Exporteure suchen Weg durchs Märkte-Minenfeld
Die Schweizer Exporteure wenden sich vermehrt dem Osten zu, um ihre Risiken zu diversifizieren und neue Kunden zu finden. Doch das will nicht heissen, dass die Unternehmen ihre traditionellen Märkte vernachlässigen.
Der Ausfuhrtrend in Richtung (Fern-)Ost nährt sich einerseits aus den neuen Möglichkeiten in den schnell wachsenden Schwellen-Wirtschaften, andererseits aus den sich verschlechternden Währungsrelationen von Euro und Dollar gegenüber dem Schweizer Franken.
Die jüngst publizierte Aussenhandelsstatistik für 2011 zeigt einen 19-prozentigen Zuwachs der Ausfuhren nach China und nach Hongkong. 15% mehr wurden nach Indien exportiert, 13% mehr nach Russland.
Derweil sank der Ausfuhranteil in die EU innert weniger Jahre von zwei Dritteln auf 60%. Dafür stieg der Anteil in Richtung BRIC-Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien und China) von 7,6% im Vorjahr auf 2011 8,4%.
Der starke Franken hat zum verminderten EU-Ausfuhranteil beigetragen. Ihm geben die Schweizer Unternehmen auch die Schuld am Umstand, dass sie die Preise um durchschnittlich 5,5% gegenüber dem Vorjahr senken mussten, um die Positionen in ihren Auftragsbüchern halten zu können.
Kein Allheilmittel
Doch waren es nicht nur der starke Franken und die abflauende Konjunktur in Europa, die das Unternehmen Baumot, das Abgasfilter für Fahrzeuge herstellt, dazu bewegt hat, vor 18 Monaten in den chinesischen Markt einzusteigen.
Dass die Verschmutzung eine der grössten Herausforderungen für die weltweit am schnellsten wachsende Wirtschaft darstellt, hat Baumot zu der Erwartung erwogen, dass China beinahe einen Drittel seiner Erlöse beitragen könnte. Denn China wird seinen Emissionsausstoss vermindern müssen.
Dennoch warnt Baumot-Chef Marcus Hausser davor, den Markt China nun als Allheilmittel für Schweizer Exporteure zu erachten. «Unser grösster Ausfuhrmarkt ist und bleibt Europa, weil alle wichtigen Technologietrends in unserer Branche europäisch sind.»
China sei gross und es sei wichtig, dort präsent zu sein. «Aber Exporteure, die nun exklusiv auf China setzen, riskieren schwerwiegende Problem, falls die Konjunktur dort wirklich einmal ins Stocken geraten sollte.»
Vertrauenslücke schliessen
Hausser räumt ein, dass ihm das Tempo der jüngsten Frankenaufwertung gegenüber Euro und Dollar Kopfschmerzen bereitet habe. Andererseits seien gerade Schweizer Exporteure daran gewöhnt, trotz harter Inlandwährung konkurrenzfähig zu bleiben.
«Bestünde der einzige Vorteil eines Produkts darin, dass es in einem Umfeld mit schwacher Währung hergestellt wird, müsste man wirklich über die Bücher gehen und sich die Unternehmensstrategie nochmals überdenken», sagt Hausser weiter. Und vergleicht die Währungshürden für Schweizer Firmen mit Aufwärtsstrecken für Marathonläufer.
Die im Nahrungsmittelbereich tätige Hochdorf aus dem Kanton Luzern sieht in China ebenfalls viel Potenzial für ihre Produkte. Hochdorf stellt milch- und getreidebasierte Babynahrungsmittel her. Bei Hochdorf glaubt man, nach den Melamin-Skandalen den chinesischen Konsumenten eine vertrauenswürdige Alternative bieten zu können.
«Viele Eltern dort vertrauen den lokalen Milchprodukten nicht mehr», sagt Edith Koch, bei Hochdorf zuständig für Asien, gegenüber swissinfo.ch. Demgegenüber hätten Produkte «swiss made» eine sehr gute Reputation, was die Qualität betreffe. «Das gibt uns eine gute Chance, besser in Chinas Markt einzudringen.»
Die Früchte hängen tief
Doch Asien ist nicht alles für Schweizer Exporteure: Die 2011er-Ausfuhrstatistiken, die einen derart hohen Anteil für China und Asien ausweisen, sind zu einem grossen Teil einer einzigen Branche, der Uhrenindustrie, zuzuschreiben.
Nicht überraschend, sind die Exporte in die überschuldeten EU-Länder wie Griechenland oder Portugal ausgetrocknet. Zurückgegangen sind sie aber auch im Fall von robusteren EU-Wirtschaften wie denjenigen Grossbritanniens oder der Niederlande.
Doch auf den Markt Deutschland, traditionell ohnehin der grösste für die Schweiz, entfiel 2011 ein 5,5-prozentiges Wachstum. Auf dieses Land allein entfällt auch die Hälfte vom Exportplus von 4 Milliarden Franken.
Deutschlands eigene Ausfuhren sind 2011 bekanntlich aufgeblüht und erreichten die 1,2 Billionen (1200 Milliarden) Franken-Marke! Dies lässt sowohl die Zunahme der Schweizer Exporte um 2,1% als auch die Gesamthöhe von 197 Mrd. Fr. als bescheiden erscheinen.
Der wirtschaftliche Exporterfolg Deutschlands trug dazu bei, dass viele Schweizer Unternehmen ihre Geschäfte ausbauen konnten. Um 2011 den deutschen Firmen ihre Rekordausfuhren zu ermöglichen, hatten Schweizer Lieferanten vieles an Einrichtungen, Anlagen und Geräten beigetragen.
Diversifizieren und nochmals diversifizieren
Ein weiterer Markt, jener der vielgeschmähten Vereinigten Staaten, versorgte die Schweizer Exporteure 2011 mit einem stabilen Nachfrage-Verlauf. Die Ausfuhren nach den USA nahmen um 2,4% zu, womit sich dieser Markt als zweitgrösster für die Schweiz bestätigt hat.
Patrick Djizmedjian vom Schweizer Aussenwirtschaftsförderer Osec empfahl jüngst den Exporteuren, darauf zu achten, dass sie ihre Risiken möglichst gut verteilen bzw. ihre Exportgeschäfte auf verschiedene Märkte diversifizieren.
«Zu einer nachhaltigen Exportstrategie gehört sicherlich, dass man nicht zu stark von der Euro- und Dollarzone abhängig ist», sagt Djizmedjian gegenüber swissinfo.ch. «In aufstrebenden Schwellenländern gibt es zunehmend Geschäftsmöglichkeiten für Schweizer Unternehmen, vor allem in Asien.»
Allein in der ASEAN-Region gebe es 600 Millionen Konsumenten. «Länder wie Indonesien, Vietnam, Thailand und die Philippinen würden für exportorientierte Schweizer Unternehmen immer wichtiger.
«Eine erfolgreiche Exportstrategie sollte jedoch meistens mittel- bis langfristig sein. Wenn z.B. 80 Prozent der Ausfuhren einer Firma für die Eurozone bestimmt sind, ist es sicherlich schwierig für dieses Unternehmen, die Strategie in wenigen Monaten auch auf andere Märkte wie die Schwellenländer auszurichten.»
Insgesamt exportierten Schweizer Unternehmen Waren und Güter im Wert von 197,6 Mrd. Franken, 2,1% mehr als im Vorjahr.
Dieser Wert liegt immer noch beinahe 9 Mrd. Fr. unter dem Rekordwert aus dem Jahr 2008.
Der starke Franken zwang die Exporteure zudem zu erheblichen Preis-Konzessionen: Gemäss Aussenhandels-Statistik sank das Preisniveau der Exportgüter um 5%, was dem höchsten je registrierten Preisrückgang entspricht.
Die Uhrenindustrie spürte von all den Problemen gar nichts: Ihre Exporte wuchsen um 19%. Allein der Zuwachs für China betrug 48%.
Nicht schlecht schlossen auch die Sektoren Metallindustrie (+2.2%), Maschinen und Elektronik (+1,2%) sowie Nahrungsmittel und Tabak ab (+0,6%).
Papier- und grafische Produkte entwickelten sich um 12,5% zurück, Textilien um -6,5%, Bekleidung um -3,8%.
Exporte nach Asien nahmen um 9,6% zu, angeführt von China (+19,2%), Hongkong (+18,8%) und Indien (+15,2%).
Die Ausfuhren in die verschuldeten EU-Länder, aber auch jene nach Grossbritannien und in die Niederlande, nahmen ab (EU gesamthaft: -0,7%).
Doch die beiden grössten Schweizer Märkte, Deutschland und die USA, gewannen dazu, nämlich um 5,5% respektive 2,4%.
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
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