Bedingungen angepasste Anbaumethoden setzt.
«Wir konnten mit der Befragung beweisen, dass allein mit agrarökologischen Methoden die Mangelernährung um 16% reduziert wird», so Stolz. Voraussetzung sei, dass agrarökologische Anbaumethoden aus drei Bereichen kombiniert würden: Die Bodenfruchtbarkeit müsse verbessert, Feldfrüchte diversifiziert sowie synthetische Dünger und Pestizide reduziert werden.
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