Schweiz verurteilt Attentate in Brüssel
Brüssel ist am Dienstag von blutigen Anschlägen erschüttert worden. Durch Explosionen am Flughafen und in einer U-Bahn-Station im EU-Viertel wurden mindestens 31 Menschen getötet, etwa 270 verletzt. Vermutet wird, dass die Anschläge wieder auf das Konto von radikalen Islamisten gehen. Staats- und Regierungschefs aus zahlreichen Ländern bekundeten Solidarität mit der belgischen Hauptstadt. Sie riefen Europa und die Welt dazu auf, im Kampf gegen die globale Bedrohung zusammenzuhalten. Auch die Schweiz verurteilte die Attentate.
Nur vier Tage nach der Festnahme des terrorverdächtigen Salah Abdeslam in Brüssel erschütterten am Morgen mehrere Explosionen die EU-Hauptstadt und den Flughafen Zaventem. Dort konnte am Nachmittag eine weitere Bombe kontrolliert gesprengt werden.
Wer hinter den Anschlägen steckt, ist noch nicht klar. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) habe sich zu den Anschlägen bekannt, berichtete die dem IS nahestehende Nachrichtenagentur Amaq im Internet.
Bundespräsident Johann Schneider-Ammann drückte im Namen des Bundesrats und der Schweizer Bevölkerung Belgien sein tief empfundenes Beileid aus. «Wir verurteilen diese schrecklichen Taten auf das Schärfste», sagte er vor den Medien in Bern.
Keine Schweizer Opfer bekannt
Schweizer Reiseveranstalter hatten am Dienstag keine Kunden in Brüssel. Dass etliche Umsteigepassagiere aus der Schweiz von der Schliessung des Flughafens Zaventem betroffen sein dürften, nahmen sie aber an, da er ein wichtiges Drehkreuz für den Afrikaverkehr sei.
Eine Klasse von Freiburger Kantonsschülern war auf der gleichen Metro-Linie in Brüssel unterwegs, auf der es zu einem Bombenanschlag kam. Die 19 Schüler kamen mit dem Schrecken davon und konnten unverletzt ins Hotel zurückkehren, wie es hiess.
Neben den Freiburger Schülern befanden sich auch drei Schulklassen eines Gymnasiums aus dem waadtländischen Morges in Belgien. Auch diese blieben unverletzt.
Die Schweiz sei bestürzt über die Attentate. Die Schweiz und Europa stünden für Freiheit, Sicherheit, Rechtsstaat und Demokratie. «Diese Werte werden wir jederzeit hochhalten und verteidigen», sagte Schneider-Ammann.
Über mögliche Schweizer Opfer liegen laut dem Bundespräsidenten keine Informationen vor. Auch gibt es keine Hinweise auf eine direkte Bedrohung der Schweiz. Die Bedrohungslage in ganz Europa sei jedoch seit Monaten erhöht, sagte Schneider-Ammann.
In Bern wurde ein Krisenstab eingesetzt. Gemäss dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) gibt es aber keinerlei Indizien auf eine direkte Bedrohung des Landes. Der NDB überprüft zurzeit, ob die Anschläge in Brüssel etwas an der Bedrohungslage in der Schweiz ändern. Gemäss NDB ist die Bedrohungslage aber seit den Anschlägen in Paris im November 2015 bereits erhöht.
Bedingt ist dies durch die generell erhöhte Bedrohungslage in Europa und ausgelöst sowohl durch die steigende Anzahl in die Heimat zurückgekehrter Dschihad-Reisender als auch durch die Aufrufe zu Terroranschlägen durch die IS-Terrormiliz. Gemäss Informationen von Geheimdiensten habe diese mehrere Personen nach Europa geschickt, um Anschläge zu planen und durchzuführen.
Kurt Spillmann, emeritierter ETH-Professor für Sicherheitspolitik und Konfliktforschung, sagte in einer SRF-Spezialsendung: «Europa muss mit weiteren Attentaten rechnen.»
Die Schweiz ist laut dem NDB nicht ein primäres Zielland islamistisch motivierter Attentäter. Als westliches Land bleibe die Schweiz aber ein mögliches Ziel. Die Brüsseler Attentate, aber auch diejenigen in Paris im vergangenen Jahr, könnten gemäss NDB nun radikalisierte Personen in der Schweiz inspirieren, solche Anschläge nachzuahmen. Die Schweiz könne aber auch als logistische Basis oder Durchgangsland für Terroristen dienen.
Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) steht mit den belgischen Behörden in Kontakt, um herauszufinden, ob die Anschläge in Brüssel eine Verbindung zur Schweiz aufweisen, wie Fedpol-Sprecherin Cathy Maret auf Anfrage erklärte. Für konkrete Sicherheitsmassnahmen sind die Kantonspolizeien zuständig. Das Fedpol beliefert diese mit den notwendigen Informationen.
Flughafen geschlossen
Zahlreiche Flüge nach Brüssel wurden gestrichen oder umgeleitet. Auch die Lufthansa-Tochter Swiss strich sämtliche für Dienstag geplanten Flüge von Zürich nach Brüssel. Ein Flugzeug, das bereits in der Luft war, sei nach Düsseldorf umgeleitet worden, sagte eine Sprecherin. Nach Angaben der Betreibergesellschaft bleibt der Brüsseler Flughafen auch am Mittwoch und Donnerstag geschlossen. Die ankommenden Flüge würden über Regionalflughäfen in der Nähe abgewickelt.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat die Reisehinweise für Belgien angepasst. Es fordert dazu auf, die Anweisungen des belgischen Krisenzentrums (DG Centre de crise) und der Polizei zu befolgen. Es erinnert daran, dass Terroristen überraschend zuschlagen. Bombenanschläge liessen sich trotz gelegentlicher mehr oder weniger konkreter Warnungen nicht voraussagen.
Das nationale Krisenzentrum in Belgien ist nach den Anschlägen über eine spezielle Telefonnummer zu erreichen. Unter +32 781 51 771 können sich Anrufer aus dem Ausland erkundigen. Weil das Mobilnetz stark belastet ist, bittet das Krisenzentrum darum, möglichst über soziale Medien zu versuchen, Menschen in der Region zu kontaktieren.
Metropolen im Fokus
Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA stehen auch europäische Metropolen im Fokus islamistischer Attentäter.
ISTANBUL – Januar 2016: Ein Selbstmordattentäter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reisst im historischen Zentrum Istanbuls zwölf Deutsche mit in den Tod.
PARIS – November 2015: Bei einer Serie koordinierter Anschläge in Paris töten Kommandos der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) 130 Menschen. Im Januar 2015 waren bei einem Attentat auf das Satiremagazin «Charlie Hebdo» in Paris zwölf Menschen gestorben.
MOSKAU – März 2010: Selbstmordattentäterinnen sprengen sich in zwei Zügen der Moskauer U-Bahn in die Luft und reissen mindestens 40 Menschen mit in den Tod.
LONDON – Juli 2005: Vier Muslime mit britischem Pass zünden in der Londoner U-Bahn und einem Bus Sprengsätze. 56 Menschen sterben, etwa 700 werden verletzt.
MADRID – März 2004: Bei islamistisch motivierten Bombenanschlägen auf Pendlerzüge in Madrid sterben 191 Menschen, rund 1500 werden verletzt.
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