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Schweizer Milch ist in China heiss begehrt

Milch und Milchprodukte finden in China immer mehr Absatz, vor allem in städtischen Gebieten. Keystone

Schweizer Milchprodukte sind im Reich der Mitte beliebt, vor allem Joghurts und Milchpulver. Die Konkurrenz schläft jedoch nicht, und die Hürden sind zahlreich, wie etwa die Laktose-Intoleranz bei einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung.

Die kleinen Becher «Schweizer Joghurt erster Wahl» sind sorgfältig im Kühlschrank des Supermarkts Fusion mitten im Herzen von Hongkong aufgereiht. Man findet solche mit Aloe-Vera-Aroma, Mango oder Ananas. Nebenan thronen Packungen mit Emmi-Fondue sowie Milchdrinks der Sorte Bifidus Acti-V und Litschi-Joghurt von Nestlé. Drei Regale weiter findet man ein breites Angebot an Schokoladetafeln von Lindt mit den Aromen Minze, Limette oder Kokosnuss. Und einen Stapel an Milchbeuteln von Emmi, dekoriert mit Kühen und Bergen.

Die helvetischen Milchprodukte sind in China und Hongkong ein Hit. Gemäss Angaben der Eidgenössischen Zollbehörde hat die Schweiz 2015 insgesamt 8154 Tonnen im Wert von 31 Millionen Franken in diese beiden Länder exportiert. Das entspricht lediglich 2,8% der im letzten Jahr ausgeführten Schweizer Milchprodukte. Allerdings sind die Exporte stark am Steigen: So haben die Exporte von Milchprodukten nach China und Hongkong zwischen 2010 und 2015 um 50,6% zugenommen.

Seit einigen Jahren dürstet China regelrecht nach Milch. Der Jahreskonsum dieses weissen Goldes ist zwischen 2000 und 2015 von 1 auf 17 Kilo pro Einwohner gewachsen. Das ist zwar weniger als in den USA (74 Kilo), in der Schweiz (80 Kilo) oder auch in Japan (31 Kilo) und in Südkorea (34 Kilo). Aber bei den absoluten Zahlen kann es einem schwindlig werden: Die Chinesen konsumieren jährlich über 35 Millionen Tonnen an Milchprodukten, was einem Markt von über 40 Milliarden Dollar entspricht.

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Flüssige Milch macht den Löwenanteil aus. «Die Importe von Milch haben sich zwischen 2010 und 2013 verachtfacht», erklärt Matthieu David, ein Analyst auf diesem Gebiet bei Daxue Consulting. Aber auch Joghurts und Milchdrinks haben Aufwind: Ihre Verkäufe nehmen jährlich um 30% respektive 20% zu. Die Einfuhren von Milchpulver stiegen ihrerseits von 110’000 Tonnen im Jahr 2005 auf 400’000 Tonnen 2013, mit einem Rekord von 850’000 Tonnen im Jahr 2013.

China importiert aktuell einen Fünftel der weltweit produzierten Milchprodukte und ist mittlerweile der drittgrösste Milchhersteller – hinter den USA und Indien.

Nestlé und Emmi profitieren

Für die Schweizer Unternehmen ist dies ein Glücksfall. «Wir verkaufen seit 100 Jahren Milchpulver nach China, und vor 25 Jahren haben wir in diesem Land unsere erste Milchfabrik eröffnet, in der Provinz Heilongjiang», erklärt Jürg Zaugg, der für den Milchsektor von Nestlé in China verantwortlich ist. «Aber in den letzten Jahren hat sich alles beschleunigt. Wir haben im Nordosten des Landes zwei neue Fabriken sowie ein Bildungszentrum für lokale Kuhzüchter eröffnet.»

2015 erzielte Nestlé einen Umsatz von 7,1 Milliarden Franken in China, eine Zunahme von 6,4%.

«Unsere Verkäufe in die asiatisch-pazifische Region nehmen unvermindert zu», sagt Patrick Diss, zuständig für den internationalen Verkauf bei Emmi. Sie stiegen von 24,3 Millionen Franken im Jahr 2011 auf 33,1 Millionen im 2014, und China dominiert dieses Segment – neben Singapur und Japan.» In Hongkong werden Emmi-Produkte in 95% der Supermärkte angeboten. Eines von sechs Joghurts, die in der Megalopole verzehrt werden, stammt von dieser Luzerner Marke.

Ein städtisches Phänomen

Die Vorliebe der Chinesen für Milchprodukte hat mit der Entstehung einer städtischen Mittelklasse zu tun, die reist und die westlichen Geschmäcker entdeckt. «In den chinesischen Städten entstehen immer mehr Cafés und Bäckereien», erzählt Jürg Zaugg. «Ein Grossteil der importieren UHT-Milch, dient dazu, diese zu versorgen. Sie wird auch für Eiscrème, Kuchen und Gebäck verwendet, welche die Chinesen in grossen Mengen konsumieren.»

Die Zunahme von amerikanischen Fastfood-Ketten wie Pizza Hut oder MacDonald’s hat den Konsum von Nahrungsmitteln auf Milchbasis, etwa von geschmolzenem Käse, ebenfalls gesteigert.

Die Mitglieder dieser neuen Mittelklasse sorgen sich auch mehr um die Qualität ihrer Ernährung. » Milchprodukte werden in China als gut für die Gesundheit betrachtet», sagt Matthieu David. «Die Eltern geben sie ihren Kindern, um die Zufuhr von Kalzium und Protein zu garantieren.» Probiotische Joghurts, die als verdauungsfördernd gelten, sind vor allem beliebt.

Geschichte einer Hassliebe

Die Milch gehört nicht zur traditionellen Ernährung der Han, die hauptsächliche Ethnie in China. Sie haben sie in kleinen Dosen übernommen und integriert, zum Beispiel, um ihren Tee zu verdünnen, und dies bereits seit 1300 v. Chr. dank ihrer Kontakte mit den mongolischen Nomadenvölkern.

Während der Dynastien aus dem Norden und Süden (420 – 589 n.Chr.) wurden gewisse Traditionen der Ethnie Xianbei übernommen. Diese waren im Norden Chinas angesiedelt und hatten Ziegenmilch, Joghurts und Kumis (Getränk auf Basis fermentierter Stutenmilch) in ihre Küche integriert. Diese ausländischen Einflüsse wurden zur Zeit der Dynastie Song (960 n.Chr.) jedoch aufgegeben.

Erst nach dem Ende des Ersten Opiumkrieges im Jahr 1942 kam es zu einem Revival der Milch in China. Die Briten nutzten ihren Sieg dazu, die Qing-Dynastie dazu zu zwingen, fünf Küstenstädte für den internationalen Handel zu öffnen. Händler aus dem Westen, die sich dort installiert hatten, brachten europäische Kühe mit.

So entstand mit der Zeit in diesen Küstenregionen eine Milchindustrie. Allerdings blieb diese bis zur wirtschaftlichen Öffnung Chinas 1978 im Verborgenen. Der Aufschwung kam erst in den letzten zehn Jahren.

Die Angst vor der heimischen Milch

Die Sorge um die Gesundheit erklärt den Erfolg von importiertem Milchpulver. Die chinesischen Konsumenten haben 2008 das Vertrauen in ihre eigene Produktion vollständig verloren, als sechs Säuglinge starben, nachdem sie mit Melanin verseuchte Milch getrunken hatten.

«Nach diesem Skandal begannen die Leute, sehr genau darauf zu achten, welches Unternehmen hinter jeder Marke von Milchpulver stand, welche Zutaten drin waren und wo es hergestellt wurde», unterstreicht Jürg Zaugg. Dieser Sektor wird von einer Handvoll ausländischer Marken dominiert, darunter auch die führende Marke Wyeth, die Nestlé 2012 von Novartis gekauft hatte.

Für die Milchproduzenten in China sind die Zeiten aber dennoch nicht rosig. Fast 60% der Bevölkerung leiden an einer Laktose-Intoleranz. Dies zwingt die Unternehmen zu kreativen Schritten. So haben diverse unter ihnen laktosefreie Joghurts sowie Milch auf Soja-, Mandel- oder Kokosnussbasis auf den Markt gebracht. Nestlé kaufte 60% der Firma Yinlu, die Milch aus Erdnüssen herstellt.

Zudem war eine Anpassung an den Geschmack der Chinesen notwendig, da sich dieser von jenem im Westen stark unterscheidet. «Latte Matcha» (mit Grüntee), Eiscrème mit roten Bohnen oder kalte Schokolade mit Salz oder Käse gehören zu den Milchprodukten, die bei den Bewohnern des Reichs der Mitte hoch im Kurs stehen.

Heisser Wettbewerb

Ein weiteres Problem der Firmen von Milchprodukten in China stellt sich bei der Beschaffung der Rohstoffe. «Die Mehrheit der Produzenten sind kleine Betriebe, die in der Inneren Mongolei angesiedelt sind», sagt Warren Wang, ein KPMG-Experte auf diesem Gebiet. «Manchmal haben sie Mühe, der Nachfrage nachzukommen, was einen massiven Preisanstieg zur Folge hat, wie im Jahr 2013. Dann wieder haben sie Überkapazitäten und schicken ihr Vieh in den Schlachthof, was zu einer erneuten Verknappung führt, so 2014. Dies macht den ganzen Prozess sehr unbeständig.»

Auch wenn all diese Hürden überwunden sind, stehen die Schweizer Milchprodukte-Hersteller in China in einem starken Konkurrenzkampf. «Neuseeland beherrscht die Importe von flüssiger Milch», erklärt Matthieu David.

Gruppen wie der französische Getränke- und Lebensmittelkonzern Danone, die amerikanischen Mead Johnson und Abbot, die holländische Friesland oder die neuseeländische Fonterra sind auf dem chinesischen Markt gut etabliert. Einige sind mit lokalen Firmen Partnerschaften eingegangen, wie Danone mit Mengniu, einem Molkereibetrieb der Inneren Mongolei, oder Fonterra mit Beingmate, einem Milchpulver-Fabrikanten, der im Delta von Yangzi liegt.

Die heimischen Gruppen schlafen ebenfalls nicht. Die drei Grössten unter ihnen, Mengniu, Yili und Bright Dairy, die einen 40%-Anteil am chinesischen Markt haben, haben begonnen, kleine regionale Betriebe aufzukaufen. Bright Dairy hat sogar Bauernbetriebe in Neuseeland und Israel erworben. Die Schweizer werden hart kämpfen müssen, um ihren Spitzenplatz auf dem chinesischen Milchmarkt zu halten.

(Übertragung aus dem Französischen: Gaby Ochsenbein)

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