EU – Schweiz: Warum die Beziehungen so kompliziert sind
Die EU möchte die Beziehungen zur Schweiz institutionell regeln, die Schweiz hingegen will sich Spielraum für Ausnahmen offenhalten. SRF-Bundeshauskorrespondentin Larissa Rhyn über die verzwickte Situation.
Die Schweiz ist nicht Mitglied der EU und möchte es auch nicht werden. Seit rund 20 Jahren regelt die Schweiz ihre Beziehungen zur EU in bilateralen Abkommen.
Und sie möchte an diesem bilateralen Weg festhalten. Im Mai 2021 brach die Schweizer Regierung Verhandlungen mit der EU zu einem institutionellen Rahmenabkommen ab – zum grossen Unverständnis der EU.
Diese will keine neuen Abkommen abschliessen, solange die institutionellen Fragen nicht geregelt sind. Auch strich sie die Schweiz von der Liste der assoziierten Staaten beim Forschungsprogramm Horizon Europe. «Die EU hat damit ein Druckmittel, um Neuverhandlungen zu provozieren», sagt SRF-Bundeshauskorrespondentin Larissa Rhyn.
In Sondierungsgesprächen hat sich gezeigt, dass die EU grundsätzlich einverstanden wäre, die institutionellen Fragen in einzelnen Abkommen zu klären. Dies würde es der Schweiz ermöglichen, Ausnahmen vorzusehen. Trotzdem ist die Schweiz immer noch nicht bereit, echte Verhandlungen mit der EU aufzunehmen. Sie will weiter «sondieren».
Entwurf bundesrätlicher Bericht Lagebeurteilung Beziehungen Schweiz–EU
«Für die Schweiz gibt es zwei Knackpunkte», erklärt Rhyn. «Einerseits die Zuwanderung und andererseits den Lohnschutz.» Die Löhne seien in der Schweiz höher als in den EU-Ländern und deshalb wolle die Schweiz die heutigen Schutzmassnahmen beibehalten.
Laut Rhyn kann die EU der Schweiz aber nicht zu weit entgegenkommen, denn auch reiche EU-Mitgliedsländer würden ihren Arbeitsmarkt gerne stärker abschotten oder die Zuwanderung in ihre Sozialwerke verhindern. «Wenn die EU der Schweiz viele Ausnahmen gewährt, dann werden die Mitgliedsstaaten dasselbe einfordern.» Es geht also darum, die Disziplin in den eigenen Reihen zu halten.
Und wie geht es jetzt weiter? «Die EU hätte gerne bald eine verbindliche Abmachung», sagt Rhyn. 2024 wechselt nämlich die Präsidentschaft der EU-Kommission. Wenn bis dahin nicht alles unter Dach und Fach ist, müssten die persönlichen Kontakte zwischen den Verhandlungspartnern wieder neu geknüpft werden, was den Prozess verlangsamen oder eine Einigung erschweren könnte.
Die Schweiz hingegen steht eher auf die Bremse. «In der Schweiz hat man das Gefühl, dass manche Parteien das Ganze lieber noch etwas hinauszögern wollen, weil im Oktober 2023 Wahlen anstehen und das Thema Europa für viele ein sehr heikles ist», so Rhyn. Es geht also wie gewohnt schleichend weiter in den Beziehungen Schweiz – EU.
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